Fast 700 deutsche Firmen auf schwarzer Liste der Türkei

  22 Juli 2017    Gelesen: 787
Fast 700 deutsche Firmen auf schwarzer Liste der Türkei
Berlin/Ankara (Reuters) - Die Türkei hat Insidern zufolge entgegen ihrer Beteuerung deutlich mehr deutsche Firmen auf einer schwarzen Liste als bekannt.
Insgesamt führe der Staat 681 Unternehmen auf, die sie verdächtige, terroristische Organisationen zu unterstützen, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters am Freitag aus deutschen Sicherheitskreisen. Bislang war in einem "Zeit"-Bericht von 68 Unternehmen und Personen die Rede. Auch das "Handelsblatt" berichtete von fast 700 Firmen.

Der türkische Wirtschaftsminister Nihat Zeybekci bestritt in einem am Donnerstagabend geführten Reuters-Interview die Existenz einer schwarzen Liste. Er versuchte in der Krise, deutsche Firmen zu beruhigen: "Alle deutschen Investitionen in der Türkei sind zu 100 Prozent abgesichert durch die türkische Regierung, den Staat und das Gesetz." Auch Präsident Recep Tayyip Erdogan wies die Vorwürfe zurück. Er schlug allerdings scharfe Töne an: Deutschland müsse "sich zusammenreißen".

Die Bundesregierung behält sich weitere Schritte vor. "Wir werden zu jedem Zeitpunkt prüfen, ob weitere Beschlüsse notwendig sind. Und die werden wir dann gegebenenfalls auch öffentlich verkünden", sagte Kanzleramtschef Peter Altmaier im ZDF. Dagegen hält Zeybekci die Krise mit Deutschland für "vorübergehend".

Nach Festnahmen von Bundesbürgern in der Türkei und Drohungen gegen deutsche Unternehmen hat die Regierung in Berlin angekündigt, ihre Türkei-Politik neu auszurichten. Es soll geprüft werden, ob die Exportbürgschaften für Lieferungen in die Türkei ausgesetzt werden. Neue Rüstungsprojekte mit dem Land wurden auf den Prüfstand gestellt. Ausfuhrgenehmigungen werden künftig wohl nicht mehr erteilt. Bereits entschiedene Projekte dürften zunächst nicht betroffen sein.

Bislang Kein RüCkzug Deutscher Firmen

Rückzugabsichten deutscher Unternehmen sind nicht bekannt. Die Handelskonzerne Metro und Ceconomy wollen dort weiter investieren. Auch Bosch plant keine Änderungen. "Wir sind seit 1910 in der Türkei aktiv und wollen auch langfristig dort bleiben", erklärte der Autozulieferer. Die Entwicklung werde allerdings aufmerksam beobachtet. Erdogan sagte, die Türen für ausländische Investitionen stünden weit offen - auch für deutsche.

Medienberichten zufolge wirft die Türkei jedoch den auf ihrer Liste geführten Unternehmen - darunter Daimler und BASF - vor, Verbindungen zu dem in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen zu haben. "Das sind fake news", sagte Zeybekci der Nachrichtenagentur Reuters. Der stellvertretende Regierungschef Mehmet Simsek erklärte, die türkischen Behörden ermittelten wegen des Verdachtes der Terrorfinanzierung gegen keine deutsche Firma. "Wir begrüßen und freuen uns sehr über deutsche und internationale Investitionen in der Türkei", sagte er zudem dem "Handelsblatt".

"Wenig Konkrete" VorwüRfe

In den Sicherheitskreisen hieß es, die Angaben und die Vorwürfe seien "wenig konkret". Die Voraussetzungen für polizeiliche Ermittlungen seien daher nicht gegeben. Die Türkei sieht Gülen als Drahtzieher hinter dem gescheiterten Putsch. In dem Zusammenhang sind mehr als 50.000 Menschen verhaftet worden.

Nach der Festnahme des deutschen Menschenrechtlers Peter Steudtner verschärfte das Auswärtige Amt mitten in den Sommerferien die Reisehinweise für die Türkei. Der Fernsehsender n-tv stoppte eine Werbekampagne für das Land. "Angesichts der aktuellen Geschehnisse stießen die Clips zu Recht auf Unverständnis und Ärger bei Zuschauern und Lesern", begründete der Sender seine Entscheidung. Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim hält die Türkei nach eigenen Worten aber für genauso sicher wie Deutschland. Präsident Erdogan nannte die Reisehinweise des Auswärtigen Amtes haltlos und bösartig. Die Justiz in seinem Land sei unabhängiger als die der Bundesrepublik.

Finanzminister Wolfgang Schäuble verglich die Türkei in der "Bild" mit der DDR: "Die Türkei verhaftet inzwischen willkürlich und hält konsularische Mindeststandards nicht ein. Das erinnert mich daran, wie es früher in der DDR war."

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