Aber: Statt mit Vollgas ins E-Zeitalter zu stromern, fährt der Konzern eher mit Standgas der Zukunft entgegen. Denn außer großen Worten und dem Versprechen, bis ins Jahr 2025 über alle Marken 80 neue E-Autos zu bringen, zeigen die VW-Marken vor allem Modelle aus der guten alten Zeit. Zwar sind ein paar Konzeptstudien zu sehen, neue E-Autos mit Preisschild, die der Kunde tatsächlich in den kommenden Wochen kaufen kann, sucht man dagegen vergebens.
Hehres Ziel
Zugegeben, 80 Stromer bis 2025 ist ein hehres Ziel, das der oberste VW-Manager Müller in Frankfurt ausgerufen hat; schließlich hat er die bisherige Prognose damit fast verdreifacht. 50 Fahrzeuge davon sollen rein elektrisch unterwegs sein, 30 mit Plug-in-Hybrid-Antrieb. Lässt man den Motorrad-Bauer Ducati außen vor, sind das gut vier bis fünf E-Fahrzeuge pro Konzernmarke – die beiden Lkw-Hersteller MAN und Scania mit eingeschlossen. Fakt ist allerdings auch, dass VW ziemlich Gas geben muss, um dieses Ziel zu erreichen. Die paar in Frankfurt zur Schau gestellten Studien allein reichen dafür nicht. Zumal die am VW-Stand zu sehenden Visionen I.D., I.D. Buzz und Sedric alles andere als neu sind.
Leicht überarbeitete Zukunftsvisionen
Premiere feiert zwar der gut 4,60 Meter lange I.D. Crozz II, aber der Namenszusatz deutet es an: Auch das E-SUV-Coupé ist keine Weltneuheit. Schon auf der Autoschau in Shanghai war der I.D. Crozz zu bestaunen, und wurde nun für den Auftritt am Main nur leicht optisch überarbeitet. Statt grau in grau tritt der VW jetzt in dunkelrot auf, die Front wurde etwas kantiger und zwischen den Scheinwerfern zieht sich eine Lichtkante entlang. Dazu ein paar neue Felgen, das war’s. Auch die Technik ist bekannt, zwei zusammen 306 PS starke E-Motoren treiben den Crozz mit Allradantrieb an; die Reichweite gibt VW nach wie vor mit 500 Kilometern an, in 30 Minuten sollen sich die Batterien zu 80 Prozent aufladen lassen. Neu ist die Sprachsteuerung für die vollautonomen Fahrfunktionen. Auf den Befehl "Hallo I.D., fahre bitte autonom!" zieht sich das Lenkrad zurück und der Computer übernimmt das Steuer.
Ähnlich wie VW geht auch Skoda vor und hat seine Studie Vision E, die ebenfalls schon in China zu sehen war, nochmal angefasst, und ihr einen neuen Kühlergrill verpasst. Ansonsten ist der Stromer, mit dem ich bereits eine erste Runde drehen konnte, unverändert aus dem Reich der Mitte nach Deutschland gekommen. Das heißt: Die technischen Daten lesen sich wie beim Baukastenbruder I.D. Crozz (II). Markstart für beide dürfte wohl erst 2020 sein.
Audi blickt weit nach vorn
Noch mal gut fünf Jahre länger dauert es, bis die Audi-Vision Aicon auf die Straße könnte. Die 5,44 Meter lange Luxus-Studie kann ein Ausblick auf den übernächsten Audi A8 sein und hat durchaus noch Ähnlichkeiten mit den aktuellen Ingolstädter Modellen. Vor allem der angedeutete Single-Frame-Grill gibt den Aicon als Audi zu erkennen. Statt Scheinwerfer hat die Studie allerdings nur noch frei konfigurierbare Display-Flächen, und innen sucht man Lenkrad, Pedale und Armaturen vergebens. Die braucht der Aicon auch nicht mehr, schließlich fährt er völlig autonom und ein Eingreifen des Fahrers ist weder erwünscht noch möglich. Dementsprechend neu ist auch das Interieur gestaltet: Der 2+2-Sitzer soll mit seinen drehbaren Lounge-Stühlen und hochflorigem Kuschelteppich First-Class-Ambiente bieten, in dem man nach belieben Arbeiten, Entspannen oder Schlafen kann.
Bedient wird der selbstfahrende Audi vor allem über PIA, einen persönlichen (Computer-)Assistenten, der sich um alle Fahrzeugeinstellungen kümmert. Kommuniziert wird per Spracheingabe oder mit Eye-Tracking. Eine Bedieneinheit kann also allein dadurch ausgewählt werden, das sie mit den Augen fixiert wird. Am seriennächsten dürfte wahrscheinlich der Antrieb sein: vier E-Motoren mit zusammen 354 PS und 550 Newtonmeter Drehmoment machen dem Luxus-Liner Dampf. Die Reichweite von über 800 Kilometern wiederum ist heutzutage noch eher ein Wunschtraum.
