Alle Zeichen stehen auf Macron

  18 Juni 2017    Gelesen: 614
Alle Zeichen stehen auf Macron
Frankreich steht vor der entscheidenden Runde der Parlamentswahl - doch das Ergebnis steht für Beobachter längst fest. Die Frage sei nicht mehr, ob Emmanuel Macron und seine Partei "La République en Marche" die Mehrheit gewinnen, sondern wie groß sie sein wird.
Es sieht gut aus für Emmanuel Macron. Geht man von den Umfragen aus, steht Frankreichs neuer Staatschef vor einem Erdrutschsieg in der zweiten Runde der Parlamentswahl am heutigen Sonntag. Zwei führende Meinungsforschungsinstitute prophezeien seiner Partei "La République en Marche" zusammen mit der verbündeten Zentrumspartei MoDem zwischen 440 und 470 der 577 Abgeordnetenmandate. Das würde bedeuten, dass sich der sozialliberale Hoffnungsträger in der Nationalversammlung künftig auf eine komfortable Dreiviertelmehrheit stützen kann. In der Geschichte der Fünften Republik hat es das nur einmal gegeben - unter Charles de Gaulle. Eine Machtfülle, die nicht allen Franzosen geheuer ist.

Tatsache ist, dass Macron diese Mehrheit dringend braucht, wenn er die ehrgeizigen Reformen, die er im Wahlkampf angekündigt hat, umsetzen will. Immerhin hat er sich nichts weniger zur Aufgabe gemacht, als Frankreichs lahmende Demokratie umzukrempeln. Einen Vorgeschmack auf das, was auch die politische Elite im Land zu erwarten hat, gaben der Präsident in der vergangenen Woche. Ein neues Reformpaket soll Parlamentariern künftig Moral per Gesetz verordnen. Es gehe darum, "das Vertrauen wieder herzustellen", sagte Regierungssprecher Christophe Castaner. Enthalten ist unter anderem das Verbot für Abgeordnete, nahe Familienmitglieder als Mitarbeiter zu beschäftigen.

Für sein Prestigeprojekt hätte sich Macron kaum einen besseren Zeitpunkt aussuchen können - denn anders als vieles, was der 39-Jährige ebenfalls auf seine Agenda gesetzt hat, ist das "Saubermann"-Gesetz, wie es bereits scherzhaft genannt wird, durchaus populär unter den Franzosen. Das liegt nicht zuletzt an der Scheinbeschäftigungsaffäre um François Fillon, die geradezu als Paradebeispiel für die Hybris der politischen Kaste gewertet wurde - und den Konservativen womöglich auch die Präsidentschaft kostete. Der Ärger darüber ist noch nicht ganz verraucht. Und Macron will mit seinem Gesetzesvorstoß beweisen, dass er Wort hält, auch wenn er erst einmal ganz oben aufräumen muss.

Rekord-Mehrheit kein Grund zur Euphorie

Justizminister François Bayrou, der das Gesetzespaket immerhin ausgearbeitet hat, steht inzwischen selbst wegen Vorwürfen der Scheinbeschäftigung im Fokus der Pariser Staatsanwaltschaft. Dies hat bisher weder dessen Partei MoDem noch Macron geschadet. Viele Franzosen sind offenbar dazu bereit, dem neuen Präsidenten nicht nur einen gewaltigen Vertrauensvorschuss, sondern auch ihre Stimme zu schenken - und das, obwohl ihnen bewusst sein muss, dass sowohl die geplante Wirtschafts- als auch die Arbeitsmarktreform schmerzhafte Einschnitte bedeuten. Macron kann sich auf weit mehr Loyalität stützen, als früheren Staatschefs entgegengebracht wurde.

Von Euphorie kann dennoch kaum die Rede sein: Zwar sagen die Umfrageinstitute eine Rekordmehrheit für Macrons "La République en Marche" voraus, mit rund 46 Prozent prognostizieren sie aber auch eine historisch niedrige Wahlbeteiligung. Sich diese Zahl allein damit zu erklären, dass die politischen Gegner des Präsidenten ohnehin als chancenlos gelten und deshalb viele Franzosen keine Notwendigkeit für den eigenen Gang zur Urne sehen, greift sicherlich zu kurz. Denn nicht nur die kleineren Parteien, auch Verfassungsrechtler kritisieren seit längerem, dass die Stimmverhältnisse durch das Mehrheitswahlrecht in Frankreich verzerrt werden.

Wird Macron an Mehrheitswahlrecht rütteln?

Mit dem Wahlrecht ist auch zu erklären, dass die rechtspopulistische Front National im ersten Wahlgang auf 13 Prozent kam, letztlich aber weniger als fünf Sitze in der Nationalversammlung gewinnen dürfte. Viele Franzosen empfinden das als undemokratisch - und entscheiden sich womöglich auch deshalb dazu, die Wahl zu boykottieren. Macron, der die Nationalversammlung um rund ein Drittel der Abgeordneten verkleinern will, versprach zuletzt, bei der Parlamentswahl künftig eine "Dosis" des Verhältniswahlrechts einzuführen. Ins Detail ging er allerdings nicht. Er dürfte sich ganz genau überlegen, ob er dem politischen Gegner - angesichts einer breiten Mehrheit im Rücken - in die Karten spielen will.

Viele Franzosen dürfte das aber ohnehin kaum noch interessieren. Sie sind froh, dass nach zehn Monaten Wahlkampf inklusive hitziger Debatten, diverser politischer Skandale und zuletzt sogar einem tätlichen Angriff auf die konservative Kandidatin Nathalie Kosciusko-Morizet in Paris endlich wieder Ruhe einkehrt. Zumindest vorerst.

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