Forscher klären Ursache des Londoner Todesnebels
Kaum einen Meter weit konnte man noch sehen. Diebe ergriffen die Chance, unerkannt zu bleiben. Leute begannen zu husten, und schmutzige Luft drang in Häuser, legte sich auf Möbel, färbte Wäsche.
Auf Märkten kollabierten Kühe, Schweine und Ziegen. Immer mehr Krankenwagen mit nach Luft ringenden Menschen erreichten die Hospitäler.
Nachdem starker Wind am 9. Dezember den Nebel vertrieben hatte, erschraken die Briten angesichts der Nachricht aus ihrer Hauptstadt: Tausende waren während des Nebels an Atemwegserkrankungen gestorben, viele erstickt.
Die Katastrophe war nicht vorbei: In den folgenden Monaten erlagen tausende Weitere ihrer Erkrankung - am Ende sollen etwa 12.000 Menschen dem Nebel zum Opfer gefallen sein.
Jetzt meinen Forscher entdeckt zu haben, was das Wetter so tödlich machte: das Zusammentreffen besonderer Witterung mit Abgaspartikeln, die sich zu Gift wandelten.
Abflauender Wind war der Anfang. Bei tagelanger Windstille Anfang Dezember pusteten Schlote von Kraftwerken und Fabriken warme Luft in die Höhe, während Winterluft den Boden kühlte.
Bald hatte sich eine fatale Trennschicht gebildet, die milde Luft lag über der kalten wie der Schaum auf Bier. Beide Luftschichten mischten sich kaum, es herrschte Inversionswetter.
In Bodennähe sammelten sich Abgase, sie hingen über der Stadt wie eine schmutzige Glocke. Immer weniger Sonnenstrahlung erreichte den Boden, der weiter auskühlte - bis die kalte Luft enthaltene Feuchtigkeit nicht mehr halten konnte. Die Feuchtigkeit sammelte sich an Partikeln, sie kondensierte zu Nebel.
Die Luft am Boden kühlte weiter ab, sodass die Londoner immer mehr heizten. Aus Kaminen und Fabrikschloten drangen Schwefelabgase der Braunkohle-Verbrennung in den Dunst - so viel war bereits bekannt.
Aus aktuellem Anlass aber wollten Forscher nun wissen, warum sich das Schwefeldioxid zu giftiger Säure wandelte. Ihre Sorge war, dass sich der Todesnebel in den smoggeplagten Metropolen Asiens wiederholen könnte.
Die entscheidende Zutat sei Stickstoffdioxid, berichten die Wissenschaftler um Gehui Wanga von der Chinese Academy of Sciences im Magazin "Proceedings of the National Academy of Sciences", die den Todesnebel in Laborexperimenten zusammengemischt haben. Die Substanz entsteht ebenfalls bei der Verbrennung von Kohle - und sorgt dafür, dass sich Sulfat bilden kann - das zusammen mit Wasser Schwefelsäure bildet.
Im Londoner Todesnebel hätte ein weiterer Zufall dafür gesorgt, dass der chemische Prozess in Gang kam, schreiben die Gelehrten: Die Luft war aufgrund der seltenen Wetterkonstellation besonders feucht, sodass in ihr viel Säure entstehen konnte. Und als die Wassertröpfchen später verdunsteten, ließen sie Säure in giftiger Konzentration zurück, die Menschen schließlich einatmeten.
In China hingegen - das ist die gute Nachricht - sei die Smogluft nicht sauer, konstatieren die Autoren der Studie. Offenbar fehle mindestens eine Zutat des komplexen Londoner Giftrezepts.
Ein entscheidender Unterschied sei vermutlich, dass der Feinstaub, an dem der Nebel in Asiens Metropolen sich niederschlägt, kleiner sei - in den winzigen Wassertröpfchen entstünde folglich weniger Säure.
Doch auch in China gelangen große Mengen der fatalen Zutat Stickstoffdioxid in die Luft - deshalb warnen die Forscher: "Das richtige Zusammenspiel aller Faktoren kann auch woanders als in London tödlichen Nebel entstehen lassen."