So kämpft Japan gegen Überstunden-Suizide
Das war vor über einem Jahr. Anfang 2017, im vierten Jahr nach dem von Ministerpräsident Shinzo Abe ausgerufenen Wandel der Arbeitskultur scheint sich in Japan nun endlich etwas zu bewegen. 15 Unternehmensverbände (darunter auch der große Keidanren mit seinen 1300 Mitgliedsfirmen) starten Ende Februar die Initiative "Premium Friday".
Am jeweils letzten Freitag im Monat sollen alle Arbeitnehmer in Japan um spätestens 15 Uhr Feierabend machen, um das Leben zu genießen – und um einzukaufen. Denn während Abe seit Jahren milliardenschwere Konjunkturprogramme in den Markt pumpt und versucht die heimische Wirtschaft anzukurbeln, dümpeln die Indikatoren des asiatischen Landes nur vor sich her.
Überarbeitung hat einen Namen
Überarbeitung ist in Japan ein großes Problem: Nach OECD-Angaben arbeitet ein Japaner durchschnittlich 1371 Stunden im Jahr – verglichen mit Deutschland sind dies rund drei Monate mehr. Laut der Regierung überschreitet die Zahl der Überstunden jedes einzelnen Beschäftigten in mehr als 20 Prozent der Unternehmen wöchentlich die 80-Stunden-Marke.
Das Verlangen der Firmen nach Überstunden kommt nicht von ungefähr. Japan ist in der Liste der G7-Staaten das Land mit der geringsten Produktivität. Längst sind es nicht mehr die Technik-Größen aus Fernost, die den globalen Handel bestimmen. Daher hat sich in Japan eine gefährliche Unsitte etabliert, die mittlerweile sogar einen eigenen Namen trägt: "Karoshi" wird der Selbstmord nach Überarbeitung genannt.
Nach Regierungsangaben haben innerhalb eines Jahres versucht, sich 2310 Menschen wegen Überarbeitung das Leben zu nehmen. Der Kampf dagegen scheint eine Sisyphusarbeit zu sein – stopft die Regierung die eine Lücke im Arbeitsrecht, finden die Firmen eine andere, um die monatliche Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter nach oben zu treiben.
Firma fand ein Schlupfloch
Arbeit nach 20 Uhr ist gesellschaftlich mittlerweile verpönt – die nach 22 Uhr verboten. In einigen Firmen wird dann sogar zentral das Licht abgeschaltet. Doch das Brokerhaus Itochu fand schnell einen anderen Weg, um die Mitarbeiter zu Überstunden zu bewegen: Seit 2013 zahlt das Unternehmen Prämien an jene Mitarbeiter, die schon morgens zwischen 5 und 8 Uhr am Schreibtisch sitzen. Die Regierung will das nicht so hinnehmen. Sie will Unternehmen, die über der 80-Stunden-Marke liegen, öffentlich an den Pranger stellen.
Der Fall Matsuri Takahashi hat aber nicht nur landesweit zu einem Umdenken geführt. Auch bei ihrem Arbeitgeber Dentsu ist man in sich gegangen: Chef Tadashi Ishii hat Anfang der Woche seinen Rücktritt erklärt. In der öffentlichen Wahrnehmung ist er diesen Schritt aber wegen eines Bilanzskandals gegangen. In Japan wartet noch viel Arbeit.