Streit um die Landessprache – Luxemburger sorgen sich um nationale Identität

  16 Dezember 2016    Gelesen: 689
Streit um die Landessprache – Luxemburger sorgen sich um nationale Identität
Luxemburg ist gespalten: Durch Zuwanderung sehen viele Einwohner ihre Sprache bedroht, sie wollen Luxemburgisch nun per Petition zur Amtssprache erheben. Eine zweite Petition will das verhindern und die Mehrsprachigkeit im Land schützen. Zwei Langer mit jeweils tausenden Unterstützern. Nun muss das Parlament entscheiden.
Eine Petition des Luxemburgers Lucien Welter erhielt in den vergangenen Monaten ungeahnte Aufmerksamkeit. Tausende Menschen unterschrieben online für seine Forderung, Luxemburgisch solle erste Amtssprache im Land werden. Bisher wird in Luxemburg offiziell Französisch und Deutsch gesprochen. Die Petition polarisiert. Das bestätigt auch der Luxemburger Journalist Eric Hamus:

„Luxemburgisch als Sprache ist schon seit langem ein großes Thema bei uns. Man muss dazu wissen, dass Luxemburgisch als Sprache in der Schule eigentlich nicht unterrichtet wird, oder nur spärlich einige Jahre auf dem Gymnasium. So kennen viele Leute das Luxemburgische nur als gesprochene Sprache und nicht als geschriebenes Wort.“

Aktuell hat Luxemburg knapp 577.000 Einwohner mit einem Ausländeranteil von rund 47 Prozent. Die Bevölkerungsstruktur hat sich über die letzten Jahre stark verändert. Viele Menschen sind zugezogen, oder arbeiten als tägliche Grenzgänger in dem Land. Eric Hamus sieht darin jedoch wenig sprachliche Nachteile. Für ihn Alltag:

„Es gibt natürlich immer wieder Personen — solche Menschen gibt es in jedem Land — die sich damit schwer tun. Aber der Durchschnittsluxemburger kann ganz gut vom Luxemburgischen ins Französische wechseln, das ist normalerweise kein Problem. Man spricht Zuhause und auf der Straße vielfach Luxemburgisch. In den Geschäften überwiegt dann eher das Französische. Die Medien sind vielfach auf Deutsch.“ Viele Luxemburger sehen das aber problematischer.

Die Petition von Lucien Welter hat innerhalb kürzester Zeit die Grenze von 4500 Unterschriften überschritten, deshalb muss sich nun das Luxemburger Parlament mit der Forderung befassen. Doch den Politikern liegt noch eine zweite Petition zu diesem Thema vor. Ebenfalls über 4500 Unterschriften erreichte nun eine Petition, welche die Mehrsprachigkeit im Land schützen will. Ein Thema, zwei Petitionen, entgegengesetzte Ziele. Eine völlig neue Situation für den Vorsitzenden des Luxemburger Petitionsausschusses, Marco Schank: „Das ist auch für uns ungewöhnlich. Aber wenn man die Sprachsituation in Luxemburg kennt, dann versteht man das. Wir sind stolz auf unsere Mehrsprachigkeit, stolz aber auch auf das Luxemburgisch, das wir jeden Tag reden. Da sieht man, dass das alles miteinander zusammenhängt und auch diese hohe Zahl von Unterschriften bei den beiden Petitionen zusammenkommt.“

Um in Luxemburg eine Petition einzureichen oder zu unterschreiben, muss man mindestens 15 Jahre alt sein und im Luxemburgischen Personenregister eingetragen sein. Darin verzeichnet sind alle Einwohner des Landes, aber auch alle im Ausland lebenden und in Luxemburg arbeitenden Menschen. Es gibt rund 17.000 Grenzgänger, die vielfach aus Deutschland, Frankreich und Belgien stammen. Auch diese Personen können in Luxemburg an Petitionen teilnehmen.

