Marsch für Gerechtigkeit, der Wolfsgruß und die Roma

  05 Juli 2017    Gelesen: 1043
Marsch für Gerechtigkeit, der Wolfsgruß und die Roma
Der "Marsch für Gerechtigkeit" des Oppositionsführers Kemal Kılıçdaroğlu spaltet die Gesellschaft immer mehr. Mittlerweile stehen sich sogar die Roma spinnefeind gegenüber. Kılıçdaroğlu versucht die Wogen zu glätten.
Izmit / TP - Seit dem 20´sten Tag des "Marsches für Gerechtigkeit" kann Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu (CHP) nun auch auf die nationalistisch-kurdische Partei HDP zählen. Sie solidarisierten sich mit der Bewegung, die inzwischen an der Bucht von Izmit angekommen ist und in Körfez übernachten. Von hier aus sind es noch rund 90 km bis zum Ziel in Istanbul.

Doch der "Marsch für Gerechtigkeit" mobilisiert auch die Gegner. Immer wieder kommt es zu Protesten, die sich gegen die inzwischen auf 20.000 Teilnehmer angewachsenen Bewegung richtet, die sich auf der Autobahn E80 auf mehrere Kilometer auseinander zieht. Sicherheitskräfte haben alle Mühe und Not, diese Schlange auf einer Fahrspur im Überblick zu behalten und Übergriffe zu verhindern, den Verkehr einigermaßen an ihr vorbei fließen zu lassen. Kilometerlange Staus bilden sich derweil hinter dem Marsch auf der Hauptverkehrsachse zwischen dem Industriestandort der Türkei und dem anatolischen Hinterland. Bislang ist auf der über 490km langen Strecke relativ wenig passiert, doch die Gemüter erhitzen sich immer mehr.

Seit dem die HDP sich nun dem Marsch angeschlossen hat, linke und kommunistische Kräfte angeschlossen haben, wird dem Oppositionsführer nicht nur unterstellt, der verlängerte Arm Fethullah Gülens zu sein, nun muss sich Oppositionschef Kemal Kılıçdaroğlu auch noch anhören, wie er Seite an Seite mit dem politischen Arm der PKK auf Istanbul zumarschiert.
Als ob das nicht reicht, hat der Marsch auch die Minderheit der Roma in Lager aufgespalten. Während die oppositionsnahen Medien unterstreichen, welche Zivilgesellschaften sich dem "Marsch für Gerechtigkeit" anschließen, werfen regierungsnahe Medien andere in den Raum, die dem negativ gegenüber stehen. Jetzt werden die türkischen Roma zwischen den Gravitationskräften aufgerieben. Die Opposition meldete vor Kocaeli, Romas der Föderation im Marmara hätten sich mit dem Marsch solidarisiert und seien hinzugestoßen. Das ruft jedoch andere auf den Plan, die der AKP zugutehalten, was die Partei für sie getan hat.

In Kocaeli versammelten sich Romas der Stadt unter dem Föderationsvorsitzenden Hasan Şirin, um an einer Autobahn-Unterführung die Bewegung auszupfeifen, die sich langsam hindurch bewegte. Die Atmosphäre ist aufgeheizt, doch es eskaliert nicht. Şirin erklärte gegenüber der Presse, man habe dieses Land, die Fahne über das eigene Leben gestellt. Aber seit dem 15. Juli zeichne sich immer mehr ab, wer den kontrollierten Schutz gesucht hätte - eine Anspielung auf den Vorwurf der Opposition, die AKP habe einen kontrollierten Putsch zugelassen -, während andere für die Freiheit und Demokratie ihr Leben gelassen hätten, so Hasan Şirin. Des Weiteren warf Şirin der Bewegung vor, inzwischen mit der DHKP-C auf der einen, mit der PKK auf der anderen Seite mitzumarschieren, aber man solle wissen, dass dieses Volk, dieses Land auch darüber hinweg kommen werde, denn der Weg den diese Bewegung abschreite, werde entweder in Pennsylvania oder Kandil enden.
Mit der Inhaftierung des Abgeordneten der Republikanischen Oppositionspartei CHP, Enis Berberoğlu, hat der Vorsitzende der CHP Kemal Kılıçdaroğlu vor 20 Tagen in der Türkei einen "Marsch für Gerechtigkeit" von Ankara bis Istanbul vor das Gefängnis begonnen, wo der Parteikollege sitzt. Eine Strecke von etwa 490 km soll zurückgelegt werden. Die Marschierer haben inzwischen 400 km hinter sich.
Staatspräsident Erdogan hatte dem CHP-Vorsitzenden vorgeworfen, "Terroristen und ihren Unterstützern Schützenhilfe" leisten zu wollen. Mit dem Protestmarsch habe er "die Straße nach Kandil und Pennsylvania" eingeschlagen, sagte Erdogan mit Blick auf das Rückzugsgebiet der Terrororganisation PKK in den nordirakischen Kandil-Bergen und den Wohnsitz des islamischen Predigers Fethullah Gülen in den USA, der für den gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli verantwortlich gemacht wird.
Kemal Kılıçdaroğlu jedoch zeigt sich gelassen und zuversichtlich, dass die Bewegung bis nach Istanbul weiter an Zulauf erhält. Um dabei auch den gesellschaftlichen Frieden zu wahren, ist Kılıçdaroğlu auch immer wieder dazu bereit, mit Kritikern und Gegnern ins Gespräch zu kommen, in Augenkontakt zu treten, dabei auch den Wolfsgruß zu erwidern, die Protestler oder vorbeifahrende Autofahrer des Öfteren zeigen. Ein schmaler Grad auf dem sich Kemal Kılıçdaroğlu bewegt, um die Gesellschaft nicht weiter zu belasten, was ihm augenscheinlich auch bewusst ist.

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