In der SPD mehren sich die Stimmen, notfalls zum dritten Mal seit 2005 ein Bündnis mit CDU und CSU einzugehen. "Die SPD kann sich auch nicht wie ein trotziges Kind verhalten", sagte Justizminister Heiko Maas. Die Union hatte zuvor betont, die Tür für die Sozialdemokraten stehe offen. Heil erklärte, man warte nun die Beratungen von Steinmeier mit den Fraktionsvorsitzenden der Parteien in der kommenden Woche sowie das weitere Verfahren ab, das Steinmeier vorschlagen werde.
Kein Rücktrittsdruck für Schulz
Nach Darstellung von Heil lief die Spitzenrunde im Willy-Brandt-Haus, an der auch Ex-Parteichef und Groko-Befürworter Sigmar Gabriel und mehrere Ministerpräsidenten teilnahmen, sehr sachlich und konstruktiv ab. "Die SPD-Führung ist da eng beieinander." Zuvor hatten Heil und Maas Rücktritts-Spekulationen um Schulz zurückgewiesen.
Der gescheiterte Kanzlerkandidat, der nach dem Absturz bei der Wahl auf historisch schlechte 20,5 Prozent mehrfach eine große Koalition ausgeschlossen hatte, steht parteiintern stark unter Druck. "Es hat in dieser Runde niemand Martin Schulz den Rücktritt nahegelegt, es hat niemand sich selbst vorgeschlagen als Gegenkandidat für den Parteitag, und Martin Schulz hat seinen Rücktritt auch nicht angeboten", sagte Maas am Abend im ZDF.
Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Teilnehmerkreisen erfuhr, wurde in der nächtlichen Spitzenrunde unter anderem besprochen, wie die SPD in der schwierigen Lage "die Kurve kriegen kann, ohne faule Kompromisse zu machen". Noch am Montag, wenige Stunden nach dem Abbruch der Jamaika-Verhandlungen von Union, FDP und Grünen, hatte die SPD-Führung einstimmig ihr am Wahlabend verkündetes Nein zu einer Groko bekräftigt und in Richtung Neuwahlen tendiert. Daraufhin waren viele Bundestagsabgeordnete auf die Barrikaden gegangen, die keine Neuwahl wollen, bei der sie ihren gerade erst errungenen Platz im Parlament wieder verlieren könnten.
Nun liege es vor allem an Schulz, die Partei auf einen möglichen Kursschwenk vorzubereiten und dies der Basis zu vermitteln, hieß es. In zwei Wochen findet in Berlin ein dreitägiger SPD-Bundesparteitag statt. Spätestens dann soll der Partei eine Art Roadmap vorgelegt werden, wie "ergebnisoffen" Gespräche über eine Regierungsbildung zum Wohle des Landes geführt werden könnten. Eine enge Einbeziehung der Mitglieder sei dabei zwingend erforderlich. Maas betonte, es liege nun an den Gremien der SPD, ob die Partei die bisherige Haltung "korrigieren will, ob sie Gespräche führen will".
Minderheitsregierung statt Groko?
Der niedersächsische SPD-Ministerpräsident Stephan Weil nahm Schulz in Schutz. Dieser genieße "unverändert einen sehr hohen Zuspruch in der SPD-Mitgliedschaft", sagte Weil den Zeitungen des RedaktionsNetzwerks Deutschland. "Das wird in der Berliner Blase aus Politikern und Journalisten oft übersehen." An der mehrstündigen Aussprache im Willy-Brandt-Haus hatten neben Weil unter anderem auch die SPD-Ministerpräsidentinnen Manuela Schwesig und Malu Dreyer sowie die Fraktionschefin im Bundestag, Andrea Nahles, und Maas teilgenommen.
Maas sagte am Abend im ZDF, es gebe keine Führungsdebatte. Das sei "Käse". Man könne der SPD nicht parteitaktische Motive vorhalten. Union und SPD hätten bei der Wahl zusammen rund 14 Prozentpunkte weniger erhalten. Man könne nicht ständig in einer großen Koalition regieren, dadurch würden die politischen Ränder wachsen, wie man am Erfolg der AfD sehe.
In der SPD wird neben einer erneuten Groko auch die Möglichkeit diskutiert, eine ausschließlich mit Unions-Ministern besetzte und von Kanzlerin Angela Merkel angeführte Minderheitsregierung zu tolerieren. Hamburgs Regierungschef und Schulz-Rivale Olaf Scholz sagte dazu aber im ZDF: "Ich bin sehr sehr skeptisch, was eine Minderheitsregierung betrifft." Europa brauche eine stabile Regierung in Deutschland.
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius empfahl seiner Partei Gespräche mit der Union. Neuwahlen dürften nur die letzte Wahl sein. "Man muss buchstäblich alle Optionen abwägen und ernsthafte Gespräche führen. Erst, wenn an deren Ende nur die eine Option Neuwahlen übrig bleibt, kann man dies auch den Wählern vermitteln", sagte Pistorius der "Rheinischen Post".
Quelle: n-tv.de
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