Brexit vertreibt Firmen aus Großbritannien

  31 Januar 2017    Gelesen: 786
Brexit vertreibt Firmen aus Großbritannien
Der bevorstehende Brexit trifft Großbritannien wohl härter als gedacht: Laut einer Studie plant jedes siebte Unternehmen, zumindest Firmenteile auf den Kontinent zu verlagern. Der Trend macht ein Land zum großen Gewinner.
Der EU-Austritt Großbritanniens treibt viele Konzerne einer Umfrage zufolge nach Deutschland. Jedes siebte im Vereinigten Königreich aktive Unternehmen erwäge, zumindest Firmenteile aus dem Land heraus auf den europäischen Kontinent zu verlagern, geht aus einer Studie der Wirtschaftsprüfer Ernst & Young (EY) hervor. Im Rest Europas hege nur jedes 50. Unternehmen Umzugspläne.

Erste Alternative für die betroffenen Unternehmen ist der Studie zufolge Deutschland: 54 Prozent nennen die größte Volkswirtschaft der EU als bevorzugtes Ziel, gefolgt von den Niederlanden (33 Prozent) und Frankreich (acht Prozent).

EY-Deutschlandchef Hubert Barth erwartet, dass der Standort im Zuge des Brexits attraktive Unternehmen anziehen wird. "Der bevorstehende Brexit sorgt für große Unsicherheit bei der Wirtschaft in Großbritannien. Der sichere Zugang zum europäischen Binnenmarkt ist und bleibt ein wichtiger Wettbewerbsvorteil." Deswegen suchten die in Großbritannien ansässigen Unternehmen nach Alternativen, sagte Barth.

"Ermutigendes Signal"

Und da könne Deutschland punkten, so Bäth, denn der "hiesige Standort wird als besonders attraktiv wahrgenommen". In einem Umfeld, in dem auch in Nachbarländern Populisten nach der Macht greifen und sich der Nationalismus ausbreitet, habe Deutschland die Chance, sich als Stabilitätsanker zu erweisen.

Bernhard Lorentz, Partner bei EY und Leiter des Bereichs Government & Public Sector für Deutschland, die Schweiz und Österreich, sieht neben allen Herausforderungen durch den Brexit auch positive Zeichen für die EU: "Die Europäische Union ist stark und attraktiv genug, um auch ohne Großbritannien internationale Investoren anzuziehen. Die relative Gelassenheit der Wirtschaft außerhalb Großbritanniens ist ein ermutigendes Signal an die europäische Gemeinschaft."

Lorentz sieht vor allem den Standort Deutschland als Alternative zu Großbritannien gut aufgestellt: "Wer Zugang zum europäischen Binnenmarkt suchte, hat bisher häufig von Großbritannien aus operiert. Künftig könnten andere europäische Länder das Rennen machen, allen voran Deutschland. Die Wirtschaft findet hierzulande nicht nur rechtliche, politische und soziale Sicherheit. Sie kann auch auf eine hervorragende Infrastruktur, gut ausgebildete Fachkräfte und einen im internationalen Vergleich attraktiven Immobilienmarkt zählen."

Brexit ist die Hauptsorge

Obwohl Großbritannien erst in frühestens zwei Jahren tatsächlich aus der EU austreten wird, sehen sich international tätige Unternehmen bereits heute mit verschiedenen Folgen des Brexit-Votums konfrontiert: 71 Prozent geben an, konkrete Auswirkungen in ihrem Geschäft zu spüren. Das betrifft vor allem die Gewinnmargen, die bei 28 Prozent der Unternehmen geschrumpft sind, und die Einkaufspreise, die sich für 29 Prozent erhöht haben. Infolge des Votums hatte das britische Pfund massiv an Wert verloren, was Importe nach Großbritannien deutlich verteuerte.

Barth warnt daher: "So erfreulich die steigende Attraktivität des Investitionsstandortes Deutschland ist – dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Austritt Großbritanniens aus der EU viele deutsche Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen stellen wird." Für die Automobilindustrie beispielsweise stehe viel auf dem Spiel. Die Lieferketten von Herstellern und Zulieferern seien über viele Länder hinweg eng verflochten - gerade mit Großbritannien. Neue Handelshemmnisse seien für viele Unternehmen eine echte Belastung.

Für die in Großbritannien ansässigen Unternehmen ist der Brexit die Hauptsorge: Jedes dritte Unternehmen macht sich Gedanken deswegen. Ganz anders bewerten Unternehmen, die nicht in Großbritannien ansässig sind, den bevorstehenden EU-Austritt. Lediglich 15 Prozent machen sich Sorgen deswegen. Viel schwerer wiegen aus ihrer Sicht die geopolitische und EU-weite Instabilität sowie die Verlangsamung der weltweiten Handelsströme.

Unternehmen sind kaum vorbereitet

Noch nie seit Beginn der Befragung 2004 wurde zudem die Entwicklung der Attraktivität des Standortes Großbritannien so schlecht bewertet: Mehr als jedes dritte befragte Unternehmen (34 Prozent) erwartet, dass die Attraktivität Großbritanniens in den nächsten drei Jahren abnimmt. Gleichzeitig erwarten nur noch 29 Prozent eine Verbesserung. Zum Vergleich: Kurz vor dem Brexit-Votum im März 2016 gingen immerhin noch 36 Prozent von einer Verbesserung aus, im Jahr 2015 lag der Anteil bei 54 Prozent.

Obwohl die Unternehmen die Folgen des Brexit-Votums bereits zu spüren bekommen, sind sie kaum vorbereitet. Gerade einmal vier Prozent der befragten Unternehmen haben inzwischen eine Strategie im Umgang den sich verändernden Bedingungen im Zuge des Brexit.

Barth rät den Unternehmen, möglichst frühzeitig eine eigene Strategie zu erarbeiten. "Volatilität ist die neue Normalität. International tätige Unternehmen sollten sich darauf einstellen. In einer sich immer schneller verändernden Welt gilt es, flexibel zu bleiben und sich Investitionen beziehungsweise Desinvestitionen offen zu halten."

Quelle: n-tv.de

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