Das Schiff, das die Atombombe überstand

  23 März 2017    Gelesen: 4200
Das Schiff, das die Atombombe überstand
Dieses deutsche Kriegsschiff wollte und wollte nicht sinken: Der Kreuzer "Prinz Eugen" hielt den Zweiten Weltkrieg durch - und trotzte danach sogar Kernwaffen.
Eine riesige Flotte konzentriert die United States Navy am 1. Juli 1946 in der Südsee. Rund 100 Schiffe ankern im Bikini-Atoll - Flugzeugträger und Schlachtschiffe, Kreuzer und Unterseeboote, Zerstörer und Truppentransporter. An Bord befindet sich kein Mensch, aber Tausende Ziegen, Schweine, Ratten, Mäuse und Meerschweinchen.

Kurz vor neun Uhr wirft ein Bomber aus mehr als 8000 Metern Höhe über der Flotte eine Atombombe namens "Gilda" ab. Darauf hatten ein paar Spaßvögel ein Bild des Filmstars Rita Hayworth gekritzelt. Knapp 150 Meter über dem Wasser detoniert die Bombe, entfacht einen Feuersturm von rund 100.000 Grad Celsius und dazu eine gewaltige Druckwelle. Die Zerstörungskraft schmettert die "USS Gilliam" auf den Meeresgrund. Schiffe brennen, ihre Aufbauten werden deformiert.

Ein Schiff indes übersteht das nukleare Inferno fast unbeschadet: die "USS Prinz Eugen". Der Schwere Kreuzer, 1938 in Kiel vom Stapel gelaufen, sollte einst Hitlers Kriegsmarine zum Sieg verhelfen und diente nach Ende des Zweiten Weltkriegs den USA als Versuchsobjekt für Atomwaffentests. Diese Nachkriegsgeschichte erzählt der Autor Ingo Bauernfeind in seinem Buch "Prinz Eugen".

1938 wohnte Hitler persönlich in Kiel der Taufe des Kriegsschiffes bei, benannt nach dem habsburgischen Feldherren Prinz Eugen von Savoyen, der dem Osmanischen Reich 1697 eine vernichtende Niederlage zugefügt hatte. 1941 lief die "Prinz Eugen" zusammen mit dem Schlachtschiff "Bismarck" in den Atlantik aus. Mit ihrer Länge von mehr als 210 Metern und Geschützen vom Kaliber 20,3-cm sollte sie britische Handelsschiffe angreifen.

Rendezvous mit der Atombombe

Bald erhielt sie den Spitznamen "glückhaftes Schiff". Kurz bevor die "Bismarck" Ende Mai 1941 in einem Gefecht mit der Royal Navy mit mehr als 2000 Mann an Bord gesunken war, hatte sich die "Prinz Eugen" allein auf den Weg gemacht. Immer wieder trotzte der Kreuzer allen Luftangriffen und Torpedos, durchbrach 1942 die britische Blockade des Ärmelkanals Richtung Deutschland und diente später als Ausbildungsschiff, bis er in den letzten Kriegsmonaten Flüchtlingsschiffe über die Ostsee eskortierte.

Bei Kriegsende lag die "Prinz Eugen" in Kopenhagen vor Anker. Um das letzte größere Kriegsschiff der Deutschen stritten erbittert die Briten und Sowjets; die US Navy zeigte kaum Interesse. Am Ende entschied das Los - passenderweise aus einer Kapitänsmütze gezogen.

Gewinner dieser Kriegsbeute-Tombola waren ausgerechnet die Amerikaner. Und so wehte ab Anfang 1946 das Sternenbanner über der "Prinz Eugen", während ein Rest von rund 600 deutschen Seeleuten US-Offiziere und Matrosen in die Schiffstechnik einwies.

Die Ingenieure waren beeindruckt. Vorrichtungen wie die Unterwasserhorchanlage oder auch die Katapultvorrichtung für das bordeigene Flugzeug sollten später ausgebaut werden. Mittlerweile hatten die Amerikaner eine Aufgabe für die "Prinz Eugen" gefunden: Sie hatte ein "Rendezvous mit einer Bombe", wie das US-Navy-Magazin "All Hands" im April 1946 titelte.

"Mit Beklemmung in die Lagune"

Ende Januar 1946 ging die "USS Prinz Eugen" auf ihre letzte Fahrt. An der Anlegestelle in Boston wartete ein Heer von Journalisten. "Die Prinz Eugen hatte noch nicht ganz festgemacht, da versuchte ein Reporter, an Bord zu springen", erinnerte sich das frühere Besatzungsmitglied Franz Kapala.

