So tarnte sich ein Putin-Vertrauter in den USA

  08 November 2017    Gelesen: 926
So tarnte sich ein Putin-Vertrauter in den USA
Die "Paradise Papers" enthüllen nicht nur, wie Reiche und Konzerne ihr Geld am Fiskus vorbeischleusen. Die Briefkasten-Industrie hilft auch korrupten Regimen, Sanktionen zu umgehen. Profitiert hat auch Leonid Michelson, Russlands reichster Oligarch.
Als der Chef der Bank of Utah im Interview gefragt wird, wer hinter der ominösen Briefkastenfirma aus Panama steht, deren Flugzeug das Geldhaus treuhänderisch in den USA angemeldet hat, muss er erst in seinen Computer schauen. Er habe bestätigt, dass die Firma seit 2013 Kunde der Bank sei, berichtet die "New York Times", aber der Name ihres Besitzers sei laut dem Finanzmanager "nirgendwo in den Daten" zu finden gewesen. Umso überraschter war der Bankchef, als er den Eigentümer herausfand: Leonid Michelson, Chef der russischen Gasfirma Novatek, und ein enger Vertrauter von Russlands Präsident Wladimir Putin.

Die Information stammt aus Millionen geleakten Dokumenten der Steuerkanzlei Appleby, die die Zeitung mit dem Internationalen Konsortium Investigativer Journalisten (ICIJ) und anderen Medien ausgewertet hat. Die sogenannten "Paradise Papers" enthüllen erneut - nach den "Panama Papers" (2016), "LuxLeaks" (2014) und den "Offshore Leaks" (2013) - wie Superreiche und Großkonzerne ihr Geld mithilfe von Offshore-Kanzleien in Steueroasen auf der ganzen Welt vor dem heimischen Fiskus verstecken.

Der Datenschatz bestätigt auch die schlimmsten Befürchtungen westlicher Sicherheitsbeamter. Er enthält Belege dafür, dass die diskreten Dienste von Appleby & Co. nicht nur zur Steuerflucht genutzt werden. Sondern dass die Briefkasten-Industrie auch Kriminellen und Regimen aus aller Welt hilft, Geld zu waschen und Sanktionen zu unterlaufen. So wie Leonid Michelson, laut "Forbes" der reichste Mann Russlands: Obwohl die US-Regierung seine Gasfirma wegen dem russischen Einmarsch in der Ukraine 2014 sanktioniert hatte, blieb sein Privatjet mithilfe der Bank of Utah heimlich in den USA registriert - ganz legal.

Tarnkappenfirmen auf der ganzen Welt

Flugzeuge dürfen in den USA nur US-Bürger anmelden. Die Registrierung ist begehrt: Mit einer Lizenz aus den USA kann man nicht nur im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, sondern weltweit unverdächtig fliegen. Und der Wert der Jets bleibt über die Jahre hoch, weil sie in den USA gewartet werden können. Die Bank of Utah hat aus den Begehrlichkeiten der Oligarchen ein Geschäft gemacht: Sie registriert deren Flieger stellvertretend.

Mehr als 1390 solche Flugzeug-Trusts managt die Bank laut "NYT" und verdient damit Millionen an Gebühren. Wells Fargo ist sogar noch dicker im Geschäft. Natürlich müssen die Geldhäuser die Identität ihrer Kunden prüfen. Beispielsweise durchsuche man öffentliche Datenbanken und fordere Pässe an, erklärte ein Vertreter der Bank of Utah der "New York Times".

Doch mithilfe von Briefkasten-Dienstleistern wie Appleby fällt es Oligarchen und Potentaten aus aller Welt leicht, ihre Identität bis zur Unkenntlichkeit zu verwischen. Im Fall von Leonid Michelson hat die Offshore-Kanzlei die Kette der Tarnung anschaulich in einem Diagramm festgehalten: Eine von Michelsons Firmen in Belize hat mittels einer Firma auf den Kaiman-Inseln und einer Firma auf den Britischen Jungferninseln eine Firma in Panama gegründet, die den Gulfstream-Jet des russischen Oligarchen kaufte, steuerlich auf der Isle of Man anmeldete, um die europäische Mehrwertsteuer zu umgehen, und dann den Treuhand-Vertrag mit der Bank of Utah abschloss, die das Flugzeug anschließend in den USA registrierte.

Ein "Hochrisiko"-Kunde aus Moskau

Appleby wusste genau, was Michelson wollte. "Die Struktur sollte es ermöglichen, das Flugzeug bei der US-Flugsicherung anzumelden", schrieb eine Moskauer Mitarbeiterin der Wirtschaftsprüfungsfirma Ernst & Young 2012 an Appleby. Da wusste die Offshore-Kanzlei nur, dass der Besitzer des Fliegers Russe war. 2013 erfuhren die Anwälte dann auch den vollen Namen ihres Kunden. Obwohl sie Michelson in die Kategorie "hohes Risiko" einstuften, machten sie weiter Geschäfte mit ihm.

Als das US-Finanzministerium Michelsons Gasfirma 2014 dann auf die schwarze Liste setzte, wurden die Anwälte hektisch. Sie müsse ihre Dienste nun einstellen, teilte die Kanzlei Michelsons Vertretern mit. Die protestierten zwar, fanden aber schnell angemessenen Ersatz: Eine Firma namens Fedelta Trust Limited auf der Isle of Man übernahm Michelsons Flieger. Die Bank of Utah erneuerte dann 2016 die Registrierung bei der US-Flugsicherheitsbehörde.

Mehr als 10.000 Flugzeug-Trusts, die Nicht-US-Bürgern gehören, gibt es laut "New York Times" in den USA. Einige US-Abgeordnete fürchten schon länger, dass Drogenbarone, Gangster und Terroristen die diskreten Arrangements als Hintertür auf der Flucht vor Sanktionen, Geheimdiensten oder der US-Justiz nutzen könnten. Denn die Flugsicherheitsbehörde FAA überprüft sie bei der Registrierung nicht.

Bei mehr als der Hälfte der Trusts "fehlen wichtige Informationen wie die Identität der Eigentümer und Flugzeugbetreiber", moniert die FAA in einem Bericht. Sogar einem libanesischen Politiker, der von einer Terrorgruppe unterstützt wurde, gelang es, ein Flugzeug in den USA zu registrieren, bis die Behörde den Trust auflöste. Und schon vor drei Jahren wurde ein Flieger, der auf die Bank of Utah angemeldet war, im Iran gesichtet. "Wir haben keine Ahnung, warum dieses Flugzeug auf diesem Flughafen war", sagte das Geldhaus damals. Der Fall Michelson sei übersehen worden, weil er aus einer Zeit datiere, bevor die Bank ihre internen Kontrollen verbessert hätte. "Es ist sehr unwahrscheinlich, dass etwas wie das heute abgesegnet worden wäre", beteuert die Bank.

Quelle: n-tv.de

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