Verfahren gegen zwei Terrorverdächtige in Belgien

  17 November 2015    Gelesen: 548
Verfahren gegen zwei Terrorverdächtige in Belgien
Nach den Anschlägen von Paris hat die belgische Justiz gegen zwei Verdächtige Strafverfahren wegen ihrer mutmaßlichen Beteiligung an den Attentaten eröffnet. Den beiden werde ein "Terroranschlag und die Teilnahme an den Aktivitäten einer Terrorgruppe" vorgeworfen, teilte die Staatsanwaltschaft in Brüssel mit. Zuvor hatte es im Stadtteil Molenbeek einen Einsatz von Spezialeinheiten gegeben. Außerdem soll die niederländische Polizei unweit der belgischen Grenze zwei Menschen festgenommen haben. In einer martialischen Rede kündigte Frankreichs Staatschef François Hollande eine Verschärfung der Luftangriffe und eine strengere Sicherheitspolitik in Inneren an.
Zu den Namen der beiden Verdächtigen erklärte die Staatsanwaltschaft nichts. Fünf weitere Verdächtige, die am Wochenende festgenommen worden waren, wurden den Angaben zufolge ohne weitere Beschuldigungen auf freien Fuß gesetzt. Unter ihnen ist auch Mohamed Abdeslam, dessen Bruder Brahim sich in Paris bei einem der Anschläge in die Luft gesprengt hatte. Nach dem dritten Bruder Salah wird noch gefahndet: Der Staatsanwalt bestätigte, dass eine Razzia am Montag in Brüssel darauf abgezielt hatte, Salah Abdeslam festzunehmen. Am Ende sei niemand festgenommen worden.
Der Großteil der sieben Verdächtigen in Belgien war in Molenbeek festgenommen worden. Molenbeek gilt als Problemviertel. Unter den zahlreichen dort lebenden Muslimen gibt es eine radikale Minderheit.

Einer der Attentäter von Paris hatte nach belgischen Medienberichten Verbindungen zu einem berüchtigten IS-Dschihadisten aus Belgien, der auch als der Kopf hinter den vereitelten Anschlägen von Januar im ostbelgischen Verviers gilt. Der Name eines Selbstmordattentäters von Paris tauche in mehreren Strafverfahren aus den Jahren 2010 und 2011 zusammen mit dem von Abdelhamid Abaaoud auf, berichtete die flämische Zeitung "De Standaard". In Verviers war im Januar eine Islamistenzelle zerschlagen worden, die Anschläge auf die Polizei geplant haben soll.

Als Kopf der Verviers-Gruppe galt Abaaoud. Der 27-jährige Belgier mit marokkanischen Wurzeln, der in Molenbeek aufwuchs, soll in Syrien für die IS-Organisation gekämpft haben. Abaaoud ist in mehreren IS-Propaganda-Videos zu sehen. Im einem Video fährt er ein Auto, das vier verstümmelte Leichen hinter sich her zieht. In Belgien sorgten auch Fotos seines 13-jährigen Bruders für Aufsehen, auf denen der Junge mit Waffen posiert. Er soll seinem älteren Bruder nach Syrien gefolgt sein.

Abaaoud hatte genauso wie Brahim Abdeslam im Problemviertel Molenbeek gewohnt, das als eine Hochburg von gewaltbereiten Islamisten in Belgien gilt. Nach der Razzia in Verviers im Januar - wenige Tage nach den Anschlägen auf die Satirezeitung "Charlie Hebdo" in Paris - hatte Abaaoud in dem englischsprachigen IS-Magazin "Dabiq" versichert, dass es ihm gelungen sei, zurück nach Syrien zu gelangen. Bei dem Einsatz gegen die Verviers-Gruppe waren zwei mutmaßliche Extremisten getötet und 13 festgenommen worden.

Auf Videoaufnahmen niederländischer Medien sind Polizisten mit Sturmhauben sowie mindestens zehn Streifenwagen und Zivilfahrzeuge der Polizei bei einer Scheune in der Nähe der Kleinstadt Susteren, 30 Kilometer von Maastricht entfernt, zu sehen. Ein Polizeihubschrauber kreiste über dem Geschehen.

Die niederländische Nachrichtenagentur ANP berichtete, die Sprengstoffexperten setzten vor Ort einen Roboter ein. Mindestens einer von zwei Festgenommenen habe sich ausziehen müssen, schrieb ANP unter Berufung auf Augenzeugen. Ein in der Nähe des Geschehens ansässige Autohändler sagte der Nachrichtenagentur AFP, es sei "viel Polizei" vor Ort und die Beamten hätten das Gebiet abgeriegelt. Polizei und Staatsanwaltschaft waren zunächst nicht für eine Stellungnahme erreichbar.
Frankreichs Staatschef François Hollande will noch diese Woche ein Parlamentsvotum zur Verlängerung des nach den Anschlägen verhängten Ausnahmezustandes. In einer seltenen Ansprache vor den Senatoren und Abgeordneten forderte Hollande zudem eine Änderung der Verfassung, um den "Kriegs-Terrorismus" wirkungsvoll bekämpfen zu können. Zum Abschluss seiner Rede im Schloss von Versailles wurde die Nationalhymne angestimmt.

"Wir werden den Terrorismus auslöschen", sagte Hollande. "Unsere Demokratie hat über Feinde triumphiert, die in Wahrheit viel furchterregender waren als diese feigen Mörder." Die IS-Miliz solle "ausgemerzt" werden, sagte Hollande. Die Luftangriffe gegen den Islamischen Staat in Syrien würden "intensiviert". Syrien sei die "größten Fabrik von Terroristen in der Welt" geworden, sagte Hollande und beklagte eine fehlende internationale Einheit im Kampf gegen die Dschihadisten.

Um wirkungsvoll gegen den "Kriegs-Terrorismus" kämpfen zu können, sei aber auch eine Verfassungsänderung nötig, um leichter Sondermaßnahmen ergreifen zu können, sagte er. Hollande kündigte die Schaffung von 8500 neuen Stellen bei den Sicherheitsbehörden und in der Justiz an und will die Möglichkeiten ausweiten, wegen Terrorvergehen Verurteilten die französische Staatsbürgerschaft zu entziehen.

Aus der Türkei hieß es indes, Anakara habe die französischen Sicherheitsbehörden bereits vor rund einem Jahr vor einem der Selbstmordattentäter von Paris gewarnt. Die türkische Polizei habe die französische Polizei über Omar Ismail Mostefai "zwei Mal informiert, im Dezember 2014 und im Juni 2015", versicherte ein türkischer Regierungsvertreter der Nachrichtenagentur AFP. Allerdings habe es aus Frankreich bis zu den Anschlägen am Freitagabend keinerlei Reaktion gegeben.

Mostefai war einer der Angreifer im Pariser Konzertsaal Bataclan, in dem 89 Menschen getötet wurden. Der 29-Jährige hatte sich in dem Saal mit einem Sprengstoffgürtel selbst in die Luft gejagt. Er war der erste der sieben Attentäter, den die Polizei identifizierte. Der türkische Regierungsvertreter sagte AFP, Mostefai sei 2013 über die Provinz Edirne in die Türkei gelangt, die an Bulgarien und Griechenland grenzt. Über eine Ausreise hatte Ankara keine Hinweise.

Der UN-Sicherheitsrat gedachte mit einer Schweigeminute der Opfer der Anschläge von Paris. "Diese Attacken haben zum Verlust so vieler wertvoller Menschenleben geführt", sagte die britische Staatssekretärin für Entwicklungshilfe, Justine Greening, die das Treffen in New York leitete. Der Sicherheitsrat drücke seine tiefe Trauer und Empörung aus.

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