Außenpolitik mit anderen Mitteln: Im Irrgarten der US-Sanktionen gegen Iran

  30 November 2016    Gelesen: 1614
Außenpolitik mit anderen Mitteln: Im Irrgarten der US-Sanktionen gegen Iran
Wer glaubt, das Atomabkommen mit Teheran habe die Blockadepolitik der USA gegen Iran beendet, ist auf dem Holzweg. Die meisten US-Sanktionen bleiben trotz Nuklear-Deal bestehen. Und Präsident Trump kündigt womöglich gleich das ganze Abkommen.
Am 31. Oktober dieses Jahres hat US-Außenminister John Kerry in einer Rede im Chatham House, einer Denkfabrik des britischen Außenministeriums, erklärt, dass Iran bisher alle Bedingungen des Zusatzprotokolls der Internationalen Atomenergie Agentur, dem “Additional Protocol of the IAEA”, „in allen Teilen erfüllt“ habe.

Weiter sagte er wörtlich:

Der Iran hat all seine Zentrifugen zerlegt, sie haben den Vorrat reduziert, sie haben angereichertes Uran aus dem Land transportiert und die Lagerhaltung gesenkt. Darin sind wir sicher. Der Iran verdient also Anerkennung dafür, dass er seinen Teil der Vereinbarung eingehalten hat. Und zugleich ist es für uns und den Rest der Welt wichtig, sicherzustellen, dass die aufgehobenen Sanktionen nicht länger die Geschäfte mit dem Iran behindern, und zu gewährleisten, dass der Iran auch die Vorteile aus der getroffenen Übereinkunft ziehen kann. Das verlangt ganz einfach die Anständigkeit in den internationalen Beziehungen.

Nach diesen Worten von Kerry hätte man glauben können, dass nun, wo die US-Sanktionen anscheinend aufgehoben waren, die USA und Iran schnell zu normalen Beziehungen zurückfinden würden. Das wäre jedoch eine naive Illusion gewesen. Denn gerade heraus einfach ist es mit Washington nie. Gemäß dem US-Schubladendenken in den internationalen Beziehungen, machte Kerry in Chatham House zugleich klar, dass Washington nicht daran denke, die vielen anderen Sanktionen gegen Iran aufzuheben.

Damit man weiter Druck auf Iran ausüben kann, sich den Wünschen Washingtons zu beugen, erklärte Kerry: „Deshalb haben wir unsere Sanktionen wegen Menschenrechtsverletzungen nicht zurückgenommen. Wir haben unsere Sanktionen für die staatliche Förderung des Terrorismus nicht aufgehoben. Auch bleiben unsere Sanktionen für das Waffenembargo bestehen, und so weiter und so fort“.

Mit der Formel „und so weiter und so fort“, hat Kelly fast ein Duzend weitere Gruppen von US-Sanktionen gemeint, die laut Wissenschaftlichem Dienst des US-Kongresses CRS mit Stand vom 16. November 2016 weiterhin gegen Iran in Kraft sind. Siehe dazu die Auflistung am Ende dieses Artikels.

Daher ist – Atomabkommen hin oder her - auch die Großzahl der so genannten „sekundären“ Sanktionen noch in Kraft. Das sind Sanktionen, welche die USA gegen ausländische Firmen verhängt, wenn diese mit Iran in den von den USA unilateral verbotenen Bereichen Handel treiben und damit das US-Ziel unterlaufen, Iran doch noch gefügig zu machen.

Dagegen sind die meisten Sanktionen der Vereinten Nationen mit dem Tag des Inkrafttretens des Atom-Abkommens beendet worden. UN-Beschränkungen gegen Iran bleiben nur noch für die Entwicklung von nuklear-fähigen, ballistischen Raketen und für die Ein- oder Ausfuhr von bestimmten Waffen bestehen. Letzteres auch nur noch für einige Jahre

Trotz des Atomabkommens bleibt also der Großteil der US-Sanktionen gegen Iran weiter bestehen; auch deren „sekundären“ Auswirkungen auf Unternehmen anderer Länder. Diese werden von Washington für Handel mit Iran bestraft, auch wenn sie weder gegen internationale, noch gegen nationale Gesetze ihres eigenen Staates verstoßen haben, sondern nur gegen die Gesetze der USA, die nach dem Verständnis des Hegemons in Washington weltweit gelten.

