Moskau warnt vor übereilten Schlüssen

  22 Dezember 2016    Gelesen: 940
Moskau warnt vor übereilten Schlüssen
Bei einer Kunstausstellung erschießt ein türkischer Polizist den russischen Botschafter in der Türkei. Für Präsident Erdogan ist rasch klar, dass hinter dem Attentat die Gülen-Bewegung steckt. Doch Moskau will sich noch nicht festlegen.
Bei den Ermittlungen zum tödlichen Attentat auf den russischen Botschafter in der Türkei hat Moskau vor voreiligen Schlüssen zu den Hintergründen gewarnt. Es sei zu früh um zu sagen, wer hinter dem Mord stecke, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Zunächst müssten die Ergebnisse der Ermittlungen abgewartet werden. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hatte zuvor die Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen für das Attentat verantwortlich gemacht. Der Polizist, der das Attentat verübte, war laut einem Zeitungsbericht acht Mal zum Schutz des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan im Einsatz gewesen.

"Es dürfen keine voreiligen Schlüsse gezogen werden, solange die Ermittlungen nicht gezeigt haben, wer hinter der Ermordung unseres Botschafters steckt", sagte Peskow. Russland ist an den Ermittlungen zu dem Attentat beteiligt.

Am Dienstag hatte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu laut der amtlichen Nachrichtenagentur Anadolu in einem Gespräch mit seinem US-Kollegen John Kerry gesagt, die Türkei und Russland wüssten, dass die "Fethullah Terrororganisation" (Feto) hinter dem Anschlag stecke. Feto ist die Bezeichnung der türkischen Regierung für die Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen, der in den USA im Exil lebt.

Der 22-jährige Polizist Mevlüt Mert Altintas hatte am Montag in Ankara bei einer Ausstellungseröffnung den russischen Botschafter Andrej Karlow erschossen und die Tat als Rache für das russische Vorgehen im Syrien-Krieg bezeichnet.

Attentäter mehrmals in Erdogans Leibwache

Unterdessen akzeptierte die türkische Regierung in einem außergewöhnlichen Schritt die Entsendung von 18 russischen Ermittlern, die gemeinsam mit ihren türkischen Kollegen den Anschlag untersuchen sollen. Die russischen Ermittler besuchten nach ihrem Eintreffen in Ankara am Dienstag den Tatort und waren bei der Autopsie des Leichnams zugegen.

Laut "Hürriyet" war der Attentäter, der einer Spezialeinheit der Polizei in Ankara angehörte, in den vergangenen Monaten acht Mal zur Bewachung von Erdogan eingesetzt worden. Altintas habe seit Juli bei acht öffentlichen Auftritten von Erdogan Dienst gehabt, berichtete die Zeitung am Mittwoch. Dabei habe der 22-Jährige zur zweiten Sicherheitskette nach Erdogans persönlicher Leibwache gehört. Nach türkischen Medienberichten wurden im Zusammenhang mit dem Attentat bislang 13 Menschen festgenommen, darunter sechs enge Verwandte von Altintas.

Beobachtern zufolge dürften sich die Russen nicht damit zufrieden geben, dass Ankara die Tat auf die Gülen-Bewegung schiebt. "Sie werden handfeste Beweise fordern", schrieb der Chefredakteur von "Hürriyet".

Putin nimmt an Trauerfeier teil

Die türkische Regierung hält Gülen auch für den Drahtzieher des gescheiterten Militärputsches von Mitte Juli, was der einstige Weggefährte von Präsident Recep Tayyip Erdogan entschieden bestreitet. Ankara geht seit dem Umsturzversuch mit aller Härte gegen Gülen-Anhänger und andere vermeintliche Regierungsgegner vor.

Ankara fordert von den USA die Auslieferung Gülens. Die scheidende US-Regierung will aber zunächst Beweise sehen, dass dieser tatsächlich hinter dem Putschversuch steckt.

Der Leichnam des Botschafters war am Dienstag nach Russland überführt worden. Am Donnerstag soll er nach einer nationalen Trauerzeremonie, an der auch Präsident Wladimir Putin teilnimmt, auf einem Friedhof in Moskau beigesetzt werden. Präsidentensprecher Peskow sagte, Putin habe seine Jahrespressekonferenz von Donnerstag auf Freitag verschoben, um an der Trauerfeier teilnehmen zu können.

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