Ein starker Anstieg der Ozeane wäre eine gravierende Folge des Klimawandels, denn etwa 150 Millionen Menschen leben weniger als einen Meter über dem Meeresspiegel.
Bislang scheint alles unter Kontrolle. Die Ozeane steigen seit 1993 pro Jahr stetig um gut drei Millimeter, seit Beginn des 20. Jahrhunderts sind die Pegel um 20 Zentimeter gestiegen.
Die nächsten Jahrzehnte
Auch der für die nächsten Dekaden erwartete Anstieg könnte weitgehend mit Erhöhungen der Deiche zu bewältigen sein, meinen Küstenschützer. Sollte die Treibhausgasmenge allerdings ungebremst steigen, droht ein Meeresspiegelanstieg von 82 Zentimeter bis Ende des Jahrhunderts, warnt der Uno-Klimarat - für manche Gegenden würde es dann schon gefährlich.
Wie hoch das Meer steigt, hängt vor allem von zwei Orten ab: Von Grönland und der Antarktis. Je nachdem, wie viel Eis ihrer kilometerhohen Gletscher taut, desto stärker oder schwächer hebt ihr Schmelzwasser die Pegel der Ozeane.
Satellitendaten zufolge trägt die Antarktis derzeit mit etwa 0,2 Millimetern und Grönland mit gut 0,5 Millimetern pro Jahr zum Meeresspiegelanstieg bei, beide Schmelzwassermengen scheinen in den vergangenen Jahren zugenommen zu haben.
Die Sintflut
Würden Grönlands Gletscher komplett abschmelzen, höbe sich der Meeresspiegel um sieben Meter.
Eine neue Entdeckung auf Grönland scheint zu zeigen, dass es tatsächlich passieren könnte. Eine Bohrung in der Mitte des Landes hat vom Grund des Eispanzers eine Substanz zutage gefördert, die nur entsteht, sofern der Boden nicht von Eis bedeckt ist.
Ihr Fund lasse vermuten, dass Grönland in den vergangenen 1,4 Millionen Jahren mindestens 280.000 Jahre eisfrei gewesen sein müsse, schreiben die Forscher um Jörg Schäfer von der Columbia University im US-Bundesstaat New York im Wissenschaftsmagazin "Nature". Sintfluten hätten sich demnach in die Meere ergossen.
"Das Ergebnis lässt das Grönlandeis sehr instabil erscheinen", meint Schäfer. Weil der Eispanzer in natürlichen Warmphasen verschwunden sei, drohe er auch im Zuge der menschengemachten Erwärmung verloren zu gehen. Wären die Gletscher tatsächlich labiler als angenommen, müssten die Meeresspiegelprognosen verschärft werden.
Die Indizien
Schäfer und seine Kollegen fanden am Grund des Grönlandeises die radioaktiven Substanzen Beryllium-10 und Aluminium-26. Sie entstehen, wenn kosmische Strahlung aufs Gestein des Erdbodens trifft. Liegt hingegen Eis überm Gestein, bilden sie sich nicht.
Beide Substanzen zerfallen mit bekannter Rate binnen Jahrmillionen. Die Menge ihrer Zerfallsprodukte zeigt, wie lange ein Gestein unter Eis verborgen war.
Die Analyse der Forscher brachte eine Überraschung: Im Gestein unter Grönlands Eispanzer maßen sie weitaus mehr Beryllium-10 und Aluminium-26 als zu erwarten wäre, sofern der Eispanzer während des gesamten Eiszeitalters der vergangenen 2,6 Millionen Jahre bestanden hätte.
Die Warnung
Vermutlich sei das Eis mehrfach in Warmzeiten verschwunden, für insgesamt mindestens 280.000 Jahre, meinen die Wissenschaftler. Das Ergebnis bedeute eine eindringliche Warnung für die aktuelle Warmzeit, die künstlich durch menschengemachte Treibhausgase verlängert wird.
Weitere Messungen - ebenfalls in "Nature" veröffentlicht - liefern indes gegensätzliche Ergebnisse, die am kompletten Verschwinden des Grönlandeises zweifeln lassen. Im Meeresboden vor der Ostküste Grönlands fanden Forscher um Paul Bierman von der University of Vermont kaum Beryllium-10 und Aluminium-26 - die Sedimente am Grund waren also lange nicht in Kontakt mit kosmischer Strahlung.