Nach 20 Jahren weitere 10 Jahre US-Sanktionen gegen Iran

Viele der weiter bestehenden US-Sanktionen wurden bereits vor 20 Jahren gegen Iran verhängt. Andere kamen im Laufe der Jahre hinzu. Vor 10 Jahren wurden sie als Paket um weitere zehn Jahre bis zum 31.12.2016 verlängert. Das heißt, Ende nächsten Monats wären die spezifisch US-amerikanischen Sanktionen gegen Iran nicht länger gültig. Lange Zeit schien es so, als habe der US-Kongress diesen Termin verschlafen. Erst glaubten die meisten Abgeordneten, dass Teheran den Atom-Deal im Rahmen der UNO und der IAEA nicht akzeptieren würde und die viel effektiveren internationalen Sanktionen bestehen blieben.

Als es dann jedoch 2015 zu einem erfolgreichen Abschluss mit Iran kam, hatten viele US-Politiker gehofft, dass sich nun die Regierung in Teheran auf die Seite des „Westens“ schlagen und sich den Wünschen Washingtons gefügig zeigen würde. Wütend mussten seither viele zur Kenntnis nehmen, dass die Wahlen in Teheran zwar den erhofften Regierungswechsel, aber nicht die außenpolitische Annäherung an US-Positionen gebracht hatten - eine Entwicklung, die auch bei den regierenden Nationalisten und Expansionisten in Israel für Unruhe sorgte.

Zugleich trieb die offensichtliche Bereitschaft der Obama-Administration, ihren Verpflichtungen aus dem Atom-Deal gegenüber dem Iran nachzukommen, die republikanische Mehrheit im Unterhaus des US-Kongresses auf die Palme. Unterstützung dafür bekamen sie von fast allen Kollegen der Demokratischen Regierungspartei, die noch weitaus empfänglicher für den Druck der starken Lobby der israelischen Regierung in Washington sind als die Republikaner.

So kam es, dass am 15. November dieses Jahres im Unterhaus des US-Kongresses über das „Gesetz zur Verlängerung der Iran Sanktionen“ (H.R. 6297) abgestimmt wurde. Dieses neue Gesetz soll das ursprüngliche „Iran-Sanktionen Gesetz“ von 1996, das bereits 2006 um zehn Jahre verlängert worden war, mit allen inzwischen erfolgten zusätzlichen Sanktionen um weitere zehn Jahre bis 2026 Gültigkeit verleihen.

Das „Gesetz zur Verlängerung der Iran Sanktionen“ wurde mit 419 „Ja“ Stimmen gegen eine einzige „Nein“-Stimme und 14 Enthaltungen angenommen. Dieses so gut wie einstimmige Abstimmungsergebnis im Sinne der Wünsche der isrealischen Regierung ist ein weiterer Beleg für die sarkastische Behauptung des ehemaligen Republikanischen Präsidentschaftskandidaten Ron Paul, dass „neben dem Westjordanland auch der US-Kongress von Israel besetzt“ sei.

Dementsprechend wurde in der Debatte, die der Abstimmung vorausging, auch immer wieder die tödliche Gefahr hervorgehoben, die der Iran angeblich für Israel darstellt. Auch die längst als falsche Übersetzung entlarvte angebliche Drohung des Iran, dass „Israel ausgelöscht werden“ müsste, war erneut ausgegraben worden. Und überhaupt bedrohten „Irans theokratische Führer weiterhin Israel und Amerikaner in der ganzen Region“ des Mittleren Ostens.

Weiter konzentrierte sich die Debatte auf den Vorwurf, dass die Obama-Regierung leichtfertig darauf gesetzt habe, dass ihr Atomabkommen „das Regime in Teheran dazu bringen würde, sich verantwortungsvoller zu verhalten“. Stattdessen habe der Iran im vergangenen Jahr:

- seine illegalen Waffenprogramme beschleunigt, einschließlich der Entwicklung von Raketen, die in der Lage seien, mit Atomwaffen die Vereinigten Staaten zu erreichen.

- mit Einheiten der Elitesoldaten des Korps der iranischen Revolutionsgarden in Syrien einen bereits schrecklichen Konflikt verschlimmert;

- und die Unterstützung für terroristische Gruppen wie die Hisbollah und die Hamas, die die USA und Israel angegriffen haben, verstärkt.

Aus all diesen und noch mehr fadenscheinigen und scheinheiligen Gründen hat das Repräsentantenhaus des US-Kongresses am 15. November mit nur einer Gegenstimme die Verlängerung der Sanktionen gegen Iran beschlossen.

