In vielen europäischen Städten sind Systeme dieser Art längst Standard. Doch in Deutschland dümpelte der Markt lange vor sich hin. Nun wird nachgerüstet. Vor allem in Berlin kämpfen zwei Unternehmen um die Marktmacht.
In den vergangenen Jahren prägten die rot-silbernen Leihräder der Deutsche-Bahn-Tochter DB Connect das Berliner Stadtbild — gefördert mit Mitteln des Senats. 2015 verlor Deutsche Bahn Connect aber die Ausschreibung in der Hauptstadt und damit die öffentlichen Gelder.
Diese gehen seither an den Sieger der Ausschreibung, das Leipziger Leihrad-Unternehmen Nextbike. „Das war im Frühjahr für uns eine große Enttäuschung“, räumt ein DB-Sprecher ein. Die Konzerntochter musste ihre Leihstationen in der Hauptstadt zurückbauen.
Doch den Berliner Markt wollte die Bahn nicht aufgeben. Man löste sich vom stationsbasierten System und holte mit Lidl einen Sponsor an Bord. Die Räder wurden umlackiert und sind seither silber-grün. „3500 Zweiräder haben wir nun wieder auf den Straßen der Hauptstadt. An der Zahl wird sich auch erstmal nichts ändern.“
Nextbike produziert derweil im großen Stil seine eigenen Fahrräder in Leipzig und unterhält Leihrad-Flotten in zahlreichen europäischen und deutschen Städten. In Berlin will die Firma mit der Förderung des Senats laut einer Sprecherin innerhalb der nächsten zwei Jahre 5000 Leihräder mit festen Stationen installieren. „Wir starten erst noch mit dem regulären Betrieb“, sagt sie.
„In Berlin bedienen dann zwei Unternehmen ein und denselben Markt“, erklärt Tilman Bracher, Bereichsleiter unter anderem für Mobilität und Radverkehr am Deutschen Institut für Urbanistik. Er bezweifelt, dass so viele Leihräder überhaupt gebraucht werden.
Denn die Bundesrepublik hat bereits eine hohe Fahrraddichte. 73 Millionen Stück gab es 2016 nach Schätzungen des Zweirad-Industrie-Verbands in deutschen Haushalten — Tendenz steigend. Nahezu auf jeden Bundesbürger kommt damit ein Rad. Auch deshalb hat es lange gedauert, bis sich Leihradsysteme in den Großstädten etablierten. Die Angebote richten sich in erster Linie an Einwohner und Pendler — und nicht an fahrradlose Touristen.
Andere europäische Großstädte sind schon deutlich länger und mit größeren Fuhrparks dabei. „In Paris gibt es schätzungsweise 20.000 Leihräder, in London sind es immerhin 8.000“, sagt Bracher. So viele gebe es bislang in keiner deutschen Stadt. „Im Ausland ist die Ausgangslage aber auch eine ganz andere, weil es dort häufig viel weniger Haushalte mit eigenem Fahrrad gibt als in Deutschland.“
Doch lassen sich die heimischen Anbieter davon nicht mehr abschrecken. Nicht nur in Berlin sind sie inzwischen präsent: In Hamburg betreibt die Bahn ihren Leihrad-Fuhrpark in Kooperation mit der Stadt. Nextbike ist eine solche Partnerschaft unter anderen mit den Städten München und Köln eingegangen. In Berlin werde es bald in etwa so viele Leihräder geben wie in London, schätzt Bracher. „Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass die Räder genauso gut genutzt werden wie in der englischen oder französischen Hauptstadt.“ Mit Zahlen halten sich die Unternehmen allerdings zurück.
Für ein Fazit in Berlin sei es noch zu früh, sagt der Bahn-Sprecher. In anderen Städten ist der Konzern zufrieden. „In Hamburg hatten wir im vergangenen Jahr drei Millionen Fahrten bei einer Flotte von 2.450 Rädern.“ Allerdings seien die Zahlen nicht vergleichbar, weil die erste halbe Fahrtstunde in Hamburg kostenlos ist.
Und Nextbike? „Unsere Verleihzahlen in Polen zum Beispiel sind sehr viel höher als in Deutschland“, heißt es. In Deutschland seien neben den Verleih-Einnahmen auch die Vermarktung von Werbeflächen sowie die Verträge mit dem öffentlichen Nahverkehr eine wichtige Umsatzquelle. „Für uns läuft es aber etwa in Köln sehr rund“, erklärt Nextbike. Dort ist die Konkurrenzlage ähnlich wie in Berlin. Auch in der Domstadt betreibt die Bahn ein Leihrad-System auf eigene Kosten.
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