Das ist bedeutend, weil die Ablagerungen am Meeresboden vom ostgrönländischen Festland stammen. Sie wurden mit Eisbergen und Schmelzwasser ins Meer gespült werden. Das Resümee von Biermann und seinen Kollegen: Der Osten Grönlands müsse seit mindestens 7,5 Millionen Jahren von Eis bedeckt gewesen sein.
Die Kritik
Widersprechen sich beide Studien? Nein, meint Pierre-Henri Blard von der Université de Lorraine in Frankreich: Möglich wäre, dass im Osten Grönlands Eiskappen bestehen konnten, während der große Rest der Gletscher zeitweise abgeschmolzen war.
Polarforscher Heinrich Miller vom Alfred-Wegener-Institut AWI hingegen ist skeptischer: Die Folgerung, Grönland wäre eisfrei gewesen in den vergangenen 1,4 Millionen Jahren, beruhe auf der Annahme, das analysierte Gestein habe die ganze Zeit am Fundort gelegen, unterm Eispanzer in der Mitte des Landes.
Doch die Gletscher flössen, sie seien in Bewegung, betont Miller. Möglich wäre folglich, dass Felsen im Eis von einem Berg an der Oberfläche nach unten transportiert worden seien.
Die Botschaft der Riffe
Und selbst wenn Grönland eisfrei gewesen wäre, fiele das Ereignis in Zeiten mit "grundlegend anderem klimatischen Zustand", in dem sich Warm- und Kaltzeiten auf höherem Temperaturniveau abwechselten. "Dass das Ergebnis auf die nähere Zukunft übertragen werden kann, ist fraglich", sagt Miller.
Gleichwohl seien die neuen Studien "wichtige Meilensteine, die die Diskussion über die Stabilität der Eisschilde weiter befeuern werden".
Sorgen bereitet etwa die Entdeckung tropischer Riffe, die fünf bis neun Meter über dem Meer liegen, vor 120.000 Jahren aber im Wasser gestanden hätten. Das Meer müsse demnach entsprechend höher gestanden haben, berichteten Forscher im Wissenschaftsmagazin "Science".
Die Botschaft der Eisstange
Während der Eem-Zeit vor rund 120.000 Jahren war es so warm, wie es manche Klimaszenarien für die Zukunft vorhersehen. Die Geschehnisse dieser Zeit ermöglichen es, die Folgen einer drastischen Erderwärmung abzuschätzen.
Bereits 2009 hatten Korallenanalysen aus der Eem-Zeit zu denken gegeben: Ebenfalls hochgelegene Riffe hatten gezeigt, dass die Ozeane vor 120.000 Jahren anscheinend sechs Meter höher gestanden haben. Womöglich hätten rasant abtauende Grönland-Gletscher den Meeresspiegel seinerzeit so stark steigen lassen, spekulierten die Autoren in "Nature".
Eine 2540 Meter lange Eisstange aus dem grönländischen Eispanzer, die wie ein Tagebuch Auskunft über den Klimaverlauf gibt, scheint Schreckensszenarien jedoch abzuschwächen.
Die Hoffnung
Die Erde stand in der Eem-Zeit näher zur Sonne, bekam mehr Strahlung ab - doch wie mild war es wirklich? Die Daten der erbohrten Eisstange zeigten, dass es während der Eem-Warmzeit in Nordgrönland bis zu acht Grad wärmer war als heute - also weitaus wärmer als es Klimaprognosen für dieses Jahrhundert vorhersagen.
Die gute Nachricht aus der Eisstange war: Trotz der hohen Temperaturen im Eem sei das Grönlandeis um höchstens ein Viertel geschrumpft, berichteten Forscher ebenfalls in "Nature".
Die Analyse offenbarte, dass der Eispanzer am Ort der Bohrung in der Hochphase des Eem vor 128.000 bis vor 122.000 Jahren um etwa 400 Meter dünner geworden sei; seine Oberfläche lag damals 130 Meter unter der heutigen. Das Schmelzwasser Grönlands hätte demnach die Meere um maximal zwei Meter steigen lassen.
Die Ungewissheit
Warum aber standen dann die hoch gelegenen tropischen Riffe damals unter Wasser? Eine Möglichkeit wäre, dass der Antarktis-Eispanzer empfindlicher ist als angenommen - und stark getaut ist während des Eem.
Die andere Möglichkeit: Die Riffe wurden durch Erdplattenbewegungen aus dem Wasser gehoben - dafür fanden Forscher allerdings bislang keine Hinweise.
Grönland und die Antarktis bleiben die Hochrisikozonen des Klimawandels.
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