Blamieren und verdienen: Die einträgliche Dauerbaustelle BER

  07 Februar 2017    Gelesen: 677
Blamieren und verdienen: Die einträgliche Dauerbaustelle BER
Es wird gebaut, umgebaut, abgerissen und neu gebaut - im Terminal des neuen Hauptstadtflughafens gibt es für Baufirmen immer etwas zu tun. Je länger, desto besser.
Von Burkhard Fraune, dpa

Berlin (dpa) - Erst als das Drama um den neuen Hauptstadtflughafen schon Jahre währt, nennt auch Roland Vetter das Kind beim Namen. «Dass wir mit Sanierungen unser Geld verdienen, ist eigentlich nicht unser Plan», bekennt der frühere Projektleiter des Gebäudetechnik-Ausrüsters Imtech. «Wir haben uns alle sauber blamiert», klagt der Ingenieur im Berliner Abgeordnetenhaus.

Blamieren und verdienen - das sind die Pole, zwischen denen viele Unternehmen auf der Dauerbaustelle für den drittgrößten deutschen Airport seit Jahren pendeln. Der BER ist für sie kein Ruhmesblatt, aber sie bringt auch gutes Geld. Am (heutigen) Dienstag wird Geschäftsführer Karsten Mühlenfeld dem Aufsichtsrat erklären, warum es auch dieses Jahr nichts wird mit der Eröffnung.

Seit dem ersten Spatenstich sind die Kosten von 2 auf mindestens 6,5 Milliarden Euro gestiegen - größtenteils Geld des Steuerzahlers oder Kredite, die im schlimmsten Fall die öffentliche Hand tilgen muss. Viele verdienen daran, darunter namhafte Konzerne.

Vetter gibt in seinem Bericht an den Untersuchungsausschuss schon vor gut einem Jahr ein Beispiel: Imtech soll eigentlich für 52 Millionen Euro Starkstrom in das Terminal legen. Doch es gibt immer wieder Umplanungen. Die Bauherren ziehen sogar eine zusätzliche Etage in den 700 Meter langen Gebäuderiegel ein, als der Keller schon gegossen ist. Nachträge bringen Imtech weitere 20 Millionen Euro.

Je näher die geplante Eröffnung 2012 rückt, desto mehr entgleitet der Flughafengesellschaft die Kontrolle über das Treiben der vielen Firmen. Die Baustelle stürzt ins Chaos. Vom Brandschutz bis zum Datennetz passt bei wichtigen Systemen vieles nicht mehr zueinander. Die Eröffnung platzt - und Vetters Leute bekommen einen weiteren Auftrag: Kabel neu zu verlegen. Für 45 Millionen Euro. Damit haben sich die Kosten allein für diesen Auftrag mehr als verdoppelt.

Imtech ist ein besonderer Fall. Denn im Angesicht der drohenden Insolvenz schreckten Mitarbeiter auch nicht vor Bestechung zurück, um Millionen aus der staatlichen Flughafengesellschaft zu quetschen. Nichts dergleichen ist bekannt von anderen BER-Baufirmen, die der Airport-Betreiber immer wieder zur Eile drängt - darunter Siemens, Bosch, T-Systems und Caverion als bekannteste Namen. Eine Einnahmequelle ist das Projekt aber auch für sie.

Offenbar läuft es auf der Baustelle noch immer nicht rund. Als neulich bekannt wurde, dass es auch 2017 nichts mehr wird mit der Flughafeneröffnung, weil sich gut 1100 Türen im Terminal nicht ordentlich elektronisch schließen lassen, gab Flughafenchef Karsten Mühlenfeld Bosch die Schuld. Das Unternehmen habe nicht genug Leute auf die Baustelle gebracht.

Der Konzern hingegen spielt den Schwarzen Peter zurück. Man habe stets alle vertraglichen Leistungspflichten erfüllt. Wenn etwas nicht fertig wurde, dann weil bauliche Vorleistungen oder Pläne fehlten oder weil sich die Vorgaben kurzfristig änderten, ließ Bosch in einer seiner seltenen Stellungnahmen wissen. Meist halten sich die Firmen zum Flughafen bedeckt. Öffentlich gewinnt man mit dem Thema keinen Blumentopf.

Am Montag erst bestellte der Flughafen-Aufsichtsratchef, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), deshalb Bosch und Caverion ins Rote Rathaus. Das Licht der Öffentlichkeit soll den Druck erhöhen. Doch so eine Baukonferenz gab es letztes Jahr schon.

Und als am Montag Bosch und Caverion das Rathaus verließen, hieß es erneut: Die Baufirmen würden nicht ausreichend koordiniert, die Abstimmung müsse verbessert werden - gut sechs Jahre nach dem ersten Eröffnungstermin für den Flughafen. Bosch hilft nun dem Airport bei der Koordination. Und auf Nachfrage sagt Müller: «Es ist klar, dass zusätzliche Aufgaben auch zusätzlich vergütet werden.»

Besonders gegenüber den großen Baufirmen sitzt die Flughafengesellschaft an einem denkbar kurzen Hebel, ein leitender Angestellter sprach öffentlich schon von «Erpressungssituationen». Dafür gibt es zwei Gründe: Weil kein Flughafen wie der andere ist, kann der Auftraggeber die Baufirmen nicht einfach vom Hof jagen, wenn er mit ihnen unzufrieden ist. Selbst wenn sich Ersatz fände, bräuchten die neuen Auftragnehmer Ewigkeiten, um sich einzuarbeiten.

Und der Flughafen hat vertraglich wenig Druckmittel. Seit der erste Eröffnungstermin geplatzt ist, das Projekt vom Neubau zur Sanierung wurde, werden die Firmen auf Stundenbasis angefordert - ohne Fristen und damit ohne große Möglichkeiten für Vertragsstrafen. «Wenn die einmal aus dem Termin raus sind, begeben sie sich nicht mehr rein», klagte Technikchef Jörg Marks bei seinem jüngsten Presserundgang im Terminal. Bis 2014 war Marks selbst Manager bei Siemens in Berlin.

Der leere Flughafen verschlingt jeden Monat 17 Millionen Euro an «Betriebskosten». Zudem fehlen eingeplante Mieteinnahmen von 13 bis 14 Millionen Euro. Je länger die Verspätung, desto teurer wird es.

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