Durch den Panamakanal erreichte der Kreuzer den Pazifik, am 1. Mai 1946 gingen die letzten deutschen Matrosen von Bord. Eine reine US-Besatzung steuerte das Bikini-Atoll an. Dort detonierte am 1. Juli 1946 "Gilda" über der Testflotte. Die Sprengkraft entsprach etwa 23.000 Tonnen TNT-Äquivalent.

"Operation Crossroads" (Scheidewege) hatten die Strategen die Testreihe getauft, "Able" den ersten Versuch nach dem ersten Buchstaben des damaligen US-Militär-Alphabets. Wie sich ein Atombombenangriff auf Lebewesen und Material auswirken würde, wollten Wissenschaftler mit Kameras und Messgeräten auf Schiffen, Inseln und Flugzeugen dokumentieren.



Ferngesteuerte Boote nahmen Wasserproben, um das Ausmaß der radioaktiven Kontaminierung zu ermitteln, während die Schiffe der Beobachtungsflotte in großer Entfernung warteten. Schließlich steuerten auch Menschen die Testflotte an, nachdem die radioaktiven Werte für akzeptabel erklärt worden waren.

Mulmig war den Männern trotzdem zumute. "Wir dampften mit etwas Beklemmung in die Lagune", sagte der spätere Konteradmiral Robert Conard. Die meisten Männer trugen keine Schutzkleidung. Sie löschten Brände, sammelten Messgeräte sowie lebende und tote Versuchstiere ein.

Atomisiert in Millisekunden

Die "Prinz Eugen" wirkte unversehrt. Sie befand sich außerhalb der Vernichtungszone, weil der Bomberpilot das eigentliche Ziel, die "USS Nevada", um gut 600 Meter verfehlt hatte. Deutlich näher am Explosionsort waren die Aufbauten der japanischen "Sakawa" geradezu zerfetzt worden.

Mit nur fünf gesunkenen Schiffen war die erwartete Massenvernichtung allerdings ausgeblieben. Daher reisten viele Journalisten kurzerhand ab. Und verpassten "Baker", den zweiten Test, der auf die "Prinz Eugen" und die anderen instandgesetzten Schiffe wartete.

Diesmal wurde eine Atombombe in einer Wassertiefe von 27 Metern gezündet. Am 25. Juli 1946 schoss eine Säule aus Millionen Litern Wasser kilometerweit in die Höhe. Das Landungsschiff, das direkt über dem Ort der Explosion ankerte, zerriss es in Sekundenschnelle.

Bis zu 30 Meter hohe Wellen überspülten die Inseln, noch in den USA wurde die Explosion als Erdbeben der Stärke 5,5 aufgezeichnet. Die Druckwelle ließ den Rumpf des Schlachtschiffs "Arkansas" bersten, auch der Flugzeugträger "Saratoga" sank mit schwersten Schäden. Alle Schiffe im näheren Umkreis erlitten gravierende Beschädigungen.

Bedrohung für das Meer

Die "Prinz Eugen", fast zwei Kilometer vom Explosionszentrum entfernt verankert, blieb bis auf wenige Dellen am Radar auch diesmal ungeschoren, war allerdings radioaktiv verseucht, wie die anderen Schiffe und wie das Bikini-Atoll. 600 Meter breit und neun Meter tief war der Krater, den der "Baker"-Test in den Boden gerissen hatte.

Anders als bei den Atoll-Inseln bemühten sich die Amerikaner um eine Dekontaminierung der Schiffe. 5000 Mann sollten sie mit Wasser, Lauge und Seife säubern. Taucher bargen derweil die Messgeräte der gesunkenen Schiffe.

Unterdessen liefen bereits die Vorbereitungen für "Charlie". Dieser dritte Test sollte indes niemals stattfinden. Bugdetkürzungen und Zweifel am Sinn der Testreihe beendeten die "Operation Crossroads". Man schleppte die "Prinz Eugen" zum benachbarten Kwajalein-Atoll, um dort ihre Radioaktivität weiter zu beobachten.

Kurz vor Weihnachten 1946 bekam die "Prinz Eugen" Schlagseite, wohl verursacht durch undichte Seeventile. Trotz aller Rettungsversuche sank der Kreuzer am 22. Dezember 1946. Bis heute ragt das Heck aus dem Wasser. Und trotz abgeklungener Strahlung bleibt eine Gefahr: Bis zu drei Millionen Liter Öl in den Treibstoffbunkern des verfallenden Schiffes bedrohen Mensch und Umwelt.

Quelle : spiegel.de

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