Das große Problem ist, dass sich seither führende Kongressabgeordnete mit der Obama Administration darüber streiten, welche Sanktionen im Rahmen des Atomabkommens mit Iran aufgehoben sind und welche durch das Verlängerungsgesetz weiter bestehen. Um Obama vor vollendete Tatsachen zu stellen, hat das US-Repräsentantenhaus ein weiteres Gesetz verabschiedet - H.R. 5711 -, das dem US-Finanzministerium untersagt, den Verkauf von kommerziellen Flugzeugen an den Iran zu genehmigen. Präsident Obama wiederum hat sein Veto dagegen angekündigt und betont, dass mit dem neuen Gesetz das Atomabkommen mit Iran untergraben wird.

Iran sieht derweil nicht teilnahmslos zu. So hat der oberste Führer des Landes, Ayatollah Ali Khamenei, am 23. November die USA vor der Fortsetzung der US-Sanktionen gewarnt. Das verstieße gegen das Atomabkommen und Teheran werde gegebenenfalls Vergeltungsmaßnahmen ergreifen. Was sicherlich bedeutet, dass sich Teheran dann ebenfalls nicht an den Deal halten wird.

Die Sache wird zusätzlich kompliziert, weil aus der Erklärung Ayatollah Khameneis nicht hervorgeht, ob er von Washington erwartet, dass nun alle US-Sanktionen gegen Iran aufgehoben werden müssen oder ob er das US-amerikanische „Schubladendenken“ bei der Anwendung von Sanktionen verstanden hat und auch akzeptiert, dass sein Land für das angebliche Fehlverhalten Teherans bezüglich der Menschenrechte, der Unterstützung des Terrorismus, etc. etc. weiterhin eine lange Liste von US-Strafmaßnahmen erdulden muss.

Damit nicht genug, es ist total unklar, ob die neue US-Regierung Anfang nächsten Jahres das Wahlkampfversprechen Donald Trumps, nämlich das Atomabkommen aufzukündigen, wahr macht oder es als den einzigen außenpolitischen Erfolg seines Vorgängers Obama beibehält.

Aktuell weiter bestehende US-Sanktionen gegen Iran mit Stand vom 16. November 2016

Liste des Wissenschaftlichen Dienstes des US-Kongresses CRS

Die Abkürzung E.O. steht für Executive Order, also ein Erlass des US-Präsidenten.

E.O. 12959, das Verbot von U.S. Handel mit und Investitionen in Iran
E.O. 13224, Sanktionen gegen Terrorismus-Organisationen (nicht nur gegen Iran)
E.O. 13382, Sanktionen für Proliferation, also die Weitergabe von Atomwaffen oder Mitteln zu deren Herstellung (nicht nur gegen Iran)
Das `Iran-Irak Arms Non-Proliferation` Gesetz, das ausländische Unternehmen bestraft, die Waffen und Massenvernichtungswaffen und -technologie an den Iran verkaufen
das „Iran-Nord Korea-Syrien Non-Proliferation Gesetz“ (INKSNA)49
der Abschnitt der „Iran Sanktionen Gesetzes“ ISA aus dem Jahr 2007, der die Lieferung von Massenvernichtungswaffen und Waffentechnologien an den Iran bestraft.
der Erlass des Präsidenten, der die Einmischung Irans im Irak (E.O. 13438) sowie Irans Unterstützung der Repression des Assad-Regime in Syrien bestraft (E.O. 13572)
die Erlasse des Präsidenten (E.O. 13606 und 13628) und die Bestimmungen von CISADA, ITRSHRA und IFCA, die sich auf die Menschenrechte oder den demokratischen Wandel im Iran beziehen.

Die militär- und proliferationsbezogenen und die auf Menschenrechte und Terrorismus bezogenen Punkte, die das Korps der Iranischen Revolutionsgarden (IRGC) betreffen, sind nicht von der Sanktionsliste gestrichen worden
Alle Sanktionen, die durch die Aufnahme des Irans auf die Liste der staatlichen Sponsoren des Terrorismus ausgelöst würden, bleiben bestehen und das JCPOA (Atomabkommen) verpflichtet die Vereinigten Staaten nicht, die Irans aus der Terrorismusliste zu entfernen.
die Vorschriften des US-Finanzministeriums, welche dem Iran den Zugang zum US-Finanzsystem versperren, bleiben bestehen. Ausländische Banken können jedoch Iran US-Dollar aus ihrem bestehenden Dollar-Vorräten Geld überweisen. Zuvor bestehende, diesbezügliche Verbote hat das US-Finanzministerium im Oktober 2016 für Ausländer aufgehoben.

Quelle:RT Deutsch

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