VW Sharan - unaufdringlicher Familienfreund

  13 Oktober 2016    Gelesen: 724
VW Sharan - unaufdringlicher Familienfreund
Einst galten sie als Heilsversprechen für alle Transportnöte, dann entdeckten die Kunden ihre Liebe zum SUV und die Vans kamen aus der Mode. Volkswagen hält eisern zum Sharan. Warum, beantwortet dieser Praxistest.
Der erste Versuch war noch zaghaft: Gemeinsam und deshalb mit geteiltem Risiko entwickelten Ford und Volkswagen die Zwillinge Galaxy und Sharan, deren Erfolg die Wolfsburger vor sechs Jahren zu einer eigenen Kreation für die zweite Generation motivierte. Doch auch das Facelift im vergangenen Jahr konnte nicht verhindern, dass der einstige Marktführer in Deutschland ein wenig an Akzeptanz verlor. In den ersten acht Monaten dieses Jahres fielen die Zulassungszahlen sogar hinter die des Opels Zafira zurück.

"Dieselgate" hat nicht verhindern können, dass auch 2016 acht von zehn in Deutschland neu angemeldeten Sharan-Fahrzeugen mit einem Selbstzünder-Motor ausgestattet waren. Für diesen Test fährt deshalb die Variante 2.0 TDI mit 150 PS vor, der in der Highline-Ausstattung immerhin schon die stolze Summe von 40.225 Euro kostet. Möchte man ihn als Siebensitzer haben, sind es schon fast 43.000 Euro. Doch mit einer gleich teuren Limousine kann man weder eine Handballmannschaft zum Auswärtsspiel bringen, noch den Großeinkauf im schwedischen Möbelhaus bewerkstelligen.

Variabler Innenraum vielseitig nutzbar

Bleiben wir gleich beim Möbeltransport: Das verpackte Billy-Regal und die anderen Kleinigkeiten erreichen den Innenraum durch die große Heckklappe, unter deren Schloss man auch mit 1,90 Metern Körpergröße bequem stehen kann. Die minimale Innenbreite des Laderaums – wenn alle Sitzgelegenheiten versenkt sind – beträgt 98 Zentimeter. An der Klappe ist die Öffnung 110 Zentimeter breit. Alle Kartons und Blumenkübel brauchen nur 66 Zentimeter hoch gehoben zu werden, dann sind sie drin. Die Schiebetüren bringen zwar einen Komfortgewinn, kosten aber mit elektrischer Betätigung auch 780 Euro extra.

Das ist noch vergleichsweise preiswert gegenüber dem 7-Sitz-Paket, das mit 2245 Euro zu Buche schlägt. Das Versenken beziehungsweise Umlegen der Sitze - einschließlich des des Beifahrersitzes - kann man sich kaum bequemer und einfacher vorstellen, auch der Zustieg in die dritte Reihe ist erstaunlich verrenkungsfrei. Sonnenschutzrollos gibt es für die Scheiben der Schiebetüren für 115 Euro extra, jedoch nicht für die hinteren Seitenscheiben, was durchaus sinnvoll sein könnte, wenn man die absolut ebene und mehr als zwei Meter tiefe Ladefläche unkonventionell nutzen will. Mit einer Matratze belegt, kann das Transportabteil durchaus als Notunterkunft dienen. Auch an eine manuelle Entriegelung der Heckklappe von innen wurde gedacht.

Weitere sinnvolle Extras im Testwagen waren die Diebstahlwarnanlage mit Innenraumüberwachung (+405 Euro), der gleiche Betrag wird für die Rückfahrkamera berechnet, 230V-Steckdose (+126 Euro) und Einparkassistent (+325 Euro). Die Bi-Xenon-Scheinwerfer als Bestandteil des Fahrerassistenz-Paketes "Plus" erwiesen sich als leuchtweitenstark, aber nicht immer unproblematisch für den Gegenverkehr, wenn zum Beispiel die Abblendautomatik zu spät oder gar nicht einsetzte. Vielerorts im Innenraum kommen LED-Leuchten zur Anwendung. Nur sind die energiesparenden Lampen nicht konsequent an allen möglichen Stellen eingesetzt, als Leseleuchten hinten glimmen herkömmliche Glühbirnen.