Im April 2014 wurde das Petitionswesen in Luxemburg reformiert. Die öffentliche Petition wurde eingeführt und Unterschriften können auch online abgegeben werden. Seit diesem Zeitpunkt wurden über 500 Petitionen eingereicht, doch lediglich 20 davon erreichten die nötigen Unterschriften, damit das Parlament darüber entscheidet. Für den Politiker Marco Schank dennoch ein Erfolg: „Selbstverständlich ist die Petition ein Mittel der Bürgerbeteiligung. Natürlich gibt es keinen Zauberstab, dass das Anliegen der Petition nach der Debatte auch tatsächlich umgesetzt wird.

Trotzdem gibt es eine Reihe von Erfolgen. Wir hatten zum Beispiel einige Petitionen zum Thema Tierschutz. Dort wurde unter anderem verlangt, dass der Tierschutz in die Verfassung eingetragen wird und dass Tierquäler härter bestraft werden. Der zuständige Minister hat daraufhin einige Forderungen aus diesen Petitionen in eine Gesetzesänderung mit einfließen lassen.“

Viele Luxemburger sehen in dem Streit um die Amtssprache vor allem einen Streit um Zuwanderung und nationale Identität. In den letzten zehn Jahren ist Luxemburg von 450.000 auf 577.000 Einwohner gewachsen. Das macht sich nicht nur bei der Sprache bemerkbar, so der Journalist Eric Hamus:

„Es macht sich vor allem auf dem Wohnungsmarkt bemerkbar. Die Wohnungssituation in Luxemburg ist dramatisch. Es ist sehr schwierig, etwas zur Miete oder zum Kauf zu finden. Die Preise sind extrem hoch, was auch immer wieder eines der Hauptthemen in der Politik ist.“ Luxemburg ist nicht nur das reichste Land innerhalb der EU, auch weltweit verfügt das kleine Großherzogtum nominal über das höchste Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner. Das lockt zahlreiche Arbeitskräfte. Besteht also tatsächlich die Gefahr, dass das Luxemburgische bald ausstirbt? Eric Hamus hält die Debatte für übertrieben: „Ich sehe das nicht so. Das Luxemburgische wird durch die sozialen Netzwerke so viel geschrieben, wie noch nie zuvor. Und auch viele Zuwanderer lernen Luxemburgisch. Die erste große Welle von Zuwanderern nach dem Zweiten Weltkrieg waren Portugiesen.

Die zweite und dritte Generation spricht nun Luxemburgisch. Die nächste Zuwanderungswelle kam aus dem Osten Europas nach dem Jugoslawienkrieg, davon sprechen auch schon sehr viele Leute Luxemburgisch.“ Das Problem liege laut Hamus eher bei der Politik. Der schriftliche Gebrauch des Luxemburgischen werde dort vernachlässigt. Viele Menschen im Land kennen nicht die offizielle Rechtschreibung. Eine Lösung könnte deshalb der vermehrte Unterricht der Sprache im Schulunterricht sein. Am 16. Januar entscheidet nun das Luxemburger Parlament über die Petitionen, so der Ausschussvorsitzende Marco Schank: „Die Diskussion sieht so aus, dass es eine Sitzung im Luxemburger Parlament gibt. Dort kommen die Abgeordneten aus den verschiedenen Ausschüssen zusammen, ebenso die zuständigen Minister. Die Sitzung wird öffentlich im Fernsehen übertragen. Und es können auch Besucher als Zuschauer auf den Tribünen im Parlament platznehmen.“

Und so wird im Januar diskutiert, welchen Stellenwert die traditionelle Sprache in Luxemburg haben soll. Eine tatsächliche Änderung der Amtssprache halten viele Beobachter aber für kaum umsetzbar. Auch der Journalist Eric Hamus ist skeptisch:

„Man kann sich als Politiker mit diesem Thema ganz gut beim Luxemburgischen Volk profilieren. Ich denke aber, dass es nicht so weit kommen wird, dass Luxemburgisch erste Amtssprache werden wird. Das Luxemburgische ist mehr eine gesprochene Sprache und es fehlt am nötigen Wortschatz, um beispielsweise Gesetzestexte übersetzen.“ Und so wird Luxemburg wohl auch noch über den kommenden Januar hinaus über seine Landesprache, nationale Identität und Veränderungen in der Gesellschaft diskutieren. Eine Debatte, die in jeder Sprache – Luxemburgisch, Französisch, oder Deutsch – die Meinungen spaltet.

Quelle : sputnik.de

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