Polizei sieht sich massiver Gewalt in Jena ausgesetzt

  10 November 2016    Gelesen: 359
Polizei sieht sich massiver Gewalt in Jena ausgesetzt
Bei einer Demonstration des rechten Thügida-Bündnisses sah sich die Polizei massiver Gewalt ausgesetzt.
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 hatten Synagogen in ganz Deutschland gebrannt. Die Nacht gilt als Auftakt zur systematischen Vernichtung der jüdischen Bevölkerung.

Bei Demonstrationen gegen einen Aufmarsch von etwa 60 Rechtsextremen in Jena am Jahrestag der Pogromnacht von 1938 sind mindestens drei Polizisten verletzt worden. Ein Beamter sei am Mittwochabend von Gegendemonstranten mit einer Holzlatte angegriffen und mit Schlägen und Tritten traktiert worden, teilte die Polizei mit.

Mehr als fünf Teilnehmer beider Seiten wurden vorläufig festgenommen. Genaue Angaben gab es zunächst nicht. Die Einsatzkräfte sprachen von massiver Gewalt gegen die Beamten. Größere Ausschreitungen blieben anders als bei Kundgebungen in den vergangenen Monaten aber aus.

Laut Polizei gingen mehr als 1500 Menschen gegen den Aufmarsch des rechten Thügida-Bündnisses auf die Straße. Einige von ihnen versuchten zu Beginn, eine Absperrung der Polizei zu durchbrechen.

Polizei setzte Pfefferspray ein

Die Beamten setzen nach eigenen Angaben Pfefferspray ein und drängten die Teilnehmer zurück. Ein Polizist sei dabei leicht verletzt worden. 500 Menschen bildeten abseits der Kundgebung an der evangelischen Stadtkirche laut den Organisatoren eine Lichterkette. Ein Aufeinandertreffen beider Seiten konnte verhindert werden.

In ersten Polizeimeldungen war noch die Rede davon gewesen, dass rechte und linke Teilnehmer aneinandergeraten seien. Absperrgitter sicherten den Demonstrationszug. Die Polizei hielt einen Wasserwerfer in Stellung. Ein Hubschrauber kreiste über der Stadt. Hunderte Polizisten aus mehreren Bundesländern waren angefordert worden. Anhänger des rechtsextremen Thügida-Bündnisses zogen mit Fackeln und einem Sarg durch die Stadt. Die Polizei gab ihre Zahl mit etwa 60 an.

Während des Zugs durch die Stadt versuchten Gegendemonstranten, mit einem Wasserschlauch und Wasserbomben die Fackeln zu löschen. Auf einem Transparent war zu lesen: „Auch mit Fackeln seid ihr keine Leuchten“. Anwohner stellten Teelichter auf. Andere beschallten die rechten Anhänger mit lautstarker Musik und Schlägen auf Töpfen. Über die Fahrbahn spannten sie ein Transparent, auf dem stand „Tolles Gefühl – Laufen für Asyl“. Dies rissen Anhänger von Thügida wenig später ab. Die Polizei prüfte daraufhin Ermittlungen.

Stadt wollte Demo vorverlegen

Die Stadtverwaltung hatte wegen des brisanten Datums verfügt, dass die Demonstration um einen Tag vorverlegt wird. Das aber lehnte das Bündnis ab und berief sich für seine Kundgebung auf den Jahrestag des Mauerfalls. Die Organisatoren wehrten sich zuletzt vor Gericht, das die Beschwerde der Stadt zurückwies. Das Oberverwaltungsgericht argumentierte, es seien keine konkreten Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dargelegt worden. Rechtsextreme marschierten in diesem Jahr schon mehrfach an für die Neonazi-Szene symbolischen Daten auf, etwa am 20. April, dem Geburtstag Adolf Hitlers.

Zuletzt gab es immer wieder Forderungen, Proteste an historisch sensiblen Daten zu verbieten. Thüringens Innenministerium äußerte verfassungsrechtliche Bedenken und verwies darauf, dass es auf Grundlage des geltenden Rechts bereits möglich sei, „Versammlungen mit Auflagen oder Beschränkungen“ zu versehen. Unabhängig davon wird nach Angaben eines Sprechers geprüft, ob es eine Regelung dazu im Landesrecht geben wird. Er sprach von einer Klarstellung der Rechtslage. Versammlungsrecht ist Bundesrecht. Bayern hat zum Beispiel ein eigenes Landes-Versammlungsrecht.


Kritik am Oberverwaltungsgericht übte Landtagspräsident Christian Carius: Zwar müssten Demokraten einen solchen Aufmarsch aushalten. „Ich sage aber auch, dass die Bürger in diesem Land zu Recht erwarten können, dass der Rechtsstaat nicht erst dort einschreitet, wo Steine und Flaschen fliegen oder Häuser brennen, sondern auch dort, wo gehetzt und beleidigt wird.“ Der Chef der jüdischen Landesgemeinde, Reinhard Schramm, sprach von einer „genehmigten Glorifizierung nationalsozialistischer Verbrechen gegen die Menschlichkeit“.

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 hatten Synagogen in ganz Deutschland gebrannt. Viele Juden wurden verschleppt und ermordet. Die Nacht gilt als Auftakt zur systematischen Vernichtung der jüdischen Bevölkerung.

Quelle : welt.de

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