Die größten Gegner dieses Teams stehen nämlich derzeit nicht auf der anderen Seite des Netzes, sondern sitzen in der Führungsetage des Deutschen Volleyball-Verbandes (DVV). Die Funktionäre haben das Team Borger/Kozuch in Brasilien abgemeldet, obwohl es genügend Weltranglistenpunkte für eine Startberechtigung hat. Es ist ein Politikum, das die Szene der Sandwühler in Atem hält. "Die Dinge sind nicht nur kurz davor, zu eskalieren, sie eskalieren schon", sagt Reiner Marwitz, der im Team als Projektmanager fungiert.
Mit der Zurückweisung erreicht ein Streit seinen vorläufigen Höhepunkt, der seit Monaten mit viel Vehemenz und wenig Niveau ausgetragen wird. Entzündet hat er sich an der Weigerung von Borger und Kozuch, nach Hamburg zu ziehen und am neuen Bundesstützpunkt zu trainieren. Die Abwehrspielerin Karla Borger, WM-Zweite von 2013, und Margareta Kozuch, ehemalige Spielführerin des Hallen-Nationalteams, bilden seit Ende des vergangenen Jahres ein Team und haben ihr Umfeld so aufgestellt, dass sie die meiste Trainingszeit in Teneriffa verbringen.
"Nicht bereit, ihre Komfortzone zu verlassen"
Das ist nicht im Sinne des DVV, dessen neues Konzept vorsieht, alle Nationalduos und die Perspektivspieler in der Hansestadt zu konzentrieren. Eine Ausnahmeregelung wurde lediglich den Olympiasiegerinnen Laura Ludwig und Kira Walkenhorst eingeräumt. Diese sogenannte "Insellösung" reklamieren jedoch auch Borger/Kozuch für sich, worauf sich die Funktionäre nicht einlassen wollen. Andreas Künkler, der als Vizepräsident Sport beim DVV für die Sparte Beachvolleyball verantwortlich zeichnet, wirft Borger/Kozuch "eine gewisse Bequemlichkeit" vor: "Sie sind nicht bereit, ihre Komfortzone zu verlassen." Dagegen verwahrt sich Karla Borger: "Das Urteil ist krass. Ich arbeite seit Jahren professionell und habe das mehr als einmal nachgewiesen."
Die Verbandspolitik, Athleten zu zwingen, an einem Standort zu trainieren, sieht Kay Matysik kritisch. Der WM-Dritte von 2013, bis letztes Jahr Sprecher der deutschen Beachvolleyballer, sagt: "Du kannst nicht Athleten, die sich jahrelang selbstverantwortlich organisiert haben, ein solches System mit der Brechstange aufpfropfen." Das neue Konzept wurde den Athleten zwar vorgestellt, doch es wurde versäumt, die Vorzüge des Standorts Hamburg entsprechend zu moderieren. In der Kritik steht vor allem DVV-Präsident Thomas Krohne. Der Geschäftsmann aus München herrscht seit fünf Jahren mit kaltem Pragmatismus über die Geschicke der Volleyballer, die Athleten werfen ihm mangelnde Empathie und fehlendes Einfühlungsvermögen vor. Für Unverständnis sorgt vor allem der Umgang mit Margareta Kozuch: 336 Länderspiele, Champions-League-Gewinnerin, fünfmalige Volleyballerin des Jahres und als Spielführerin der Hallen-Nationalmannschaft ein vielfach vorgezeigter Leuchtturm der Szene. Nun, da die 30-Jährige ihre neue Karriere im Sand anschieben will, wird sie von dem Verband aufs Abstellgleis geschoben, der sich vorher so gern mit ihr geschmückt hat. "Dieser Umgang", sagt Marwitz, "ist erbärmlich."
Atmosphäre "angespannt und belastet wie noch nie"
Längst sind die Fronten verhärtet. Zunächst verweigerte der DVV dem Duo Borger/Kozuch den Status als Nationalteam, nun folgte der nächste Schritt. "Wir haben nun mal nur vier Spots", betont Jörg Ziegler, Generalsekretär des DVV: "Und die vergeben wir bevorzugt an unsere Nationalteams." Ein rechtlich fragwürdiges Vorgehen, findet Matysik, der betont: "Die Regularien des Weltverbandes FIVB besagen eindeutig, dass die nationalen Verbände ihre punktbesten Teams nominieren müssen." Ganz so klar liegen die Dinge allerdings nicht, in seinen "Entry Regulations" behält sich der FIVB unter Punkt 8.4 bei Härtefällen ausdrücklich vor, am Ende selbst zu entscheiden, welchen Teams er eine Starterlaubnis erteilt.
Einen Präzedenzfall mit der Klage einer Athletin gab es bereits in Italien. Dort setzte die Beachvolleyballerin Greta Cicolari vor Gericht Schadenersatzansprüche durch, weil der nationale Verband sie nicht für internationale Turniere nominiert hatte. Ein ähnliches Szenario droht nun erneut. "Wir prüfen rechtliche Schritte gegen den DVV", sagt Marwitz. Die nächste Eskalationsstufe steht also bevor, längst färbt die schlechte Stimmung auf die gesamte Szene ab. Beim Saisonauftakt der deutschen Tour in Münster empfand Beachprofi Alexander Walkenhorst die Atmosphäre als "angespannt und belastet wie noch nie". Der Bruder von Olympiasiegerin Kira Walkenhorst spricht von einer "tickenden Zeitbombe".
Doch bis zur Explosion muss es ja nicht kommen: "Die Tür ist nicht zu", gab DVV-Generalsekretär Ziegler der Spielerin Karla Borger auf dem Schlossplatz mit auf den Weg. Das klingt zumindest nach dem vorsichtigen Versuch einer Annäherung. Allerdings ist in den letzten Monaten so viel Porzellan zerschlagen worden, dass es jede Menge Mühe kosten dürfte, all die Scherben aufzulesen, die in den Sand gefallen sind.
Quelle: n-tv.de
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