"Russland will in Libyen einen auf Syrien machen"

  15 März 2017    Gelesen: 1353
"Russland will in Libyen einen auf Syrien machen"
Mit Spezialkräften und Drohnen könnte Russland in Libyen eingreifen. Dem Frieden ist das kaum dienlich, eher Moskaus Machtstrategie und seinen Geschäften.
Von Martin Gehlen,

Im nahöstlichen Machtpoker kommt Russland mehr und mehr auf den Geschmack. Nach dem massiven Militäreinsatz in Syrien will der Kreml seine Einflusszone nun offenbar auch auf Libyen ausdehnen.

In einem ersten Schritt stationierte Moskau Spezialtruppen und Drohnen nahe der Grenze auf der ägyptischen Luftwaffenbasis Sidi Barrani, wie amerikanische Militärs der Nachrichtenagentur Reuters bestätigten. Sechs weitere Einheiten wurden nach Angaben ägyptischer Armeekreise in Marsa Matrouh am Mittelmeer abgesetzt, bevor die Transportmaschinen in Richtung Libyen weiterflogen.

Das russische Expeditionskorps auf ägyptischem Boden soll Ex-General Khalifa Haftar militärisch beistehen, dem starken Mann im Osten Libyens. Er wird von Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützt und ging am Dienstag im Kampf um die Ölterminals sofort wieder in die Offensive. Erfolgreich, wie er einen Sprecher später verkünden ließ. Die Terminals in den Städten Ras Lanuf, Al-Sidr und Bin Dschawad seien wieder unter seiner Kontrolle.

Das russische Werben um Haftar, der sich als Vorkämpfer gegen die islamistischen Milizen sieht, begann Mitte Januar mit einem Militärspektakel vor der libyschen Küste. Damals, nach dem Fall von Aleppo, ließ der russische Präsident Wladimir Putin den aus Syrien abdampfenden Flugzeugträger Admiral Kusnezow eigens vor Tobruk ankern, um Haftar mit allem Prunk an Bord zu empfangen. Per Videolink plauderte der Libyer stolz mit dem russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu über den Kampf gegen den Terror.

Dagegen bekommt die im März 2016 mit Unterstützung der Vereinten Nationen in Tripolis installierte nationale Einheitsregierung unter Premierminister Fayez Serraj das Heft nicht in die Hand, auch weil ihre Widersacher in Tobruk zu keinerlei Konzessionen bereit sind. Und so frisst sich das Chaos immer tiefer in den Alltag des Landes. Die Devisenreserven sind von 108 Milliarden Dollar im Jahr 2013 auf unter 43 Milliarden gefallen. Ein Drittel der 6,4 Millionen Libyer sind nach Angaben der UN auf Lebensmittelhilfen angewiesen. Täglich fallen stundenlang Strom und Wasser aus, selbst Bargeld ist knapp.

Öl, Waffen, Flüchtlinge

In dieser aufgewühlten Lage könnte ein russisches Eingreifen die Bemühungen der Vereinten Nationen um einen Machtkompromiss weiter erschweren, um den sich seit anderthalb Jahren der deutsche UN-Sondergesandte Martin Kobler bemüht. Moskau sieht dessen diplomatische Mission skeptisch. Und General Haftar weigert sich, mit seinem Kontrahenten Serraj aus Tripolis überhaupt zu reden. Ein im Februar von Ägypten arrangiertes Spitzentreffen in Kairo ließ der Ex-General in letzter Sekunde platzen.

Für Moskaus Strategie im Nahen Osten dagegen ergäben sich aus dem Libyen-Dossier neue Optionen. Der Kreml könnte eine dauerhafte Militärpräsenz auf ägyptischem Boden etablieren. Im vergangenen Oktober hielten beide Armeen seit Jahrzehnten zum ersten Mal wieder gemeinsame Manöver ab. Gleichzeitig bekäme der Kreml Einfluss auf das innere Geschehen in Libyen und damit auf ein Land, das der Europäischen Union wegen der Migrantenwanderungen das meiste Kopfzerbrechen bereitet.

Zudem hofft Putin, wieder an alte Geschäftsbeziehungen wie unter Muammar Gaddafi anknüpfen zu können, als Libyens Diktator für Milliardensummen Waffen in Russland einkaufte. Der russische Energiegigant Rosneft unterzeichnete kürzlich einen Kooperationsvertrag mit der staatlichen libyschen Ölgesellschaft NOC. In Washington und Brüssel dagegen beobachtet man das Vorgehen Moskaus mit Sorge. "Russland will in Libyen einen auf Syrien machen", warnte kürzlich Thomas D. Waldhauser, Oberbefehlshaber der US-Truppen in Afrika, vor dem Verteidigungsausschuss des Senats. Gefragt von den Politikern, ob dies im amerikanischen Interesse sei, antwortete der General: "Nein, ist es nicht."



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