Hunderttausende Regierungsgegner protestierten in der Hauptstadt Caracas und im ganzen Land gegen den Stopp der Vorbereitungen für ein Referendum zur Abwahl Maduros. Auch die sozialistischen Chavisten - Anhänger des gestorbenen Ex-Präsidenten Hugo Chávez - gingen auf die Straße. Vereinzelt kam es zu gewalttätigen Zusammenstößen. Die Opposition gab die Zahl der Teilnehmer an den landesweiten Protesten mit 1,2 Millionen an. Menschenrechtsaktivisten berichteten von 20 Verletzten und 39 Festnahmen.
Mit Landesflaggen, weißen Hemden und Ausgaben der Verfassung in den Händen zogen die Demonstranten durch die Hauptstadt. "Lieber sterbe ich hier, als weiter in einer Diktatur zu leben", sagte die Studentin Carmen Flores. Die Regierungsgegner skandierten: "Sie wird stürzen, sie wird stürzen, diese Regierung wird stürzen." Lilian Tintori, die Ehefrau des inhaftierten Oppositionspolitikers Leopoldo López, rief der Menge zu: "Wir müssen die Absetzung des Diktators erreichen!"
Ursprünglich wollte die Opposition am Mittwoch Unterschriften von 20 Prozent der Wahlberechtigten für eine Volksabstimmung zur Abwahl des Präsidenten sammeln. Die Wahlbehörde hatte das Verfahren in der vergangenen Woche allerdings überraschend gestoppt. Damit rückt ein Machtwechsel in dem südamerikanischen Land in weite Ferne. Wenn nämlich das Referendum erst nach dem 10. Januar kommenden Jahres stattfinden sollte, würden die regierenden Sozialisten laut Verfassung auch im Falle einer Niederlage Maduros bis zum Ende der Amtszeit an der Macht bleiben.
Maduro beschuldigt "den Norden"
Oppositionsführer Capriles drohte mit einem Marsch auf den Präsidentenpalast, sollte das Verfahren zur Abwahl Maduros nicht wiederaufgenommen werden. "Stellt die verfassungsmäßige Ordnung wieder her, oder wir kommen am 3. November zum (Regierungssitz) Miraflores", sagte er. Der konservative Parlamentspräsident Henry Ramos Allup sagte unter dem Jubel der Maduro-Gegner, das von der Opposition beherrschte Abgeordnetenhaus werde das in der Verfassung vorgesehene "Verlassen des Amtes" durch den Staatschef feststellen, und das "Volk" werde ihm diese Botschaft überbringen. Der Exekutivsekretär des Oppositionsbündnisses MUD, Jesús Torrealba, sagte bei einer Kundgebung: "Für kommenden Freitag (28. Oktober) rufen wir zu einem Generalstreik auf. Bleibt alle zu Hause."
Venezuela leidet unter einer schweren politischen und wirtschaftlichen Krise. Seit dem Sieg der Regierungsgegner bei der Parlamentswahl Ende vergangenen Jahres bekämpfen sich Opposition und sozialistische Regierung. Wegen des niedrigen Ölpreises und jahrelanger Misswirtschaft fehlt es zudem an Lebensmitteln, Medikamenten und Dingen des täglichen Bedarfs.
Maduro rief den Nationalen Verteidigungsrat zusammen. "Das Volk unterstützt die Revolution. Die Rechte ist verzweifelt. Sie hat aus dem Norden den Befehl erhalten, die Revolution zu bekämpfen", sagte der Staatschef in Anspielung auf die USA. Zahlreiche Unterstützer der Regierung kamen in der Nähe des Präsidentenpalastes zusammen, um der Regierung den Rücken zu stärken. "Hier stehen wir Chavisten, um den Präsidenten und die bolivarische Opposition zu verteidigen", sagte Regierungsanhänger Andrés Álvarez.
Das Parlament hatte zuletzt für die Einleitung eines "politischen Prozesses" gegen Maduro gestimmt. Der Präsident soll laut dem Beschluss am 1. November in der Nationalversammlung Fragen zu seiner "strafrechtlichen und politischen Verantwortung" beantworten und zum Vorwurf der "Verletzung seiner Amtspflichten" Stellung beziehen. Maduro leitete danach eine Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats zur Bewertung des "parlamentarischen Staatsstreichs" ein. Verteidigungsminister Vladimir Padrino erklärte seine "bedingungslose Loyalität" zum Staatschef. Laut Umfragen sind 75 Prozent der Bevölkerung mit Maduros Amtsführung unzufrieden. Der Präsident will aber bis 2019 im Amt bleiben.
Maduro forderte die Oppositionsführer auf, am Sonntag zu Verhandlungen auf die Karibikinsel Margarita zu kommen. Das Treffen zur Beilegung der politischen Krise am kommenden Sonntag war unter Vermittlung der katholischen Kirche und des Staatenbundes Unasur vereinbart worden. Das Oppositionsbündnis MUD erklärte nun, es werde nur an den Gesprächen teilnehmen, wenn die verhafteten Oppositionellen freigelassen und das Recht auf ein Referendum gewahrt werde. Außerdem bestand die Opposition auf Caracas als Ort der Gespräche.
Quelle: n-tv.de
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