Frau auf Parkplatz getötet - „Sie war gelebte Integration“

  04 Mai 2017    Gelesen: 696
Frau auf Parkplatz getötet - „Sie war gelebte Integration“
Eine 38-jährige Mutter wird vor einem Supermarkt erstochen. Die Polizei zieht ein religiöses Motiv in Betracht - die Frau war vom Islam zum Christentum konvertiert. Es steckt aber offenbar mehr dahinter.
Der gewaltsame Tod einer vom muslimischen Glauben zum Christentum konvertierten vierfachen Mutter aus Afghanistan hat eine kontroverse Debatte über ein womöglich religiöses Motiv der Bluttat ausgelöst. Während die Polizei in ihre Ermittlungen sehr wohl einbezieht, dass das Opfer Christin war und der ebenfalls aus Afghanistan geflüchtete mutmaßliche Täter Muslim ist, verneint die evangelische Kirche einen religiösen Hintergrund.

Der Bürgermeister von Prien am Chiemsee, wo das Verbrechen geschah, will sich indes nicht an der Debatte über das Tatmotiv beteiligen. An diesem Donnerstag wird die Frau auf dem örtlichen Friedhof beerdigt.

Die 38-Jährige war am Samstagabend vor den Augen ihrer kleinen Kinder vor einem Supermarkt in der oberbayerischen Gemeinde niedergestochen worden. Sie starb wenig später im Krankenhaus. Die Mutter von zwei erwachsenen und zwei minderjährigen Söhnen hatte sich in der evangelischen Kirchengemeinde engagiert und galt als mustergültig integriert. Ein 29-Jähriger ist dringend tatverdächtig. Der laut Polizei geständige Mann wird in einer Nervenklinik behandelt.

„Anlass und Motiv der Tat sind beliebig austauschbar“

Priens evangelischer Pfarrer Karl-Friedrich Wackerbarth sucht das Motiv in der seelischen Erkrankung des mutmaßlichen Täters. „Ich tue mich schwer, das Verbrechen an unserem Gemeindemitglied als religiös motiviert zu sehen“, sagte der Seelsorger am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. „Anlass und Motiv der Tat sind beliebig austauschbar.“

In seiner Kirchengemeinde herrsche große Trauer, erläuterte Wackerbarth. „Ich hatte gehofft, dass so etwas nie bei uns passiert.“ Der Pfarrer machte aber auch klar, dass sich die Gemeinde intensiv um die evangelisch getauften Buben der Getöteten im Alter von fünf und elf Jahren kümmere. Nach Polizeiangaben sind die Kinder stark traumatisiert. Zwei erwachsene Söhne sind laut dem Pfarrer Muslime geblieben.

Auch Priens Bürgermeister Jürgen Seifert (parteilos) äußerte sich erschüttert. „Die Tat ist mit menschlichem Vermögen nicht zu fassen“, sagte der Rathauschef des 10.000 Einwohner zählenden Kurortes. Die Getötete „war gelebte Integration“, sagte Seifert. Die 38-Jährige sei ein lebensbejahender positiver Mensch gewesen, der sich in Kirche und Gemeinde einbrachte. „Ich kann mir nicht vorstellen, wie man einen Menschen offensichtlich deshalb umbringen kann.“

Mutmaßlicher Täter soll sich nach Ablehnungsbescheid seelisch verändert haben

Der Bürgermeister ergänzte, dass besonders im Helferkreis Asyl der Gemeinde große Trauer herrsche. Dies betreffe auch die Betreuer des mutmaßlichen Täters, mit dem es bisher „ein hervorragendes Auskommen gab“. Der seit 2013 in Deutschland lebende Afghane habe den Status eines geduldeten Flüchtlings gehabt. Er war in Prien zusammen mit anderen Migranten in einer Wohnung untergebracht. Erst seit dem Ablehnungsbescheid als anerkannter Flüchtling Ende 2016 habe sich der 29-Jährige seelisch verändert. Er sei seitdem mindestens zwei Mal stationär in psychiatrischer Behandlung gewesen, sagte Seifert.

Der Rathauschef will sich nicht an den Spekulationen zum Tatmotiv beteiligen: „Ich werde mich zu einem möglichen Motiv nicht äußern, solange die Ermittlungen nicht abgeschlossen sind.“ Sie dürften noch eine Weile dauern. Die Polizei sprach von schwierigen Ermittlungen, bedingt auch durch Sprachbarrieren. Die Kripo brauche zertifizierte Dolmetscher, um eine höchstmögliche Aussagegenauigkeit zu erzielen.

Der Tatverdächtige habe die tödlichen Messerstiche gestanden, sagte Polizeisprecher Andreas Guske. „Er machte bisher jedoch keine Angaben zu seiner Motivlage.“ Guske ergänzte, dass bei der Aufklärung der Tat „auch intensive Nachforschungen in Bezug auf eine mögliche religiöse Motivation“ angestellt würden. Eine Beziehungstat scheidet für die Kripo aus. Opfer und mutmaßlicher Täter hätten sich nur flüchtig gekannt. Die Mutter – sie kam vor sechs Jahren nach Deutschland – lebte mit ihren kleinen Kindern in einer eigenen Wohnung.

Die 38-Jährige wird am Donnerstag nach einer kirchlichen Trauerfeier auf dem Priener Friedhof beerdigt. Daran nehmen neben dem evangelischen und dem katholischen Pfarrer auch Bürgermeister Seifert und seine Stellvertreter teil.

Quelle : welt.de

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