Doch zuvor liegt Earnest noch etwas auf dem Herzen. "Ich mache mir Sorgen", sagt er in einem CNN-Interview. Und zwar um die Tradition der regelmäßigen Briefings, mit denen das Weiße Haus die Medien und die Öffentlichkeit informiert - und die Trump ignorieren, wenn nicht ganz abschaffen könnte. Die Pressekonferenzen seien nötig, "um die Verantwortlichen für ihre Taten, Aussagen und Versprechen zur Rechenschaft zu ziehen", gibt Earnest zu bedenken. Solche Sitten seien "gut für unsere Demokratie".
Trumps Team sieht das anders. "Die Briefings des Weißen Hauses sind zu Spektakeln geworden", sagte Sean Spicer, der Chefstratege der Republikaner und ein Top-Aspirant auf die Nachfolge Earnests, im TV-Kabelsender Fox News. "Vielleicht lässt sich eine effektivere Weise finden, die Nachrichten zu vermitteln."
Trump stellt alle Konventionen auf den Kopf
Die Debatte ist bezeichnend: Das miserable Verhältnis der US-Medien zum neuen Präsidenten wird ab Januar auf seine bislang schwerste Bewährungsprobe gestellt, wenn Trump an die Macht kommt - und droht, die Journaille vollends auszumanövrieren.
Längst tobt sein Krieg gegen die Medien auf allen Kanälen. Als erster Reality-TV-Präsident stellt Trump alle Konventionen auf den Kopf - auch die publizistischen. "Anstelle der Kulturkriege", prophezeit der Kritiker Michael Wolff im Film- und Fernsehbranchenblatt "Hollywood Reporter", "treten nun die Medienkriege."
Schon im Wahlkampf beschimpfte Trump die Presse als "ekelhaft", "verlogen", "Abschaum". Ab 20. Januar hat er ein noch bedrohlicheres Arsenal zur Verfügung: beispiellose Machtfülle, einen willfährigen Kongress und den staatlichen PR-Apparat.
Seine besten Mittel, missliebige Medien kaltzustellen, sind freilich unauffälliger - und umso perfider. Trump bedient sich, wie der frühere US-Arbeitsminister Robert Reich auf seinem Blog schreibt, der gleichen Methoden "wie alle Tyrannen": 1. Die Medien beschimpfen. 2. Kritische Medien auf eine schwarze Liste setzen. 3. Die Öffentlichkeit gegen die Medien aufhetzen. 4. Satire verdammen. 5. Die Medien direkt bedrohen. 6. Den Zugang der Medien beschränken. 7. Die Medien komplett umgehen.
In der Tat setzte Trump bereits alle ein. Zuletzt zeterte er gegen "Vanity Fair", nachdem es das Restaurant im Trump Tower verrissen hatte. Er schimpfte über die Satireshow "Saturday Night Live", drohte der "New York Times" mit Klagen, hat seit Juli keine Pressekonferenz mehr abgehalten. Stattdessen kommuniziert er direkt via Twitter.
Ende November bestellte Trump die TV-Nachrichtenchefs zu sich, um ihnen die Leviten zu lesen: Ihre Berichterstattung sei "unerhört" und "unehrlich", vor allem CNN wimmele vor "Lügnern". Selbst unvorteilhafte Fotos, die ihn mit Doppelkinn zeigten, ließ er bei seinem Wutausbruch nicht unerwähnt.
Am Wochenende dann die Kehrtwende: Trump lud ein Dutzend Reporter auf sein Anwesen Mar-a-Lago in Florida ein. Der Smalltalk blieb geheim, die Fotos sickerten raus: Bilder des Pressekorps in kritiklos-trauter Geselligkeit mit dem Erzfeind. Demzufolge gab es ein tolles Büfett und Champagner, und Trump war "entspannt und gesprächig".
Die beklemmenden Resultate dieses Zuckerbrot-und-Peitsche-Ansatzes sind bereits überall zu besichtigen: Viele US-Medien behandeln Trump mittlerweile als ganz normalen Politiker - obwohl sein Verhalten alles andere ist als normal, von seinen eklatanten Interessenskonflikten bis hin zu seinem Autokratenflirt mit Wladimir Putin.
Im Weißen Haus wird Trump demnächst noch viel härtere Keulen gegen die Presse schwingen können. Das zeigt auch die Berufung des Silicon-Valley-Milliardärs Peter Thiel in seinen Beraterkreis. Thiel hatte eine Millionenklage gegen die Website "Gawker" finanziert, die den Klatschblog ruinierte - ein schlechtes Omen, aller verfassungsrechtlich verankerten Pressefreiheit zum Trotz.
Doch Trumps Feldzug gegen die Medien hat auch positive Seiten. Nach seinen Attacken auf "Vanity Fair" vermeldete das Blatt den größten Leserzuwachs seiner Geschichte. "Das Magazin, von dem Donald Trump nicht will, dass Sie es lesen", wirbt es seitdem. "Abonnieren Sie uns jetzt!"
Quelle : spiegel.de
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