Rewe schlägt Sigmar Gabriel als Vermittler vor

  15 Oktober 2016    Gelesen: 501
Rewe schlägt Sigmar Gabriel als Vermittler vor
Die Zerschlagung scheint so gut wie sicher. Tengelmann holt schon erste Angebote ein. Doch es bleibt ein letzter Hoffnungsschimmer.
Nach dem vorläufigen Scheitern der Verhandlungen über die Zukunft der Supermarktkette Kaiser’s Tengelmann will der Rewe-Vorstandsvorsitzende Alain Caparros Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) als Vermittler gewinnen. „Wenn es in dieser verfahrenen Situation noch eine Lösung geben soll, muss ein Mediator mit Autorität und Kompetenz die Verhandlungen führen. Das könnte zum Beispiel Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel sein“, sagte er. Eine Antwort von Tengelmann-Eigentümer Karl-Erivan Haub und Edeka-Chef Markus Mosa ließ zunächst auf sich warten. Haub hatte zuvor in einem Schreiben an die Belegschaft signalisiert, dass es noch ein „kleines Zeitfenster“ für einen Kompromiss gebe, um eine Zerschlagung abzuwenden. Im ersten Schritt sollen aber schon in der kommenden Woche Angebote für die Filialen an Rhein und Ruhr sowie die Fleischwerke in Viersen, Donauwörth und Perwenitz eingeholt werden.

Er habe den Vorsitzenden der Gewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, gebeten, Haub und Tengelmann für weitere Verhandlungen unter Leitung eines Vermittlers zu gewinnen, so Caparros. Die Gewerkschaft hat die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben. „Wir gehen noch nicht davon aus, dass die Gespräche zu Ende sind“, meinte eine Verdi-Sprecherin. Es war Bsirske, der die Gespräche zwischen Haub und Mosa sowie den Konkurrenten Rewe, Markant und Norma auf der anderen Seite initiiert hatte. Ziel war es, die Wettbewerber dazu zu bewegen, ihre Beschwerde gegen die Ministererlaubnis für den Komplettverkauf an Edeka zurückziehen. Am Donnerstagabend hatten die Unternehmen den Abbruch der Verhandlungen verkündet. Ohne Gesamtlösung will Haub die Kette mit ihren knapp 450 Filialen in einzelnen Paketen verkaufen. Caparros erneuerte sein eigenes Kaufangebot für die gesamte Kette inklusive Verwaltung, Logistik, Lager und Fleischwerke. Eine Sprecherin von Kaiser’s Tengelmann wies die Offerte am Freitag umgehend als „unseriös“ zurück, weil Rewe dafür ebenfalls keine Freigabe des Kartellamtes bekommen werde.

„Im Gegensatz zu Edeka pflegen wir ein konstruktives gutes Verhältnis zum Kartellamt. Wir bekommen einen solchen Deal mit kleineren Auflagen in vier Monaten durch“, konterte der Rewe-Chef im Gespräch mit der F.A.Z. Deshalb sei er sogar bereit, für sämtliche kartellrechtlichen Risiken einzutreten und in dieser Zeit die laufenden Verluste der Supermarktkette zu übernehmen. Eine finanzielle Abfindung lehnt Rewe weiter ab, es gehe um einen „strategischen Schritt“. Die Kölner wollen sich selbst einen Großteil der Kaiser’s-Tengelmann-Filialen sichern. Sie richten ihr Augenmerk in erster Linie auf Berlin, teilweise auch auf Nordrhein-Westfalen. „Wenn sich Edeka in München und in Bayern verstärken will, brauchte Rewe mehr Präsenz in Berlin“, sagte Caparros. Sollte die Kette zerschlagen werden, werde sich Rewe auf jedes Paket bewerben. „Und das sogar mit der freiwilligen Verpflichtung, die Sozialauflagen aus der Ministererlaubnis einzuhalten“.

Während Edeka und Tengelmann die Kölner für das Scheitern verantwortlich machen, vermutet Caparros, dass beide Handelsunternehmen in Wirklichkeit kein Interesse mehr an einer Gesamtlösung mit dem Erhalt der Arbeitsplätze hätten. „Sie stellen fest, dass die Ministererlaubnis für sie zu teuer wird.“ So hätten inzwischen so viele Mitarbeiter Kaiser’s Tengelmann verlassen, dass 1000 neue Leute eingestellt werden müssten, um die Bedingungen der Ministererlaubnis zu erfüllen. „Ich fürchte, dass die Arbeitsplätze Herrn Haub nicht mehr interessieren. Die Maske wird fallen, wenn er seinen Plan B verwirklicht.“ Als mögliche Käufer stehen angeblich die österreichische Signa-Gruppe bereit, der Karstadt gehört, sowie die Schweizer Migros. Auch Norma hat weiter Interesse.

Bei dem ersten Krisengipfel in Frankfurt am Donnerstag voriger Woche hatten sich Edeka und Rewe im Grundsatz auf eine Aufteilung der Filialen verständigt. Norma und Markant sollten mit einer Kombination aus Ausgleichszahlungen und Filialen abgefunden werden. An den folgenden Tagen ging es unter anderem darum, wie sich Rewe entsprechend am Kaufpreis für Tengelmann zu beteiligen hätte. Dazu hätten Tengelmann und Edeka detaillierte Informationen auf den Tisch legen müssen, um die einzelnen Filialen bewerten zu können. So weit ist es anscheinend nicht gekommen. Die Schwierigkeiten begannen schon bezüglich der Höhe des Kaufpreises. Durch die Sozialauflagen hat sich der Wert der Tengelmann-Gruppe stark vermindert: Branchenkenner veranschlagen die Zusatzkosten auf bis zu 150 Millionen Euro. Die vor zwei Jahren zwischen Edeka und Tengelmann ursprünglich vereinbarte Summe hätte also nach unten korrigiert werden müssen. Zusätzlich belastet wurden die Gespräche durch die zwischenzeitlich erhobene Forderung von Edeka nach einem „Umsatzausgleich“ von 250 Millionen Euro für die in Berlin abzugebenden Tengelmann-Märkte.

Am vorigen Dienstag zog Caparros seine Zusage für ein zunächst am Samstag geplantes weiteres Spitzentreffen vorläufig zurück. Auf Fachebene gingen die Verhandlungen weiter, nicht zuletzt über die Frage, wie die Neuverteilung von Filialen rechtssicher gehandhabt werden könne. Für alle Beteiligten stand außer Frage, dass man an einer abermaligen Prüfung durch das Bundeskartellamt nicht vorbeikommen würde. An diesem Punkt scheint Haub der Geduldsfaden gerissen zu sein. „Für eine erneute Prüfung durch die Wettbewerbsbehörde müssten wir mindestens sechs weitere Monate bei ungewissem Ausgang veranschlagen – Zeit, die das Unternehmen Kaiser’s Tengelmann nicht mehr durchstehen kann“, begründete Haub das Scheitern der Verhandlungen.


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