Vielleicht galt das lange, bewegte und keineswegs einfache Leben des Schriftstellers allein diesem Moment. Er sprach, ohne zu beschönigen, ohne auszuschmücken: Ehrlich. Klar. Fast ohne Emotionen. Doch wurde diese Rede zu seinem größten Werk.
Erst einen Monat vor seinem Tod war Granin – Ehrenbürger von St. Petersburg – vom russischen Präsidenten Wladimir Putin persönlich für seine Verdienste am öffentlichen Leben ausgezeichnet worden.
Geboren wurde Granin am 1. Januar 1919 in der kleinen Ortschaft Wolyn im Gouvernement (heute Gebiet) Kursk in der Familie eines Försters. Im Alter von sieben Jahren zog er mit seiner Mutter nach Leningrad. Sein echter Nachname ist Herman.
Er studierte in Leningrad, arbeitete in den Kirow-Werken, einem großen Traktoren- und Panzerbauer der damaligen UdSSR. Nach dem Ausbruch des Großen Vaterländischen Krieges ging Granin an die Front. Das Kriegsende erlebte er in Ostpreußen, im Rang eines Kapitäns. Nach der Demobilisierung ging er nach Leningrad zurück und arbeitete als Ingenieur.
Ende der 1940er Jahre fing er an zu schreiben. Sein Leben lang war Granin gesellschaftlich aktiv. Berühmt wurde er Mitte der 1950er Jahre, nachdem sein Roman „Iskateli“ („Die Sucher“) veröffentlicht und unverzüglich verfilmt worden war. Die Erzählung ist eng mit der Biografie des Schriftstellers verwoben.
Granins berühmtestes Werk ist aber „Blokadnaja kniga“ – „Das Blockadebuch“, eine Kriegschronik über die Tragödie von Leningrad: Erschütternde Geschichten jener Menschen, die Hunger und Bombenangriffe überlebten. In der UdSSR war das Epos lange Zeit verboten, erst in den Achtzigerjahren ist dieses Buch erschienen.
Mit diesem Zeugnis des Schreckens trat Granin vor drei Jahren vor den Bundestag, bei der alljährlichen Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus.
Er spreche nicht als Schriftsteller, sondern als gewöhnlicher Soldat, als Zeuge jenes Krieges. Anwesende berichteten, einige der Bundestagsabgeordneten hätten bei Granins Ansprache geweint. Der Schriftsteller hatte in seiner Rede niemand verurteilt, niemandem Vorwürfe gemacht. „Ein Krieg ist immer Schmutz und Blut. Das Wichtigste auf der Welt aber ist die Liebe zum Menschen und zum Leben“, lautet Granins wohl größtes Vermächtnis.
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