Russland würde die Türkei nicht schützen“

  01 Juni 2017    Gelesen: 511
„Russland  würde die Türkei  nicht schützen“
Grünen-Politiker Nouripour hält die Absage des Nato-Gipfels in Istanbul für Symbolpolitik – die Bundesregierung müsste Rechtsverletzungen stärker kritisieren. Türkische Medien zählen Türkei-Gegner im Westen.
Die Grünen fordern nach der Entscheidung, den Nato-Gipfel 2018 nicht in der Türkei abzuhalten, deutlichere Signale der Bundesregierung an die Türkei. „Letztlich ist das Symbolpolitik. Sie ist nicht falsch, aber nicht ausreichend. Die Bundesregierung muss klar formulieren, dass der Rechtsstaat und die Demokratie in der Türkei ausgehöhlt werden“, sagte der außenpolitische Sprecher der Partei, Omid Nouripour, der WELT. Grundsätzlich begrüßte er allerdings die Absage. „Es ist gut und wichtig, dass die Bundesregierung etwas dagegen tut, dass Erdogan sich selbst inszenieren kann“, so Nouripour.

Ähnlich äußerte sich auch der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold. „Das ist eine notwendige Entscheidung. Die Herrschenden in der Türkei darf man durch solche Gipfel nicht aufwerten“, sagte Arnold dieser Zeitung. Die Absage eines Nato-Gipfels in der Türkei tue Erdogan weh. „Denn die Nato ist die letzte internationale Gruppe, in der die Türkei auf Augenhöhe ist“, so Arnold.

Der SPD-Politiker wertete die Nato-Entscheidung auch als Reaktion auf die Probleme, die Deutschland im Zusammenhang mit den von der Türkei untersagten Besuchen deutscher Parlamentarier am Luftwaffenstützpunkt Incirlik hat. „Es war falsch, dass die Nato dies lange als bilaterales Problem zwischen Deutschland und der Türkei angesehen hat. Das geht aber alle Nato-Partner an“, kritisierte der SPD-Politiker.

Die Gefahr, dass die Türkei sich noch stärker Russland zuwenden könnte, sieht Arnold indes nicht. „Das ist eine hohle Drohung. Russland würde die Türkei nicht schützen. Auch haben beide Länder im Nahen Osten zu unterschiedliche Interessen, als dass sie gute Bündnispartner abgeben könnten“, so Arnold.

„Enttäuschend für Erdogan“

Die türkischen Medien berichteten unterdessen intensiv über die Absage aus Brüssel. Bei den wenigen verbliebenen regierungskritischen Medien wie etwa das säkulare Oda TV wird dabei die Betonung weniger auf Deutschland, sondern auf die Zahl der Türkei-Gegner in der Nato gelegt: „Mindestens fünf Länder“ seien gegen eine Abhaltung des Gipfels in der Türkei, heißt es unter Bezug auf die WELT auf der türkischen Internetseite von Oda TV. Es wird betont, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan erst vergangene Woche auf dem Nato-Gipfel in Brüssel war – und dieses Ergebnis sei enttäuschend für den türkischen Staatschef.

Der Widerstand aus Berlin gegen einen Nato-Gipfel in Istanbul im kommenden Jahr hat die Entscheidung in Brüssel maßgeblich beeinflusst. Die Nato-Länder sehen die Türkei wegen der Verletzung demokratischer Grundfreiheiten zunehmend skeptisch. Besonders viele Spannungen gibt es aber zwischen Deutschland und der Türkei.

Die Gründe dafür sind vielfältig: die Inhaftierung des WELT-Korrespondenten Deniz Yücel, die Bezeichnung Deutschlands durch Erdogan als „faschistisch“ und die Weigerung deutscher Behörden, Wahlkampfauftritte türkischer Politiker zuzulassen. Zuletzt weigerten sich die türkischen Behörden zudem, deutschen Parlamentariern einen Besuch bei Bundeswehrsoldaten auf dem türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik zu erlauben – obwohl beide Länder zur Nato gehören und die deutschen Soldaten dort sind, um die Türkei zu schützen.

Außenminister Mevlüt Cavusoglu bekräftigte zuletzt am Dienstag, dass ein Besuch deutscher Bundestagsabgeordneter in Incirlik „zurzeit“ weiterhin ausgeschlossen sei, solange es keine „positiven Schritte“ von Deutschland gebe. Damit meinte er offenbar vor allem die von der Türkei geforderte Auslieferung von Militärangehörigen und Beamten, die in Deutschland Asyl beantragt haben.

Ankara bezichtigt sie, einer sogenannten Fethullah-Gülen-Terrororganisation (FETÖ) anzugehören, an deren Existenz westliche Geheimdienste aber nicht glauben. Zugleich erklärte Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan erneut, die Türkei werde keine Verdächtigen an westliche Länder ausliefern, solange diese nicht „Gülenisten“ an die Türkei ausliefern.

Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) wird am 5. Juni in der Türkei erwartet, um die Spannungen zu entschärfen.


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