Trumps Abschiebepolitik
Das war vor einer Woche. Vizguerra lebt nun unter dem Schutz der Kirche. Und sie ist zum Gesicht der geschätzt rund elf Millionen Einwanderer geworden, die ohne Aufenthaltserlaubnis in den USA leben. Viele von ihnen haben seit Montag mehr Angst als sonst um ihre Zukunft.
Denn nach und nach wird deutlich, wie sich US-Präsident Donald Trump künftig den Umgang mit illegal im Land Lebenden vorstellt. Die wichtigsten Punkte im Überblick:
Wer soll künftig abgeschoben werden?
Wer in den USA ohne Aufenthaltsgenehmigung lebt, verstößt gegen geltendes Recht. Das war auch bislang schon so. Allerdings wurden unter Barack Obama vor allem drei Gruppen abgeschoben:
diejenigen, die wegen einer schweren Strafteilt verurteilt wurden,
oder jene, die eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellten;
und diejenigen, die erst seit bis zu 14 Tagen im Land waren und in einem Gebiet von 170 Kilometern an der Grenze aufgegriffen wurden. Für letztere Gruppe galt eine zusätzliche Regel: Sie konnten umgehend abgeschoben werden.
Die neuen Richtlinien der Heimatschutzbehörde sind deutlich weitreichender und extremer. Trumps Sprecher Sean Spicer wehrte sich zwar gegen den Begriff Massenabschiebungen, zugleich machte er jedoch deutlich, dass jeder, der illegal im Land lebt, abgeschoben werden kann.
Künftig sollen Einwanderer ohne Dokumente auch dann schon abgeschoben werden, wenn sie verurteilt wurden, einer Straftat beschuldigt werden oder werden könnten - unabhängig von der Schwere der möglichen Tat. Sofortige Ausweisung droht außerdem all denjenigen, die kürzer als zwei Jahre in den USA leben - unabhängig davon, wie weit von einer Grenze entfernt sie sich aufhalten.
Kann Trump das wirklich machen?
Theoretisch ja, in der Praxis sieht das allerdings anders aus. Es dürfte den Behörden schlicht an Ressourcen mangeln: In den USA leben schätzungsweise elf Millionen Menschen ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung. Von Trumps verschärfter Abschiebepolitik könnten mehr als zehn Millionen von ihnen betroffen sein - ausgenommen sind bislang nur die ungefähr 750.000 Menschen, die als Kinder illegal in die USA einreisten.
Auch Barack Obama hatte zu Beginn seiner Amtszeit angekündigt, gegen Einwanderer ohne Papiere vorzugehen. Während seiner Zeit im Weißen Haus wurden mehr als zwei Millionen Einwanderer abgeschoben. Derzeit dauert es circa ein Jahr, bis die Gerichte über eine Abschiebung entscheiden. In Gefängnissen fehlt es vielerorts an Platz, um die Menschen vor ihrer Ausweisung unterzubringen.
Trump und Heimatschutzminister John Kelly haben deshalb angekündigt, mehr Beamte und Richter einzustellen. So soll die Einwanderungsbehörde ICE 10.000 neue Mitarbeiter bekommen, das Personal der Grenzschutzbehörde CPB soll um 5000 Stellen aufgestockt werden. Auch die Zahl der Haftanstalten soll erhöht werden - das dürfte vor allem die private Gefängniswirtschaft in den USA freuen. Außerdem sollen künftig auch lokale Polizisten für Abschiebungen zuständig sein. Offen ist, wie Trump das alles finanzieren will.
Was kritisieren Gegner?
Nach den Protesten gegen das Einreiseverbot für Menschen aus sieben überwiegend muslimischen Ländern sind Menschenrechtsorganisationen nun erneut in Alarmbereitschaft. Trump droht auch wegen seiner verschärften Abschiebepolitik massiver Widerstand.
Die Bürgerrechtsorganisation ACLU - die erfolgreich gegen das Einreiseverbot vorgegangen war - kündigte bereits Klagen an. Sie informiert illegale Einwanderer auch über ihre Rechte und erklärt, was sie tun können, wenn die Beamten vor ihrer Tür stehen.
Die Organisation Coalition for Humane Immigrant Rights spricht von einer "Hexenjagd". Die neuen Regeln könnten gegen die Verfassung verstoßen, sagt Marielena Hincapié vom National Immigration Law Center. Und Tom Jawetz vom Center for American Progress sagt: "Sehr wohl handelt es sich hier um Massenabschiebungen. Die Regierung hat das Prinzip der Prioritätensetzung aufgehoben."
Auch von Seiten der Polizei gibt es Kritik. Die Behörden fürchten, dass Einwanderer aus Angst vor Abschiebung nicht mehr mit ihnen zusammenarbeiten und sich zum Beispiel als Opfer von Verbrechen nicht an die Polizei wenden.
Die Hoffnung vieler Einwanderer liegt nun auf den sogenannten Sanctuary Cities - Städten, die bislang illegal im Land Lebende vor Strafverfolgung wegen Aufenthaltsverstößen und Ausweisung schützen. Eine von ihnen ist Los Angeles. Die Abgeordneten in der Stadt haben bereits vergangene Woche erste Schritte eingeleitet, um Migranten ohne Papiere zu schützen: Sie verabschiedeten einstimmig ein Gesetz, das Straßenverkauf nicht länger unter Strafe stellt.
Quelle : spiegel.de