Regierungssturz in Portugal

  11 November 2015    Gelesen: 740
Regierungssturz in Portugal
Die linken Oppositionsparteien haben die Mitte-Rechts-Regierung in Portugal gestürzt. 123 der 230 Abgeordneten stimmten bei einer Abstimmung im Parlament gegen das Regierungsprogramm von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho. Die Ablehnung der Vorlage zwingt ihn zum Rücktritt
Die oppositionellen Sozialdemokraten hatten verbindliche Abkommen mit anderen linksgerichteten Parteien im Parlament geschlossen, die ihnen eine Mehrheit sichern. Damit stellten sie die Weichen für eine Ablösung der Regierung.

Rückkehr der Sozialisten

Damit stehen die Sozialisten, die Portugal 2011 an den Rand des Bankrotts geführt haben, vor der Rückeroberung der Macht. Und wecken damit eineinhalb Jahre nach dem Ausstieg aus dem EU-Rettungsschirm wieder die Krisengeister.

Finanzministerin Maria Albuquerque warnte vor dem Sturz der Mitte-Rechts-Regierung: Ein neuer Hilfsantrag werde härtere Opfer als das Sparprogramm der vergangenen Jahre abverlangen. "Schaut nach Griechenland", rief sie.

Coelho verliert absolute Mehrheit

Dass die "Retter" des Landes um Ministerpräsident Pedro Passos Coelho nach dem Verlust der absoluten Mehrheit bei der Wahl vom 4. Oktober gehen müssen, löst nicht nur bei Anhängern des Bündnisses Portugal à Frente (Portugal voran) Wut und Sorgen aus.

Börse auf Talfahrt

Nervenflattern bekommen offenbar auch die Investoren: An der Börse in Lissabon fiel der PSI-20-Index am Montag bereits um mehr als vier Prozent. Der Abwärtstrend setzte sich am Dienstag fort.

"Wir lernen einfach nicht, ich habe große Angst", sagte der 62-jährige Angestellte Rui, der vor dem Parlament mit mehreren hundert Menschen gegen den Sturz der Regierung demonstrierte.

Konservative nach elf Tagen entmachtet

Den Konservativen, die Schuldensünder Portugal mit einem strengen Sparprogramm stabilisiert haben und aus der Parlamentswahl vom 4. Oktober immerhin als stärkste Kraft hervorgegangen waren, halfen die Solidaritätsbekundungen aber nichts.

Nach der Neuernennung von Passos zum Ministerpräsidenten durch Staatspräsident Anibal Cavaco Silva und dem Beginn der neuen Legislatur blieben sie am Ende nur elf Tage an der Macht. Seit der "Nelkenrevolution" von 1974 war in Portugal keine Regierung derart kurzlebig gewesen.

Wird das Land "unregierbar"?

Doch nicht wenige befürchten, dass eine linke Regierung auch keine lange Verfallsdauer haben wird. Vor allem weil PS-Boss António Costa auf die Unterstützung von als unzuverlässig und extremistisch geltenden Parteien wie dem marxistischen Linksblock, den Grünen und den Kommunisten setzt. Alles Nato- und Euro-Gegner.

Diese in Portugal nie dagewesene Allianz löst sogar bei der PS Alarm aus. "Ein historischer Fehler!", das Land werde "unregierbar" werden, fürchtet etwa der frühere Partei-Fraktionschef Francisco Assis.

Sparkurs soll aufgeweicht werden

Catarina Martins, eine Ex-Schauspielerin und jetzt Chefin der Bloco de Esquerda (Linksblock), die nun wohl in der Politik eine Hauptrolle spielen wird, hat eine andere Sicht: "Der Rauswurf der Regierung der Verarmung weckt neue Hoffnung", rief sie im Parlament.

Das werden vor allem auch die rund 500.000 zumeist junge und hoch qualifizierte Portugiesen gern hören, die dem 10,5-Millionen-Land seit Beginn der Krise den Rücken kehrten. Das Sparen soll abgeschwächt werden. Costa beteuert aber: Portugal bleibt stabil, internationale Verpflichtungen werden eingehalten.

Neuwahlen erst im März?

Doch kommen die Linken an die Macht? Der konservative Präsident - ein Parteikollege von Passos - steht nun vor der Wahl: Gibt er dem ungeliebten Costa & Co. seinen Segen? Oder setzt er auf Neuwahlen?

Da Präsident Cavaco nur bis März im Amt bleibt, kann dessen Nachfolger erst im April Neuwahlen ausrufen. Das würde das Land lahmlegen und sozialen Aufruhr auslösen, warnt die Renommierzeitung "Público".

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