Was passiert jetzt mit Katars Sport-Milliarden?

  09 Juni 2017    Gelesen: 1220
Was passiert jetzt mit Katars Sport-Milliarden?
Fußball, Leichtathletik, Handball - fast jeder Sportverband plant in Katar ein Turnier. Angesichts der politischen Krise sind milliardenschwere Investitionen in Gefahr.
Als der Kugelblitz ein Wüstensohn werden wollte, dachten viele an einen Scherz. 2004 sorgte der ehemalige Bundesliga-Angreifer Ailton für Gelächter und Kopfschütteln unter den Fans. Künftig, so verkündete der gebürtige Brasilianer, wolle er vielleicht für die Nationalmannschaft Katars auflaufen. Ailton hatte den Traum von der Teilnahme an der WM 2006 - und wollte natürlich auch Geld verdienen: Eine Million sollte er als Prämie sofort bekommen, zusätzlich noch 400.000 Euro im Jahr.

Doch die Fifa wurde zum Spielverderber. Ohne Bezug zum Land dürfe ein Fußballer nicht einfach dessen Staatsbürgerschaft annehmen. Das entspreche nicht dem "Sinn und Zweck" der Statuten, teilte der damalige Präsident Joseph Blatter mit. Auch dem Dortmunder Dedé wurde ein Engagement für Katar untersagt. "Dass sich ein Land eine Nationalmannschaft zusammenkauft, ist nicht im Sinne des Fußballs und widerspricht auch dem fairen Wettbewerb", sagte BVB-Manager Michael Zorc damals.

Ailton, Dedé - die Episode wirkt wie aus einer anderen Zeit, doch sie ist auch heute noch aktuell. Das Emirat Katar mischt kräftig mit auf dem Sportmarkt. Mit enormen finanziellen Anstrengungen - und Erfolg, wie die Vergabe der Fußball-WM 2022 gezeigt hat. Das Geld der Scheichs ist beliebt in der Welt des Sports, Barcelona spielte jahrelang mit "Qatar Airways" auf der Brust, 100 Millionen Euro brachte der Deal. Der FC Bayern absolviert sein Trainingslager in Katar.

Sportevents en masse

Doch Katars erkaufte Stellung in der Sportwelt ist bedroht: Nachdem Saudi-Arabien und weitere arabische Staaten alle diplomatischen Beziehungen zu Katar abgebrochen haben, steht das Land isoliert da. Dem Golf-Emirat wird unter anderem die Unterstützung von Terrororganisationen vorgeworfen. Deutsche Spitzenpolitiker stellen Katars Rolle als WM-Gastgeber infrage. Eine Verlegung in ein anderes Land wäre für den langfristigen Plan Katars ein Desaster.

Bereits 2008 wurde die sogenannte "Qatar National Vision 2030" verkündet, dort heißt es: "Sie soll Katar in ein fortschrittliches Land transformieren, die Entwicklung vorantreiben und den hohen Lebensstandard auch für kommende Generationen erhalten." Eine aktive und sportliche Gesellschaft solle gefördert werden, und, ganz wichtig: "Sportevents auszurichten verbessert das regionale und internationale Image", hieß es aus dem Entwicklungsministerium.

Nicht nur die Fifa, auch andere Sportverbände werden die Entwicklungen am Golf genau verfolgen. Denn Sportveranstaltungen finden mittlerweile en masse in dem Wüstenstaat statt, die Fußball-WM 2022 ist da nur das prominenteste. Squash, Billard, Schwimmen, Handball, Boxen: Eine WM pro Jahr war das Ziel Katars, und so ist es gekommen. Im vergangenen Jahr wurde die Weltmeisterschaft im Straßenradsport dort ausgetragen, 2019 kommt die Leichtathletik-WM. Selbst Golf findet regelmäßig in der nicht gerade sattgrünen Region statt, das Qatar Masters ist fester Bestandteil der European Tour. Der Sport ist in dem Land sehr beliebt, für internationales Aufsehen sorgt seit einigen Jahren Yasmian Al Sharshani: Sie ist die einzige Frau in der katarischen Golf-Nationalmannschaft und überhaupt eine von ganz wenigen registrierten muslimischen Golferinnen. Ihr großes Ziel, die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Rio, verpasste sie aber.

"Braune Umschläge voller Bargeld"

Bislang war das größte Risiko für Katar der stets im Raum stehende Verdacht der Korruption. Nicht nur im Zusammenhang mit der WM-Vergabe gab es Gerüchte und Untersuchungen, die von Katar-Seite zurückgewiesen wurden - die Fifa konnte nichts finden. Auch die Leichtathletik-WM steht unter Verdacht, der Präsident des britischen Verbands UK Athletics sprach einst von "braunen Umschlägen voller Bargeld", die am Rande der WM-Vergabe verteilt wurden.

Doch dubiose Zahlungen von immensen Geldmengen sind im Weltsport kein Grund für Aktionismus. Schließlich profitieren viele Verbände und auch Einzelpersonen von den finanziellen Zuwendungen. Mit einem auf fünf Jahre angelegten Sponsoringpaket in Höhe von rund 30 Millionen US-Dollar konnte etwa der Leichtathletik- Weltverband überzeugt werden, die WM nach Katar zu vergeben.

Die immer wieder öffentlich geäußerte Kritik von Sportlern und Fans über die Vergabe-Entscheidungen zeigte zwar die Empörung und das Entsetzen - ausgetragen wurden die Sportveranstaltungen dann aber doch. Das konnten auch Berichte über das Dauerthema Menschenrechte und Arbeitsbedingungen, das Katar spätestens seit der Vergabe der Fußball-WM immer wieder einholt, nicht ändern.

Handball-Erfolg mit eingebürgerten Osteuropäern

Trotz all der Widrigkeiten ging Katar bislang seinen Weg. Auch die Idee der Einbürgerung von Sporttalenten hat mittlerweile Erfolg. Bei der Heim-WM der Handballer sorgte die Nationalmannschaft mit zahlreichen eingebürgerten Osteuropäern und bezahlten Fans sportlich für Furore, das Team verlor erst im Finale gegen Frankreich. Die Suche nach Talenten ist mittlerweile hoch professionell: Mit der "Aspire Academy" gibt es ein modernes Trainingszentrum in der Hauptstadt Doha, zudem einen Standort im Senegal. Kein Talent, ob aus Katar oder anderswoher, soll unentdeckt bleiben.

Doch mit der Eskalation am Golf ist die Lage unsicher geworden. Wie sich das Engagement Katars angesichts der aktuellen politischen Lage weiterentwickeln wird, ist schwer vorherzusagen. Im äußersten Fall muss sich der Weltsport eine neue Heimat für seine Events suchen.

Nicht viele Sportler und Fans würden das wohl bedauern.

Quelle : spiegel.de

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