Kein Zufall, dass es ein Ariana-Grande-Konzert traf

  23 Mai 2017    Gelesen: 1118
Kein Zufall, dass es ein Ariana-Grande-Konzert traf
Der Anschlag in Manchester galt den Besuchern des Konzerts von Ariana Grande. Das war kein Zufall. Die Popsängerin verkörpert den westlichen Zeitgeist mit seiner Wertepluralität wie kaum eine andere.
Jetzt ist der Terror im Pop angekommen. Dass der Anschlag von Manchester, bei dem mindestens 22 Menschen gestorben sind, ausgerechnet ein Konzert der US-Sängerin Ariana Grande getroffen hat, ist kein Zufall. Grande verkörpert die Popmusik der Gegenwart und damit auch den westlichen Zeitgeist wie kaum eine andere Künstlerin. Das mag zunächst ein bisschen übertrieben klingen, wenn man die gerade 23-Jährige mit dem auffälligen Pferdeschwanz das erste Mal sieht und hört, doch es ist schwer, eine passendere Figur für diesen Titel zu finden. Völlig unabhängig von der Musik der Sängerin.

Grande ist einer der größten Popstars unserer Zeit, auch wenn die meisten über 25 kaum etwas von ihr mitbekommen. Sie ist die erste Musikerin, die es geschafft hat, jede Single ihrer bisherigen drei Alben in den Top Ten der amerikanischen Billboard-Charts zu platzieren. All ihre Musikvideos wurden zusammen mehr als sieben Milliarden Mal angeschaut. Grande hat mehr als 100 Millionen Follower auf Instagram. Und sie belegt Platz 17 der am meisten gefolgten Twitter-Persönlichkeiten. Sie ist ein Star für die Generation, die in einer Welt aufwächst, in der soziale Medien nichts Neues sind, sondern seit Geburt an Alltag.

Damit ist sie auch auf der ganzen Welt zu empfangen. Von Peking über Kabul bis Caracas. Die meist jugendlichen Fans finden einen Weg, der Amerikanerin mit den italienischen Wurzeln zu folgen, ihre Nachrichten zu empfangen und sie zu hören. Daran können sie auch Internetsperren nicht hintern. Die Digital Natives finden einen Weg. Grande ist nicht mehr abhängig von Musikzeitschriften oder -sendern wie es ihre Vorgängerinnen wie Britney Spears und Christina Aguilera vor zehn oder fast 15 Jahre noch waren. Die Sängerin ist ein omnipräsentes Beispiel westlicher Wertepluralität, die knappe Outfits mit knallhartem Feminismus verbindet.

Eine Stimme, die vier Oktaven umfasst

Musikalisch ist Grande eher eklektisch. Von süßlichem Teen-Pop über elektrisch verstärkte R-’n’-B-Balladen mit Rap-Unterstützung bis hin zu treibenden Dancefloor-Hits findet sich auf ihren Alben alles. Beeindruckend ist jedoch die Stimme der reichlich 1,50 Meter großen Sängerin, die ganze vier Oktaven umfasst und ihr Vergleiche mit Whitney Houston eingebracht hat.

Am Anfang ihrer Karriere hat sie auf YouTube Videos mit Imitationen ihrer Vorbilder Judy Garland, Shakira und Katy Perry veröffentlicht und bewiesen, dass sie vom rauchigen Shakira-Sound zum klirrenden Céline-Dion-Sopran alles beherrscht. Ein Hobby, dem sie übrigens auch heute noch nachgeht, zum Beispiel in der Late-Night-Show von Jimmy Fallon oder der Comedy-Sendung „Saturday Night Live“.

Doch der Lolita-Charme, den die zierliche Sängerin ausstrahlt, täuscht. Grande, geboren als Ariana Grande-Butera im US-Bundesstaat Florida, wurde wie ihre Kolleginnen Britney Spears, Christina Aguilera und später auch Miley Cyrus im Kinder- und Jugendfernsehen berühmt. Mit 16 spielte sie in der Nickelodeon-Highschool-Serie „Victorious“ die Rolle des singenden Sidekicks Cat Valentine. Davor stand sie bereits im Alter von 13 Jahren am Broadway in New York auf der Musicalbühne.

2010 begann Grande, Vollzeit an ihrer Musikkarriere zu arbeiten. Drei Jahre später erschien ihr Debüt „Yours Truly“, noch mit eher süßlichen Melodien. 2014 veröffentlichte sie „My Everything“, ein Album, mit dem sie sich von ihrem Teenie-Alter-Ego emanzipiert hat. Gerade ist die Sängerin mit ihrem jüngsten Album, „Dangerous Women“, auf Welttournee. Manchester war das zweite von drei Konzerten in Großbritannien.

Auch Grande durchläuft damit die üblichen Stufen des öffentlichen Erwachsenwerdens weiblicher Popstars. Sie musste sich rechtfertigen, als sie die züchtige Kleidung eines Kinderstars gegen ihre kurzen Bühnenoutfits eingetauscht hat. Es gab diverse Berichte, die ihr vorgeworfen haben, sie benehme sich wie eine Diva. Und dann tauchte auch noch ein Video auf, in dem sie in einer Bäckerei einen Donut in der Auslage anleckt und dann aber nicht mitnimmt. Erwachsenwerden eben.

Doch anders als viele ihrer Vorgängerinnen hat Grande nie die Kontrolle über ihr öffentliches Bild abgeben müssen. Während Spears oder Aguilera noch vom guten Willen der Klatschpresse abhängig waren, um ihr Image wieder geradezurücken, hat Grande ein eigenes Soziale-Medien-Imperium, das sie äußerst intelligent zu nutzen weiß.

Mit aufklärerischer Wucht gegen Engstirnigkeit

Sämtliche Vorwürfe, ihre Musik und ihre Kleidung seien übersexualisiert, kontert die Sängerin mit aufklärerischer Wucht. Auf Twitter schrieb sie im vergangenen Jahr: „Der Ausdruck von Sexualität in der Kunst ist keine Einladung zu Respektlosigkeit ... genau wie ein kurzer Rock keine Einladung für einen sexuellen Übergriff ist.“

Und als ausgerechnet Bette Midler Ariana Grande in einem Interview wegen ihrer Outfits als „Hure“ bezeichnete, antwortete die Sängerin: „Bette ist als Feministin immer dafür eingestanden, dass Frauen tun können, was zum Teufel sie wollen, ohne dafür verurteilt zu werden.“ Sie sei sich nicht sicher, was aus dieser Bette geworden sei, „aber ich wünsche mir diese sexy Meerjungfrau zurück“.

Ariana Grande mag nicht den Musikgeschmack von allen treffen, aber sie propagiert weltweit das Bild einer unabhängigen Frau, die sich nicht gängeln lässt. Ein Bild, mit dem gerade die jungen Fans überall aufwachsen. Aber auch ein Bild, das nicht überall auf der Welt gutgeheißen wird.

Quelle : welt.de

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