Wegen des Anschlags mit mindestens 90 Toten und Hunderten Verletzten verschob die Bundesregierung einen für Mittwoch geplanten Abschiebeflug nach Afghanistan. Bundesinnenminister Thomas de Maizière will aber weiter abgelehnte Asylbewerber zurückschicken. Der CDU-Politiker sagte, angesichts des Anschlags hätten die Mitarbeiter der Botschaft in Kabul derzeit Wichtigeres zu tun als sich mit Abschiebungen zu beschäftigen. "Deshalb habe ich entschieden, diesen Flug abzusagen. Er wird aber baldmöglichst nachgeholt."
Unionsfraktionsvize Stephan Harbarth sagte der "Rheinischen Post": "Es gibt Provinzen und Distrikte, in denen die Lage vergleichsweise sicher und stabil ist." Auch SPD-Innenexperte Burkhard Lischka sprach von "relativ sicheren" Gegenden in Afghanistan. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann von der CSU sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, Abschiebungen nach Afghanistan seien "immer noch zumutbar".
Zweifel daran äußerte Bremens Bürgermeister Carsten Sieling. "Der grausame Anschlag in Kabul macht es aus meiner Sicht zwingend, dass die Bundesregierung ihre Sicherheitseinschätzung überprüft", sagte der SPD-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Ähnlich äußerte sich die sozialdemokratische Bundesratspräsidentin Malu Dreyer. Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, sprach sich für einen zumindest zeitweisen Abschiebestopp aus. "Im Augenblick sind Abschiebungen nach Afghanistan nicht zu verantworten. In diesem Land können die Menschen nirgendwo sicher leben", sagte er der "Passauer Neuen Presse".
"Blanker Zynismus"
Der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour kritisierte die Bundesregierung. "Das ist blanker Zynismus", sagt Nouripour n-tv.de. Abschiebungen an den Hindukusch hält er angesichts des Terrors der Taliban und des Islamischen Staates für unverantwortlich. "Es ist offenkundig, dass die afghanischen Sicherheitskräfte bei allen Fortschritten noch nicht so weit sind, die Sicherheit im Land alleine zu garantieren." Pro Asyl forderte einen kompletten Stopp von Abschiebungen nach Afghanistan und eine Freilassung möglicher Abschiebehäftlinge aus dem Land.
Unklar war, ob der Anschlag der deutschen Botschaft galt. "Im Moment haben wir dazu noch kein vollständiges Lagebild", sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes. In dem Viertel liegen in unmittelbarer Nähe noch andere Botschaften, der Präsidentenpalast, das Nato-Hauptquartier und viele afghanische Ministerien.
Bei dem massiven Anschlag mit einer Lastwagenbombe gab es nach Angaben des afghanischen Gesundheitsministeriums neben den vielen Todesopfern auch rund 460 Verletzte. Laut einer Sprecherin des Auswärtigen Amtes wurden eine deutsche Diplomatin leicht und eine afghanische Mitarbeiterin der Botschaft schwer verletzt. Ein afghanischer Wächter wurde getötet. Das Hauptgebäude der Botschaft wurde massiv beschädigt.
Unklar war zunächst, wer hinter der Tat steckt. Die radikalislamischen Taliban ließen verlauten, sie seien es nicht gewesen. Ähnliche Anschläge hatte zuletzt die Terrormiliz Islamischer Staat für sich reklamiert. Aber auch auf den üblichen IS-Kanälen gab es kein Bekenntnis.
Die Bombe war am Mittwochmorgen (Ortszeit) an einer vielbefahrenen, engen Straße explodiert. Viele Menschen waren dort gerade auf dem Weg zur Arbeit. Innenministeriums-Sprecher Nadschib Danisch sagte, die Attentäter hätten den Sprengstoff in einem Tanklastwagen versteckt. Die Wucht der Explosion habe mindestens 50 Fahrzeuge zerstört. Bilder zeigten ausgebrannte Autowracks, versengte Bäume, mit Geröll übersäten Asphalt und einen mehrere Meter tiefen Krater nahe der deutschen Botschaft.
Quelle: n-tv.de , mbo/dpa
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