Die Legende von der Geburtsstunde im Jahr 301 erfüllt die 33.203 San-Marinesen mit Stolz. Möglicherweise genießen sie es, dass ihre Heimat noch immer eine geheimnisvolle Aura umgibt. Viele Menschen haben nur vage Vorstellungen, was San Marino überhaupt ist. Ein Stadtstaat? Oder eine italienische Provinz? Nichts dergleichen. Mit seiner aus dem Jahr 1600 stammenden Verfassung ist San Marino die älteste Republik der Welt - und trotzdem ein Zwerg. Zwar umfasst die Enklave nahe der norditalienischen Adriaküste mittlerweile mehr als nur den Titano, doch mit nur 61,2 Quadratkilometern ist sie der fünftkleinste Staat der Welt.
Besonders bei Badegästen aus dem nur etwa 20 Kilometer entfernten Rimini ist San Marino ein beliebtes Tagesausflugsziel. Mehr als zwei Millionen Besucher strömen jährlich dorthin. Um den Mini-Staat in seiner ganzen Bandbreite erleben zu können, sollten Urlauber jedoch mindestens eine Übernachtung einplanen. Insbesondere in der mediterranen Abendsonne entfaltet dieser Ort eine magische Wirkung.
Atemberaubende Landschaft
Insgesamt besteht San Marino aus neun Gemeinden, die den antiken Schlossbezirken "Castelli" entsprechen. Auf dem Weg über die zentrale Schnellstraße zum Titano fallen immer wieder viele Geschäfte auf, einige Orte gleichen einer einzigen Einkaufsmeile - in San Marino gibt es keine Mehrwertsteuer. So befindet sich der Zwergstaat im permanenten Spagat zwischen kaufwütigen und kulturinteressierten Tagestouristen. Insbesondere in der Hauptstadt San Marino auf dem Titano verfließen diese Grenzen schwimmend.
Beim genaueren Hinsehen fällt aber auf, dass das Land viele schöne Ecken hat. Diese sind meist abseits der Verkehrswege inmitten der hügeligen Landschaft mit Pinienwäldern und Weinhängen zu entdecken. San Marino ist ein perfektes Urlaubsziel für Wanderer, Kletterer und Mountainbiker. Das Land ist zwar klein, vermag aber durchaus, seine Gäste aus der Puste zu bringen. Als Fußgänger sind Urlauber dort allerdings auf verlorenem Posten - Gehwege an den Straßen gehören nicht zum Verkehrswegeplan von San Marino.
Mittelalter-Charme auf drei Gipfeln
Die beliebtesten Touristenattraktionen befinden sich in der Hauptstadt San Marino. Seit 2008 zählt die mittelalterliche Altstadt zum Unesco-Weltkulturerbe. Verbunden durch viele schmale und mitunter steile Gassen stehen hier mehrere Kulturdenkmäler, darunter die neoklassizistische Basilika des Heiligen Marinus, das Staatsmuseum sowie der Regierungspalast. In allen öffentlichen Gebäuden gibt es kostenloses Wifi.
Die weltälteste Republik hat zwei Staatsoberhäupter. Diese "Capitani Reggenti" wechseln sich alle sechs Monate an der Spitze des Staates ab - jeweils am 1. April und 1. Oktober gibt es deshalb vor dem Palazzo Pubblico eine feierliche Zeremonie der "Guardia di Rocca", einem von drei freiwilligen Militärkorps. Ihre farbenfrohen Uniformen erinnern an die Schweizergarde im Vatikan.
Die drei Türme Rocca, Cesta und Montale der mittelalterlichen Festungsanlage, die sich über die drei Gipfel des Titano erstreckt, sind die Wahrzeichen von San Marino. Im Innern des höchsten Turms Cesta zeugt eine Waffenausstellung von der bewegten Geschichte der Republik. Sowohl von den begehbaren Türmen Rocca und Cesta als auch von den steilen Burgmauern aus bietet sich den Besuchern eine atemberaubende Aussicht bis zur Adriaküste von Rimini. Oder bis zur italienischen Bergfestung San Leo. Hier ließ sich der Legende nach ein Weggefährte des Heiligen Marinus nieder.
Münz- und Briefmarkensammler sind sowohl in der Altstadt als auch im Ort Borgo Maggiore am Fuße des Titano an der richtigen Adresse. In den Post- und Numismatik-Filialen können sie die begehrten Sammlerstücke aus dem drittkleinsten Staat Europas ergattern. Wegen eines Sonderstatus ist der Euro seit der Währungsreform 2002 offizielles Zahlungsmittel.
"Volksheld Schumi"
Den meisten Deutschen dürfte San Marino aus dem Sport bekannt sein. Niemand Geringeres als Michael Schumacher ist Rekordsieger des Großen Preises von San Marino. Sieben Mal gewann der Ex-Formel-1-Fahrer das 2006 eingestellte Rennen, das allerdings stets im italienischen Imola stattfand. Der Zwergstaat pflegt eine ganz besondere Beziehung zum siebenmaligen Weltmeister: Im Jahr 2002 wurde Schumacher zum "Kommandanten des Ritterordens der Heiligen Agata von San Marino" ernannt. Ein Jahr später folgte die Ernennung zum "Ambasciatore a disposizione" - dem Sonderbotschafter für humanitäre Einsätze. Seit 2005 ist der Ex-Ferrari-Pilot auf einer Briefmarke verewigt.
Im Gegensatz zu den Formel-1-Boliden heizen Rennmotorräder weiter auf der Jagd nach dem Großen Preis von San Marino um die Kurven. Auch dieses Traditionsrennen findet allerdings auf italienischem Asphalt statt - in Misano bei Rimini.
Die mit Abstand populärste Sportart in San Marino ist Fußball. Wie auf der Weltkarte, so ist das Land auch hier ein Zwerg. Das bescheinigt ein Blick auf die Fifa-Weltrangliste, wo "La Serenissima" auf Platz 204 rangiert. Dennoch lohnt ein Besuch im Nationalstadion in der nördlichen Region Serravalle - der gemeine Fußballliebhaber bekommt hier einen Kick mit Aussicht geboten: Hinter den Flutlichtmasten türmt sich der Titano malerisch am Horizont auf. Nur mit Mühe ist es vorstellbar, dass der Heilige Marinus dort einst hinaufkraxelte. Heute reicht eine etwa zweiminütige Fahrt mit der Seilbahn, um die schroffen Felsen zu bezwingen.
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