Jammeh putschte sich 1994 an die Macht des kleinsten Flächenstaates Afrikas ganz im Westen des Kontinents. Sein Vorgänger Dawda Jawara hatte das Land in die Unabhängigkeit von Großbritannien geführt und bereits mehrere Putschversuche erfolgreich niedergeschlagen. In 24 postkolonialen Herrschaftsjahren hatte sich die Vorwürfe gehäuft: Jawara sei korrupt, uneinsichtig, antidemokratisch.
Jammeh, der militärische Erfahrungen als Soldat beim Friedenseinsatz in Liberia gesammelt hatte, konnte ihn erfolgreich aus dem Amt drängen und ließ sich zwei Jahre nach dem Putsch durch eine Wahl im Amt des Präsidenten bestätigen. Damals war er mit 31 Jahren das jüngste Staatsoberhaupt der Welt. Nach 23 Jahren im Amt ist er selbst zum Inbegriff von Korruption Machtgier geworden.
Am 1. Dezember vergangenen Jahres wählten die 1,7 Millionen Bürger Gambias einen neuen Präsidenten. Die Wahl fand unter enormen Sicherheitsvorkehrungen statt: Das Internet wurde abgestellt, Telefonate endeten an der Staatsgrenze. Völlig überraschend war der Ausgang der Wahl: 43 Prozent stimmten für seinen Kontrahenten Adama Barrow, nur 40 Prozent der Stimmen gingen an Jammeh. Zunächst gestand er die Niederlage ein.
Wie die Karikatur eines Herrschers
Eine Woche später jedoch sagte er in einer Fernsehansprache, dass er den Ausgang der Wahl nicht anerkenne. Seither weigert er sich vehement, den Posten zu räumen. International wurde sein Verhalten scharf kritisiert, auch von der Afrikanischen Union und der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas. Jammeh antwortete darauf, in dem er den Ausnahmezustand verhängte. Ausländische Mächte drohten damit, ihm die Macht zu entreißen, so die Begründung. Den Ruf, den er im Ausland genießt, macht er mit seinem Verhalten alle Ehre – Jammeh ist in vielerlei Hinsicht die Karikatur eines afrikanischen Diktators.
Jammeh führte 2013 etwa die Vier-Tage-Woche für Staatsangestellte ein. So sollten die Menschen mehr Zeit bekommen, ihm zu huldigen. Zu den Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Unabhängigkeit des Landes kündigte er an, Gambia – flächenmäßig etwa ein Viertel kleiner als Schleswig-Holstein – werde Ende des Jahres die letzte verbleibende Supermacht sein. "Die Zeit ist gekommen, dass wir Dubai, Singapur, die USA, Katar und andere überholen. In diesem Jahr noch werden diese Staaten zu Gambia aufschauen, zum reichsten Land der Welt", sagte er.
Legendär sind seine historischen Kenntnisse: So will er wissen, dass der erste transatlantische Flug aus den USA in Gambia gelandet sei. Auch behauptete er, Aids per Handauflegen heilen zu können und die Fähigkeit zu besitzen, beim Blick in die Augen eines Menschen seinen genauen Todeszeitpunkt voraussagen zu können. Letzteres entgegnete er oppositionellen Parlamentariern auf den Vorwurf hin, er sei geistig nicht gesund.
Jammeh provoziert Eskalation
So skurril seine Äußerungen gewesen sein mögen, dürfen sie nicht darüber hinwegtäuschen, wie brutal und rücksichtslos Jammeh fast 23 Jahre über sein Volk geherrscht hat. Kurz nach seiner Wahl zum Präsidenten führte er auf Grundlage der Scharia die Todesstrafe ein und kündigte an, gegenüber Homosexuellen hart durchzugreifen. Alle Lesben und Schwulen im Land sollten geköpft werden, forderte er einmal. Kritische Journalisten wurden während seiner Amtszeit inhaftiert, andere, wie Deyda Hydara, auf offener Straße erschossen. Bei Demonstrationen verschwanden nicht selten Oppositionelle, ohne jemals wieder aufzutauchen.
Wirtschaftlich brachte Jammeh dem Land kein Glück. Seit seiner Machtübernahme sank das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt beständig und liegt heute bei rund 1600 US-Dollar – einer der weltweit niedrigsten Werte. Er selbst konnte sich während seiner Amtszeit jedoch mächtig bereichern: Jammehs Privatvermögen wird auf rund 1,8 Milliarden Dollar geschätzt.
Es scheint ausgeschlossen, dass Jammeh weiter an der Macht bleibt. International genießt der Diktator, der im August 2014 noch zu Gast bei Barack Obama im Weißen Haus war, keinen Rückhalt mehr. Uno, Afrikanische Union und Ecowas verurteilen sein Verhalten und fordern ihn auf, den Posten zu räumen. Senegal, Ghana und Nigeria haben eine militärische Eingreiftruppe in Stellung gebracht, um den abgewählten Präsidenten notfalls mit Gewalt aus seinem Amt zu lösen. Polizeichef Ousman Sonko und Generalstabschef Ousman Badgie haben sich aktuell darauf geeinigt, keine Befehle mehr von Jammeh anzunehmen. Sie seien nur noch dem neuen Präsidenten verpflichtet.
Es deutet jedoch nichts darauf hin, dass Jammeh den Posten freiwillig räumt. Seine Amtszeit endete offiziell am gestrigen Mittwoch um Mitternacht. Der neue, demokratisch gewählte Präsident wartet im Senegal darauf, seinen Amtseid ablegen zu können. Kurz nach Mitternacht twitterte er: "Meine lieben Gambier – die Präsidentschaft von Yahya Jammeh ist offiziell vorüber. Eine neue Ära beginnt." Jammeh jedoch will offensichtlich eine Eskalation provozieren, einen letzten Vermittlungsversuch Mauretaniens am späten Mittwochabend lehnte er ab. Sein Nachfolger soll nun in der gambischen Botschaft im Senegal vereidigt werden.
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