Das Video des privaten Fernsehsenders „Al-Hayat“ verbreitete sich in den vergangenen Tagen stark. Der Mann, dessen Name nicht bekannt ist, drückt aus, was viele fühlen. Ägypten leidet unter einer schweren Wirtschaftskrise. Und auch die Geschäfte deutscher Firmen sind zunehmend beeinträchtigt.
Es ist ein Jahr her, dass ein russischer Ferienflieger durch einen Bombenanschlag über der Sinai-Halbinsel abstürzte. Die Terrormiliz IS bekannte sich, der autoritäre Präsident Abdel Fattah Al-Sisi gab einen Anschlag schließlich indirekt zu, Urlauber und ihr Geld nahmen Abstand. Für Investoren ist Ägypten nicht nur wegen überbordender Bürokratie und grassierender Korruption unattraktiv. Obendrein hat der Suez-Kanal, der im vergangenen Jahr für viel Geld erweitert wurde, bislang auch nicht die versprochenen Mehreinnahmen gebracht.
Die Reserven an ausländischem Geld, mit denen Ägypten auf dem Weltmarkt dringend benötigte Produkte wie Weizen oder Arzneimittel kaufen muss, schrumpften weiter. Für einen Dollar bekommt man 8,88 Ägyptische Pfund - jedenfalls nach offiziellem Wechselkurs. Doch die Nachfrage ließ die Preise auf dem Schwarzmarkt zuletzt fast doppelt so hoch klettern.
Diese Lücke sei einfach zu groß geworden, sagt der Ägypten-Experte Stephan Roll von der Stiftung Wissenschaft und Politik: „Egal, ob das die Wirtschaft nach vorne bringt: Sie müssen abwerten.“ Die offizielle Abwertung der Währung stehe wohl kurz bevor.
Die Zentralbank will zunächst aber noch genug harte Währungen durch Kredite - zuletzt kamen zwei Milliarden Dollar aus Saudi-Arabien - ins Land holen, um einen Puffer zu schaffen. Gleichzeitig ist die Aufstockung der Finanzreserven Voraussetzung einer Geldspritze des Internationalen Währungsfonds (IWF) über knapp elf Milliarden Euro. Dieser soll die darbende Wirtschaft wieder in Schwung bringen.
Schlechte Bedingungen für ausländische Firmen
Doch auch für ausländische Unternehmen wird das Geschäft in dem nordostafrikanischen Land immer mehr zum Problem. Das betrifft besonders Fluggesellschaften wie die Lufthansa, die Tickets für ihre wöchentlich 18 Verbindungen nach Deutschland auch direkt in ägyptischen Pfund verkaufen. Das Geld kann wegen Beschränkungen nicht einfach in Euro getauscht werden. Die Lufthansa sitzt so auf Millionen ägyptischen Pfund, mit denen sie nichts anfangen kann.
In Artikeln zweier ägyptischer Zeitungen hieß es zuletzt unter Verweis auf einen Sprecher, die deutsche Airline prüfe einen Verkaufsstopp von Tickets in Ägypten oder zumindest in ägyptischer Währung. Das Verlassen des Marktes wäre dabei eine letzte Konsequenz, die schon der Konkurrent Air France-KLM im September angekündigt hatte. Ab Januar wird sie Kairo nicht mehr anfliegen.
Lufthansa will die Berichte so nicht bestätigen, kann aber keine der beschriebenen Maßnahmen ausschließen. Auch nicht, die Flüge von und nach Ägypten als letzten Ausweg einzustellen. Dies wird aber als radikaler - und zum jetzigen Zeitpunkt unwahrscheinlicher - Schritt gesehen. Offiziell teilt der Konzern nur mit, dass er über mögliche Maßnahmen nachdenke, aber noch keine Entscheidung getroffen habe.
Auch Autobauer wie Daimler gehören zu denjenigen Unternehmen, für die Geschäfte in dem Land momentan schwierig sind. Die Stuttgarter klagen in Ägypten wegen der aus ihrer Sicht unzulässigen Zollbestimmungen bei der Einfuhr von Autos.
Preissteigerungen würden vor allem die Armen treffen
Eine kontrollierte Abwertung des Pfunds - auch ein freier Wechselkurs ohne Fixwert wäre möglich, doch riskant - könnte den ausländischen Firmen helfen und Ägypten für Investoren wieder attraktiver machen, sagt Experte Roll. Doch dies hätte auch eine andere Folge: „Es wird dann Preissteigerungen geben, das ist ganz klar.“
Treffen würde das vor allem die unteren Schichten, in denen der Volkszorn brodelt. In den vergangenen Tagen sorgte die Festnahme eines Mannes für Aufsehen. Er wird beschuldigt, zehn Kilogramm Zucker gehamstert zu haben, um sie illegal weiterzuverkaufen. Die Nahrungsmittelpreise sollen seit dem vergangenen Jahr um bis zu die Hälfte gestiegen sein. Eine für den 11. November angekündigte Demonstration lässt die Behörden sichtlich nervös werden.
Der namenlose Tuk-Tuk-Fahrer indes wurde nicht mehr gesehen. Sein Video wird auf den Online-Portalen immer wieder gelöscht und genauso oft neu hochgeladen. Gerüchte, der interviewende TV-Reporter sei entlassen worden, weil er die Regierung in Bedrängnis bringt, dementierte die Zeitung „Al-Masri al-Youm“ zuletzt: Er habe nur vorübergehend Urlaub genommen.
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