Worum geht es bei der Klage?
Der schwedische Staatskonzern Vattenfall fordert 4,7 Milliarden Euro Schadenersatz von der Bundesregierung. Hintergrund ist der Atomausstieg, den Deutschland im Zuge der Reaktor-Katastrophe im japanischen Fukushima beschlossen hatte. Am 11. März 2011 war es im dortigen Atomkraftwerk zu verheerenden Kernschmelzen gekommen, die insgesamt fast 19 000 Todesopfer forderten.
Vattenfall sieht sich faktisch enteignet durch die Kehrtwende der Regierung, die unter dem Eindruck des Unglücks eine erst im Vorjahr beschlossene Laufzeitverlängerung für deutsche Atommeiler rückgängig gemacht hatte. Die Schweden hatten zuvor in der Annahme, dass die Anlagen noch Jahre am Netz bleiben würden, viel Geld für Anteile an den deutschen AKW in Brunsbüttel und Krümmel ausgegeben.
Warum wird der Fall in den Vereinigten Staaten verhandelt?
Wie die großen deutschen Energiekonzerne Eon und RWE hat Vattenfall auch vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Klage auf Schadenersatz wegen des beschleunigten Atomausstiegs eingereicht. Allerdings ist äußerst ungewiss, ob die Schweden als Staatsunternehmen überhaupt auf Grundrechtsschutz in Deutschland pochen können. Deshalb setzt der Konzern auf das internationale Schiedsgericht. RWE und Eon wiederum können als deutsche Unternehmen nur vor dem Verfassungsgericht klagen.
Vattenfall macht sich große Hoffnungen beim Showdown in Washington. „Wir sind überzeugt, dass Transparenz für das Verständnis dieses Falls hilfreich ist“, verkündete Anne Gynnerstedt, die Leiterin der Rechtsabteilung. Es gehe Vattenfall nicht darum, den politischen und gesellschaftlichen Beschluss zum Ausstieg aus der Kernenergie in Frage zu stellen. „Wir haben aber immer betont, dass wir eine faire Kompensation für den entstandenen finanziellen Schaden erwarten.“
Wie stehen die Chancen?
Die Bundesregierung hält ihr Vorgehen für völkerrechtlich legitim und die Klage für unbegründet. Doch laut Fachleuten sieht es für Vattenfall gar nicht so schlecht aus. Die Schweden könnten geltend machen, dass die nachträgliche Begrenzung der Laufzeiten ihr berechtigtes Vertrauen in die Verlässlichkeit des deutschen Rechtsrahmens enttäuscht habe und deshalb „ungerecht und unbillig“ sei, schrieb etwa Experte Hans-Georg Dederer von der Universität Passau, nachdem Vattenfall die Schiedsklage 2012 einreichte.
Aber Sorgen bereitet nicht nur der mögliche enorme finanzielle Schaden. Schon jetzt kostet das Verfahren den Steuerzahler Geld. Die Klage habe der Bundesregierung bereits mehr als acht Millionen Euro an Verfahrenskosten verursacht, hieß es im Sommer in einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion.
Investitionsstreitigkeiten verhandelt. Dabei handelt es sich um eine Schiedsstelle mit Sitz bei der Weltbank in Washington - eben eine jener von TTIP-Gegnern als äußerst dubios empfundenen Sondergerichtsbarkeiten zum Schutze von Investoren. Die Institution eröffnet ausländischen Konzernen die Möglichkeit, Staaten außerhalb von deren nationalen Rechtssystemen in Regress zu nehmen.
Auch wenn das ICSID bereits seit 1966 existiert und mit TTIP im engeren Sinne gar nichts zu tun, sind Schiedsgerichte solcher Art ein zentraler Streitpunkt des Freihandelsabkommens. Kritiker sehen die Einrichtungen als verlängerten Arm der internationalen Großkonzerne und stellen ihre Legitimität grundsätzlich in Frage. Auch deshalb dürfte die Verhandlung in Deutschland mit Argusaugen verfolgt werden.
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