Der große Unbekannte

  14 Dezember 2016    Gelesen: 384
Der große Unbekannte
Rex Tillerson soll neuer US-Außenminister werden. Doch was treibt den Ölmanager um? In Berlin spekuliert man über seine außenpolitischen Ziele - und hegt bereits konkrete Erwartungen.
Kürzlich erhielt John Kerry im Auswärtigen Amt das "Großkreuz" des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Es wurde ein wehmütiger Abend für den US-Außenminister und seinen deutschen Kollegen Frank-Walter Steinmeier. Beide werden ihre Posten in wenigen Wochen räumen. Der Amerikaner, weil die Demokraten die Wahl verloren haben. Der SPD-Politiker, weil er im Februar Bundespräsident werden soll. Und das zu einem Zeitpunkt, da den deutsch-amerikanischen Beziehungen unter dem künftigen Präsidenten Donald Trump eine Bewährungsprobe bevorsteht.

"Ich bitte Sie alle: Jede Regung von Rückzug und Resignation mit aller Kraft abzuschütteln", riet Steinmeier seinen Top-Diplomaten. Kerry gab den unerschütterlichen Optimisten: "Es wird schon alles in Ordnung kommen, wir schaffen das."

Doch wird es das tatsächlich?

Nach wochenlangem Rätseln steht nun immerhin fest, wen Trump im US-State Department die Weltpolitik machen lassen will: Rex Tillerson, bislang noch Chef von ExxonMobil, des größten privaten Öl- und Gaskonzerns der Welt. Doch damit erschöpft sich bereits weitgehend das Wissen in Berlin: Der 64-Jährige ist außenpolitisch unbeleckt, wenngleich er internationale Erfahrung besitzt - allerdings im knallharten Geschäft der Öl- und Gasförderung.

Die Liste seiner Gesprächspartner ist zwar lang und beeindruckend, er hat mit zahlreichen Staats- und Regierungschefs über Öl- und Gasförderprojekte verhandelt, von Russland über Saudi Arabien und Qatar bis Venezuela. Der Konzern ist reicher als viele Staaten der Welt, unterhält eigene private Sicherheitskräfte in vielen Ländern, in denen er Rohstoffe fördert.

Aber befähigt das einen Manager zur Außenpolitik, die nach anderen Gesetzen als die Führung eines Unternehmens funktioniert?

In Berlin, auch im Auswärtigen Amt, herrscht Rätselraten: Was Tillerson zur Zukunft der Nato denkt, zum atomaren Schutzschild der USA für die Verbündeten in Europa, zur Politik gegenüber China, zu Menschenrechtsverletzungen, zum Krieg in Syrien, im Irak, überhaupt zur Rolle der USA in der Welt - das sind allesamt offene Fragen. Auch die in außenpolitischen Belangen stets gut informierte "New York Times" konnte am Dienstag mit einem Frage/Antwort-Katalog wenig Erhellendes zu den Vorstellungen des Trump-Kandidaten beitragen.

"Donald Trump trägt mit dieser Entscheidung noch weiter zur ohnehin schon hohen Unsicherheit über den zukünftigen außenpolitischen Kurs der USA bei", sagte der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Niels Annen, zu SPIEGEL ONLINE. Jürgen Hardt, Koordinator der Bundesregierung für die transatlantische Zusammenarbeit, ist da vorsichtiger und hebt die internationalen Erfahrungen Tillersons hervor, auch dessen "herausragende Managementqualitäten". Hardt fügte aber hinzu, dass die jüngste Zeit auch erwiesen habe, wie komplex und kompliziert internationale Politik und Verhandlungsverfahren geworden seien. "Einfaches `Dealmaking` ist häufig kein nachhaltig erfolgversprechendes Rezept", so der CDU-Politiker zum Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Harte Fragen aus dem Senat erwartet

Noch ist Tillerson nicht im Amt, er muss sich wie alle US-Außenminister einer ausführlichen Anhörung im Senat stellen. Dort ist die Mehrheit der Republikaner mit 52 zu 48 knapp und manche unter ihnen zweifeln, ob der Ölmanager der richtige Mann ist. Tillerson wird sich daher auf scharfe Fragen auch aus dem republikanischen Lager einstellen müssen. Senator John McCain etwa erklärte, Tillersons Nähe zu Putin "bereitet mir Sorgen". Ähnlich wird das in Berlin gesehen: "Insbesondere die engen Verbindungen zu Putin werfen grundlegende Fragen über Tillersons Politik auf. Fragen die sicher auch den Senat interessieren werden", sagte SPD-Außenpolitiker Annen.

Tillersons gute Beziehungen nach Russland sind seit langem bekannt, sein Konzern ist dort geschäftlich engagiert. 2013 erhielt er aus der Hand von Präsident Wladimir Putin den "Orden der Freundschaft". Im August 2014, wenige Tage nach den gegenseitigen Sanktionen des Westens und Russlands wegen der Krim-Annektion, begannen der russische Konzern Rosneft und ExxonMobil sogar gemeinsame Probebohrungen im Nordpolarmeer.

Es war ein zeitlicher Zufall, dass Kanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident François Hollande sich just am Tag der Nominierung Tillersons für die Verlängerung der EU-Sanktionen gegen Russland aussprachen. Dennoch las sich ihr Bekenntnis wie ein Gegenprogramm zum designierten Außenminister. Wiederholt hat sich Tillerson gegen die von den USA und der EU ausgesprochenen Strafmaßnahmen gegen Moskau ausgesprochen.

Hassfigur für Umweltschützer

Ein Mann des einfachen "Schwarz/Weiß"-Denkens scheint Tillerson indes nicht zu sein. Anders als sein Vorgänger im Konzern hat er die Risiken des Klimawandels anerkannt. Auch das Pariser Klimabkommen unterstützte er bislang, von dem sich sein künftiger Chef Trump - so zumindest seine früheren Aussagen - lossagen will. Dennoch: Weil er die Förderung von Öl und Gas massiv vorantreiben lässt (der Ölkonzern glaubt, die Reserven auf der Welt würden noch für mehrere hundert Jahre reichen), gilt er manchen US-Umweltschützern als Hassfigur.

In Berlin warten sie erst einmal ab. Die Senatsanhörung, deren Datum noch nicht feststeht, dürfte mehr Erkenntnisse über die außenpolitischen Ziele des neuen Mannes im State Department bringen. "Es liegt auf der Hand", sagt der SPD-Außenpolitiker Annen, "dass nicht nur die Verbündeten, sondern auch die Senatoren von Herrn Tillerson ein klares Bekenntnis zur Nato und eine Zurückweisung der russischen Einflussversuche erwarten."

Steinmeier hatte kürzlich nach der Ordensverleihung an Kerry in Berlin eine drängende Bitte an die künftige Trump-Regierung. Auf Englisch rief er ihr zu: "We want to sit down and have a conversation! It`s important and it`s urgent."

Bis zu einem solchen Gespräch, wissen sie in Berlin, kann es noch dauern. Und der Ausgang ist ungewiss.

Quelle : spiegel.de

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