Pharmahändler machen Profite auf Kosten Osteuropas

  27 Juli 2017    Gelesen: 1506
Pharmahändler machen Profite auf Kosten Osteuropas
Medikamente in Süd- und Osteuropa kosten oft nur die Hälfte. Pharmahändler kaufen sie dort auf und bringen sie in deutsche Apotheken. Den Preis für diese Schnäppchen zahlen die Patienten in den Herkunftsländern, weil dort Medikamente nicht mehr lieferbar sind.
Bukarest, Rumänien: Die Wecker der Familie Dumitru Stefan* klingeln dreimal am Tag gleichzeitig, seit einem Jahr: Um 7:00 Uhr, um 14:30 Uhr und um 19:00 Uhr. Der 13-jährige Sohn des Ehepaares leidet an Epilepsie. Er muss immer zu den gleichen Zeiten das Medikament Trileptal nehmen. „Das Leben meines Kindes hängt von diesem Arzneimittel ab“, sagt sein Vater. Das Präparat gibt es kaum noch in den rumänischen Apotheken – obwohl der Hersteller Novartis das Medikament auch nach Rumänien liefert.

In den Apotheken vor Ort ist Trileptal nur selten erhältlich. Für die Familie ein Desaster: „Nimmt mein Sohn einmal die kleine gelbe Tablette nicht, riskiert er zu sterben“, sagt der Vater. Eine seltene Form von Epilepsie führt bei dem Kind dazu, dass er im Schlaf innerhalb von wenigen Minuten ersticken kann. Wenn das Kind die Therapie mit Trileptal nicht unterbricht, könnte er nach fünf Jahren wieder gesund werden.

Als der Vater bei den Apotheken nachfragt, heißt es, dass ein Teil der Medikamente ins Ausland verkauft wird. Vater Dumitru wendet sich an die Patientenvereinigung FABC. Sie stellt seit Jahren fest, dass lebenswichtige Medikamente wie Trileptal aus dem Land verschwinden.

Ursache dieser künstlichen Verknappung ist das Preisgefälle in Europa. Medikamentenpreise orientieren sich an der Kaufkraft eines Landes. Das führt dazu, dass in Rumänien die gleichen Präparate oft weniger als die Hälfte wie in Deutschland kosten. Eine Packung Trileptal (300mg, 50 Tabletten) zum Beispiel kostet in Rumänien 9,69 Euro, in Deutschland dagegen 39,16 Euro. Rumänische oder deutsche Pharmahändler kaufen diese Pillen in Ländern wie Rumänien auf, packen sie in eine deutsche Schachtel um, legen einen deutschen Beipackzettel rein und verkaufen sie wieder in Deutschland, wo sie ganz normal in Apotheken landen.

Nicht nur Rumänen leiden unter diesem Handel, auch Griechen, Bulgaren oder Spanier hören in ihren Apotheken immer wieder, dass das Medikament, das sie brauchen, nicht mehr lieferbar ist. Die Pharmaunternehmen könnten zwar nachliefern in diese Länder. Aber sie haben kein großes Interesse, mehr Pillen in die Billigländer zu liefern, wenn sie davon ausgehen müssen, dass die Ware über Umwege wieder in Hochpreisländern wie Deutschland landet.

Der 13-jährige Sohn der Familie Stefan ist nicht der einzige, der jede Woche erneut bangen muss, ob sein Medikament noch vorrätig ist. Wer in Rumänien örtliche Kleinanzeigen liest, stößt häufig auf Hilferufe verzweifelter Patienten. Auch auf Facebook suchen Familien nach dringend benötigten Präparaten. „Ich brauche dringend Trileptal! Bitte! Es gibt´s nirgendwo mehr zu kaufen“, schreibt eine Frau. „Ich bin durch die ganze Stadt gelaufen und habe nirgendwo Insulin gefunden“, schreibt eine andere Nutzerin.

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