R8 mit Heckantrieb und 911 GTR 3 Touring
Mit diesen drei mehr (Audi) oder weniger (VW und Skoda) neuen Studien ist die elektrische Zukunft des Konzerns auf dem Konzernabend bereits abgehandelt, alle anderen Neuheiten sind Relikte aus der "gestrigen Welt". Audi zum Beispiel krönt die R8-Baureihe mit dem auf 999 Einheiten limitierten V10 RWS Coupé und Spyder. Die drei Buchstaben stehen für Rear Wheel Series und deuten auf den Heckantrieb hin – übrigens Audis erstes Serienmodell mit Hinterradantrieb überhaupt. Während üblicherweise die 540 PS beim R8 über alle vier Räder herfallen, geht beim RWS die Kraft allein über die Hinterachse an die Straße, was dem Audi nochmal spürbar mehr Dynamik verleihen soll. Gleichzeit bringt der Verzicht auf den Allradantrieb eine Gewichtsersparnis von gut 50 Kilogramm. Wer einen der knapp 1000 RWS haben will, kann ihn ab Herbst 2017 ordern – für mindestens 140.000 Euro.
Noch ein bisschen mehr kostet der Porsche 911 GT3, der ab sofort auch mit Touring-Paket zu haben ist. Die aufpreisfreie Option ersetzt den feststehenden Heckspoiler des GT3 durch einen ausfahrbaren und sorgt somit für eine dezentere Optik. Zumindest in der Heckansicht, von vorne bleibt es bei den üblichen Kraftinsignien. Ebenfalls am Porsche-Stand zu sehen: Der neue Cayenne, der allerdings schon vor wenigen Tagen in Stuttgart enthüllt wurde. Und bei dem man doppelt hinschauen muss, um ihn von seinem Vorgänger zu unterscheiden.
Karoq, Arona, Polo, T-Roc und Co.
Ebenfalls nicht wirklich neu sind die beiden SUV Skoda Karoq und Seat Arona, die beide mit bewährter VW-Technik und einem geräumigen Platzangebot in Kürze auf Kundenfang gehen. Immerhin haben die Spanier mit dem Leon Cupra R noch ein Schmankerl im Angebot: Der Kompakt-Sportler leiht sich das Triebwerk vom Golf R und kommt zukünftig auch auf 310 PS. Vorausgesetzt, man greift zum Handschalter. Wer unbedingt ein Doppelkupplungsgetriebe will, muss sich mit 300 PS zufrieden geben. Anders als beim Wolfsburger Top-Golf geht beim Seat die Kraft nur an die Vorderräder. Wie beim Audi R8 RWS heißt es auch hier: Schnell sein. Der Seat soll nämlich nur 799 Mal gebaut werden.
Keinerlei Beschränkungen gibt es für die VW-Messepremieren von Polo und T-Roc, und auch der aufgefrischte Golf Sportsvan ist in beliebiger Stückzahl erhältlich. Nach dem Update für den normalen Golf bekommt nun auch der Van-Ableger neue TSI-Motoren, einen Stauassistenten und das neue Infotainment-System mit Gestensteuerung. Optisch ist die Neuauflage vor allem an der deutlich geschärften Front zu erkennen, in der nun optional Voll-LED-Scheinwerfer verbaut sind. Ebenfalls am VW-Stand zu sehen: Die Studie Amarok Aventura Exklusiv mit 258 PS starkem V6-Diesel unter der Haube. Dass der Power-Pick-up bald in Serie geht, ist so gut wie sicher.
Neuer Continental auf Porsche-Basis
Ein durch und durch neues Auto findet man übrigens bei Bentley: Die Neuauflage des Continental kommt ab 2018 im deutlich schickeren Blechkleid und basiert nicht mehr auf der veralteten Phaeton-Plattform, sondern nutzt die topaktuelle Porsche-Panamera-Technik. Ein besonderes Highlight wartet im Innenraum: Nicht nur dass Bentley jetzt auch endlich ein Head-up-Display und sogar das Virtual-Cockpit hat. Zusätzlich gibt es in der Mittelkonsole ein drehbares Element, das wahlweise den 12,3-Zoll-Infotainment-Touchscreen, drei analoge Rundinstrumente oder ein Holzpanel zum Vorschein bringt. So etwas ähnliches hatte bislang nur James Bond, der bei seinem DB5 das Nummernschild drehen konnte! Für den Antrieb sorgt zunächst ein 635 PS starker Sechsliter-W12, später folgen V8 und auch ein Plug-in-Continental ist in Arbeit.
Bereit für die Sturmfrisur?
Wem die über 630 PS des Zwölfzylinders immer noch zu wenig sind, der muss zur italienischen VW-Tochter Lamborghini schauen: Die stellt den Aventador S Roadster in Frankfurt vor, der nun die gleichen Überarbeitungen erfahren hat, wie zuvor das Coupé. Dazu gehören unter anderem die neuen aktiven Dämpfer, die neue Allrad-Lenkung und der frei konfigurierbare Ego-Fahrmodus. Sein V12 leistet 740 PS, die den offenen Lambo in nur drei Sekunden auf 100 Sachen beschleunigen und auf maximal 350 km/h bringen kann. Bleibt nur zu hoffen, dass beim Preis von gut 370.000 Euro auch noch paar Euro für einige Dosen Drei-Wetter-Taft übrig bleiben. Die könnte auch VW-Chef Müller bald brauchen: Er will sich an seinem Versprechen, in den kommenden Jahren 80 E-Autos auf den Markt zu bringen, messen lassen. Hält er den Zeitplan nicht ein, dürfte ihm ein eiskalter Wind entgegen wehen.
Quelle: n-tv.de
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