Piloten stürzen Lufthansa in Streikchaos
"Das Lufthansa-Management zeigt weiterhin keinerlei Bewegung und hat kein verhandlungsfähiges Angebot übermittelt", begründete Cockpit-Sprecher Jörg Handwerg die erneute Verlängerung. "Der Vorstand lässt nicht nur die eigenen Mitarbeiter, sondern auch die Kunden zunehmend unter dieser kompromisslosen Unternehmenspolitik leiden."
Weil die Pilotengewerkschaft ihren am Mittwoch begonnenen Ausstand zuvor bereits um 24 Stunden verlängert hatte, fallen am Donnerstag weitere 912 Verbindungen aus, darunter 82 Langstrecken, wie das Unternehmen mitteilte. Am Mittwoch waren 876 Flüge streikbedingt abgesagt worden. An beiden Tagen zusammen waren 215.000 Passagiere betroffen. Nun kommt der Freitag als dritter Streiktag hinzu, die genauen Auswirkungen für die Fluggäste waren zunächst noch unklar.
Lufthansa reservierte für gestrandete Kunden nach eigenen Angaben im Rhein-Main-Gebiet sowie im Raum München vorsorglich fast 4.000 Hotelzimmer. Für Passagiere, die aufgrund fehlender Visa nicht nach Deutschland einreisen dürfen, seien im Frankfurter Terminal zudem rund 400 Feldbetten aufgebaut worden. Viele Fluggäste konnten aber auch umgebucht werden oder kamen mit der Bahn an ihr Ziel.
Der Konzern forderte die Pilotengewerkschaft erneut zur Schlichtung auf. "Die Forderung der VC nach einer Vergütungserhöhung von mehr als 20 Prozent geht weit über das hinaus, was andere Beschäftigtengruppen erhalten haben", teilte Personalchefin Bettina Volkens mit.
Die Streichungen entsprechen etwa der Hälfte des Flugprogramms der Kernmarke Lufthansa. In der gesamten Lufthansa-Gruppe fänden am Donnerstag 2.088 von rund 3.000 geplanten Flügen statt, teilte das Unternehmen weiter mit. Konzerngesellschaften wie Swiss, AUA oder Eurowings werden von den Piloten derzeit nicht bestreikt.
Die in der VC organisierten Piloten hatten die Fluglinie seit der Nacht zum Mittwoch mit ihrem mittlerweile 14. Streik zum Großteil lahmgelegt. Die Gewerkschaft verteidigte den auf Freitag verlängerten Ausstand. "Wir sind abgekoppelt worden von der Lohnentwicklung in Deutschland in den letzten fünf Jahren, und da möchten wir nicht länger zuschauen", sagte Handwerg im ZDF.
Die Lufthansa setzte im Gegenzug die VC unter finanziellen Druck. Eine zwischenzeitlich ruhende Schadenersatz-Klage über 60 Millionen Euro werde nun wieder weiterverfolgt, erklärte ein Sprecher in Frankfurt. Die Forderung bezieht sich auf die erste Streikrunde im aktuellen Tarifkonflikt aus dem April 2014, die vom Unternehmen als nicht rechtmäßig eingeschätzt wird. Lufthansa hatte die Klage ruhen lassen, um die laufenden Gespräche mit der Vereinigung Cockpit nicht zu belasten. Das hat sich mit dem aktuellen Streik nun erledigt.
Eine Schlichtung hat die VC wiederholt abgelehnt. Den Piloten hatte die Airline zuletzt ein Lohnplus von 2,5 Prozent bis Ende 2018 angeboten. "Das ist aus unserer Sicht kein seriöses Angebot", sagte Handwerg. Die VC verlangt Tariferhöhungen von zusammen 22 Prozent über den kürzeren Zeitraum von fünf Jahren bis April 2017. Die Gewerkschaft verweist darauf, dass es seit 2012 keine Gehaltserhöhungen gegeben habe, während das Unternehmen Milliardengewinne eingefahren habe.
Lufthansa-Chef Carsten Spohr hatte die Einbußen pro Streiktag auf einen Betrag im oberen einstelligen Millionenbereich beziffert. Auf weit höhere Zahlen kommt das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW), das von rund 25 Millionen Euro an Kosten ausgeht.
Der Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW) kritisierte die harte Haltung der VC. "Die vergangenen Jahre haben bewiesen, dass die Luft gerade für die europäischen Traditions-Airlines dünner wird", erklärte BTW-Generalsekretär Michael Rabe. "Indem die Piloten dies durch ihre ständigen Streiks sogar verschärfen, sägen sie ganz massiv immer weiter am Ast, auf dem sie sitzen."© dpa