Insbesondere ein neues Konzept rund um das Schlagwort „Luftnahunterstützung“ trifft in Ankara auf großen Anklang. Das Konzept befasst sich mit der taktischen Bombardierung feindlicher Ziele, die den operationellen Anforderungen von Bodentruppen bei Angriffsoperationen dient. Die Truppen werden durch die Feuerkraft von fliegenden Elementen wie Kampfflugzeugen, Kampfhubschraubern oder Drohnen unterstützt. Ein weiteres Einsatzverfahren der Luftwaffen ist die Gefechtsfeldabriegelung.
Bisher war die türkische Armee (TSK) im Kampf gegen die kurdische PKK-Organisation im Südosten und Osten auf zwei inzwischen veraltete Kampfhubschrauber US-amerikanischer Bauart vom Typ AH-1 P/S Cobra und AH-1W Super Cobra sowie Kampfflugzeuge vom Typ F-16 und F-4.
Eurasia News sprach mit dem Verteidigungsanalysten des „Washington Instituts für Nahost-Politik“ und ehemaligen Geheimdienstoffizier Jeff White über den militärischen Mehrwert einer effektiven Luftnahunterstützung für am Boden operierende Truppen. White äußerte:
„Luftnahunterstützung ist in der Lage, die Offensiv- und Verteidigungsfähigkeiten einer Bodentruppe deutlich zu beeinflussen. Diese Unterstützung ist flexibel und reaktionsschnell, so dass Kommandeure die Feuerkraft aus der Luft an Schlüsselstellen gut einsetzen können. Das ist so seit dem zweiten Weltkrieg. Es kann Durchbrüche unterstützen, bei der Überwindung von Widerstandspunkten helfen und Gegenangriffe brechen. Defensiv kann die Luftnahunterstützung dafür genutzt werden, um angreifende Kräfte zu zerschlagen und wichtige Waffensysteme zu zerstören. Außerdem ist das Konzept in der Lage, die taktische Beweglichkeit des Gegners zu limitieren. Es ist zwar keine magische Kugel, aber für den, der auf das Konzept setzen kann, bedeutet es einen klaren Vorteil.“
Türkische Armee setzt für neues Konzept auf dreier Achse
In der Vergangenheit war die Abhängigkeit von ausländischen Produzenten ein Problem für die Türkei. Türkische Beamte werfen westlichen Regierungen vor, den Verkauf von Verteidigungsgütern als politisches Druckmittel gegen Ankara zu missbrauchen. Limitierter Zugang zu ausländischen Ressourcen erschwert die Modernisierung der türkischen Streitkräfte. Ankara arbeitet nicht zuletzt deshalb seit rund zehn Jahren intensiv an der Nationalisierung des Konzepts für Luftnahunterstützung, wo es in der Regel um Zugang zu Schlüsseltechnologien im Rüstungsbereich und Munition geht.
Die TSK hat begonnen, sukzessive indigene Kampfsysteme in ihren Bestand zu integrieren, um die Probleme der Vergangenheit zu lösen und eine effektivere Leistung dieser Systeme umzusetzen. Vorgeschobene Operationsbasen und Bodenoperationen wollen die türkischen Streitkräfte mit einer dreier Kombination aus dem modernen, allwettertauglichen Kampfhubschrauber T-129 ATAK, der indigenen, bewaffneten Aufklärungsdrohne Bayraktar TB2 und dem Erdkampfflugzeug Hürkuş-C, das voraussichtlich Ende 2017 in das Inventar der TSK aufgenommen wird.
Der Kampfhubschrauber T-129 ATAK ist seit 2014 im Dienst der türkischen Armee. Die Armee verwendet den Helikopter aktiv in Operationen gegen die terroristische PKK. Dieses Produkt hat die Türkei bei Fragen, Kampfhubschrauber betreffend, inzwischen vom Ausland unabhängig gemacht. ATAK ist das Ergebnis eines Know-How-Transfers mit der italienischen Firma AugustaWestland. Die TSK kann bereits auf 19 ATAK-Hubschrauber im eigenen Inventar setzen. Die Bewaffnung des Helikopters stammen aus türkischer Produktion vom Raketenhersteller Roketsan, das die 70 mm lange lasergeleitete Cirit-Rakete und die Panzerabwehrrakete Umtas produziert.
Auch Hürkuş-C, das eine Nutzlast von 1,500 Kilogramm tragen kann, wird mit den Cirit- und Umtas-Systemen ausgerüstet. Das Erdkampfflugzeug ist mit einem taktischen Datenübertragungssystem, elektrooptischem und Infrarot-System (EO / IR), einem Selbstschutzsystem und gepanzertem Flugwerk ausgerüstet.
Das ehemalige Mitglied türkischer Sondereinsatzkräfte Mete Yarar erklärte zuletzt im türkischen Staatsfernsehen passend, dass die Armee seinerzeit „versuchte für die Cobra-Hubschrauber auf dem Schwarzmarkt an Munition ranzukommen“. Das verdeutlicht, wie schwierig es war für die Türkei, Zugang zu Raketensystemen und andere Munition für diese Hubschrauber zu erhalten. Westliche Partnerstaaten sind noch heute nicht bereit, die Türkei aus politischen Erwägungen heraus militärisch frei handeln zu lassen. Heute produziert die Türkische Republik solche Schlüsselprodukte aus eigenen Kräften.
Auf die von der türkischen Firma Baykar entwickelten Drohne Bayraktar TB2 greift die TSK seit 2014 zurück. Bis 2016 wurde sie lediglich zur geheimdienstlichen Aufklärung benutzt. Seit 2016 gibt es erste bewaffnete Modelle der Bayraktar TB2. Türkische Soldaten, die in den ländlichen Gebieten Südostanatoliens operieren, beschreiben die Drohne inzwischen als „Himmelsschwert“. Die Bayraktar-Drohne verwendet lasergelenkte Raketen vom Typ MAM-L mit einem Sprengkopfgewicht von acht bis zehn Kilogramm aus dem Haus Roketsan.
Laut Erhebungen des Verteidigungsministeriums in Ankara tötete die bewaffnete Version von Bayraktar TB2 in nur 24 Stunden acht PKK-Kämpfer in der Faraschin-Region. Nach zwei Monaten im Einsatz tötete die Drohne 80 Terroristen. Diese Daten weisen daraufhin, dass die TSK die wachsende Zahl an bewaffneten Drohnen im eigenen Inventar dafür nutzen wird, um gegen terroristische Elemente präventiv vorzugehen.
Nach Eurasia News Erkenntnissen befinden sich gegenwärtig mindestens acht bewaffnete Drohnen im Besitz türkischer Sicherheits- und Streitkräfte. Ankara strebt die Erhöhung der Anzahl von bewaffneten Drohnen auf 40 für Polizei-, Gendarmerie- und Militäreinheiten. Bis Ende 2018 oder Anfang 2019 möchte Ankara diese ambitionierte Zahl realisieren.
Erschienen auf Eurasianews
Tags: