Pfeifen ist Silber, Schweigen ist Gold

  18 November 2015    Gelesen: 472
Pfeifen ist Silber, Schweigen ist Gold
Die türkische Fußball-Nationalmannschaft hat nach dem 0:0 im Test gegen Griechenland das Jahr 2015 ungeschlagen beendet. In zehn Spielen gelangen sieben Siege. Zudem qualifizierte sich das Team erstmals seit 2008 für eine Endrunde. Im Sommer geht es nach Frankreich zur EM. Das sind alles sehr gute Nachrichten und Balsam für die arg geschundene Seele des türkischen Fußball-Fans.

Doch wenn man demnächst auf das Jahr 2015 zurückblickt, werden neben diesen positiven Ergebnissen vor allem zwei Dinge in Erinnerung bleiben: Die Pfeifkonzerte während der Schweigeminuten in den Spielen gegen Island und eben Griechenland am gestrigen Abend.

Ich habe leider erst ab der 10. Minute eingeschaltet, doch noch während der ersten Halbzeit bekam ich mit, was vor dem Anpfiff geschehen war. Zunächst dachte ich, es handelt sich um einen Irrtum und die Meldungen beziehen sich auf das Spiel gegen Island, in dessen Vorfeld die Schweigeminute in Gedenken an die Opfer des Anschlags von Ankara mit Pfiffen und „Allahu Akbar“-Rufen bedacht worden war. Nein, zu meinem Entsetzen hatte es ein Teil der türkischen „Fans“ tatsächlich fertiggebracht, dieses Unding zu wiederholen.

Man kann denken, was man mag, aber dieses Verhalten ist einfach unmöglich. Wie soll man es erklären? Warum haben diese Fans gepfiffen während der Schweigeminute für die Toten von Paris? Und vor allem, warum pfiffen sie auch noch während der griechischen Nationalhymne? Wie wäre es, wenn andere pfeifen würden, wenn die türkische Nationalhymne abgespielt wird?

Terim und Arda fassungslos

„Kann man sich nicht eine Minute in Geduld üben?“, ereiferte sich Trainer Fatih Terim nach dem Spiel. Selbst die Bemühungen von Kapitän Arda Turan, der die Fans mit Handbewegungen auf ihr Fehlverhalten aufmerksam zu machen versuchte, waren vergeblich. Zwar verstummte ein Teil der Pfiffe, doch die Schlagzeilen waren schon längst gemacht.

Dann wird immer wieder gefragt, warum wir über solche Vorfälle schreiben. Es sei Verrat am türkischen Volk, die „Deutschen“ würden das mitlesen. Ich sage: Das Verhalten der Fans ist ein Verrat am türkischen Volk. Sich nicht benehmen zu können, nicht mal den nötigen Respekt vor Toten zeigen zu können, ist eine absolute Schande und wirft ein schlechtes Licht auf die Türkei und die Nationalmannschaft, die so gute Leistungen zeigt in den letzten Monaten. Und außerdem: Viele internationalen Medien haben bereits darüber geschrieben.

Für mich sind die türkischen Fans eine der besten Fangemeinschaften der Welt. Sie machen immer gute Stimmung und stehen hinter ihrem Team. Doch auf Fans wie gestern und vor einem Monat kann ich gerne verzichten.

Was hätten sie stattdessen tun können? Sie hätten sich ein Beispiel an den englischen und französischen Fans im Wembley-Stadion nehmen können, die gestern gemeinsam die Marseillaise sangen und so für Gänsehaut sorgten.

Mein Beileid an alle unschuldigen Opfer, die bei Terroranschlägen weltweit ihr Leben ließen. Ob in Paris, Beirut oder Ankara. Und in der Hoffnung, das auch nach Anschlägen, die nicht in London, Madrid oder Brüssel passieren, Schweigeminuten angesetzt werden.

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