Das Radio "CompositionMedia" (+325 Euro) kann durch ein Navigationsmodul aufgerüstet werden, das dann noch einmal 555 Euro von VW verlangt werden. Die Sprachbedienung (+215 Euro) zeigte sich wiederholt überfordert, so dass mancher die kostenfreie manuelle Befehlseingabe vorziehen könnte. Die adaptive Fahrwerksregelung wurde vom Tester nicht für unbedingt erforderlich gehalten (so kann man 1150 Euro sparen), die elektronische Differenzialsperre XDS sollte man sich aber wegen des kräftigen Motordrehmoments ruhig leisten (+215 Euro). Derartig opulent ausgestattet hat so ein Edel-Van schnell die 50.000-Euro-Grenze überschritten.

PS-Zuschlag für Zweiliter-Diesel

Er entschädigt dafür mit angenehm leichtgängiger, berechenbarer und unauffälliger Handhabung, ist sehr übersichtlich und glänzt mit vielen zweckmäßigen Ablagen und Staufächern. Zum Beispiel ist die Dachkonsole mit einem verschließbaren Fach ausgestattet, ebenso haben die Passagiere auf den Plätzen sechs und sieben ihre Getränkehalter und eigene Ablagen. Federungs- und Abrollkomfort sind tadellos, zu keiner Zeit legte der Sharan etwas anderes an den Tag als das Wesen eines freundlichen und unaufdringlichen Begleiters.

Der Zweiliter-Motor trug seinen Teil zu diesem Gesamteindruck bei. Seine Leistung wurde gegenüber dem Modell von 2015 noch einmal um 10 Pferdestärken angehoben, so dass nunmehr 150 PS zur Verfügung stehen. Leise, aber durchzugsstark ging er zu Werke, auch bei Dauertempo jenseits von 160 km/h fiel er nicht durch akustische Unmutsäußerungen auf. Dass er über mehr als 1000 Kilometer Teststrecke (davon etwa zwei Drittel Autobahn) ca. 1,7 Liter mehr Diesel je 100 Kilometer konsumierte als nach Datenblatt vorgesehen, lag im Bereich des erwartbaren und wird hier als Praxiszuschlag verbucht. Zuweilen nahm sich der Abstands-Tempomat einen unnötig harten Bremseingriff heraus, jedoch schmälert dies nicht den Nutzen dieser Einrichtung.

Fazit: Von einem Van erwartet man, dass er vielseitig und unkompliziert ist. Der Sharan erfüllt diese Erwartung in vollem Umfang. Wohnlich, bequem und zweckmäßig eingerichtet, verspricht er maximalen Nutzen und beansprucht dafür nicht mehr Raum als eine viertürige Limousine. Da es Extras und Assistenz-Systeme für jeden Geldbeutel gibt, ist der Weg zum individuellen Familienfreund leicht zu gehen. Eventuelle sportliche Ambitionen müsste man allerdings dem Zweitwagen überlassen.

DATENBLATT Volkswagen Sharan 2.0 TDI
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) 4,85 / 1,90 / 1,74 m
Radstand 2,92 m
Leergewicht (DIN) 1822 kg
Sitzplätze 7
Ladevolumen 300 - 2297 Liter
Motor Reihen-Vierzylinder mit Turboaufladung 1968 ccm Hubraum
Getriebe 6-Gang-Handschaltung
Systemleistung 110 kW/ 150 PS
Kraftstoffart Diesel
Antrieb Frontantrieb
Höchstgeschwindigkeit 200 km/h
max. Drehmoment 340 Nm bei 1750 - 3000 U/min
Beschleunigung 0-100 km/h 10,3 s
Normverbrauch (Stadt, Land, kombiniert) je 100 km 6,1 / 4,6 / 5,1 l
Testverbrauch 6,8 l
CO2-Emissionen
(Normverbrauch) 132 g/km
Emissionsklasse EU 6
Grundpreis 40.225 Euro
Preis des Testwagens 50.866 Euro

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