Nun wurde die Strecke eröffnet: Zwei ICE-Sonderzüge fuhren im Berliner Hauptbahnhof ein. Der eine war in München losgefahren und kam nach knapp vier Stunden Fahrt an. Der andere startete in Nürnberg - am Südkreuz in Berlin stieg Bundeskanzlerin Angela Merkel zu. Alle anderen Reisenden können das Gefühl, quasi unter dem Kamm des Thüringer Waldes auf der Strecke zwischen den beiden Metropolen durchzusausen, mit dem Fahrplanwechsel an diesem Sonntag erleben. Dann beginnt der Linienverkehr. Geschlossen ist die letzte, 107 Kilometer lange Lücke zwischen Thüringen und Bayern auf der verkehrsträchtigen Nord-Süd-Magistrale - einem "Verkehrsprojekt Deutsche Einheit" (VDE 8) mit Neu- und Ausbauabschnitten.
An dem Megaprojekt - Kosten: zehn Milliarden Euro - wurde seit 1996 mit einigen Unterbrechungen gearbeitet. Die Bahn spricht vom "größten Bahnbauprojekt Deutschlands". Die Fahrzeit auf den insgesamt 623 Kilometern zwischen Berlin und München sinkt nach Angaben der Deutschen Bahn für Fahrgäste im ICE-Sprinter um zwei auf knapp vier Stunden. Mit dem normalen ICE seien sie knapp viereinhalb Stunden zwischen den beiden Metropolen unterwegs.
Die ICE-Züge seien damit eine "sehr ernsthafte Alternative gegenüber dem Flieger", so Bahnchef Richard Lutz. Das Unternehmen hat ein ehrgeiziges Ziel: Die jährliche Fahrgastzahl zwischen Berlin und München soll sich von bisher etwa 1,8 Millionen auf bis zu 3,6 Millionen verdoppeln.
Manche Stadt fühlt sich abgehängt
Doch bei aller Euphorie ob der Tempovorteile: Baustellen bleiben - nicht nur am Nadelöhr Bamberg in Bayern, das nach den Worten eines Bahnsprechers voraussichtlich nicht vor dem Ende des nächsten Jahrzehnts geöffnet werden kann. "Dort ruht das Planfeststellungsverfahren." In Bayern geht in den nächsten Jahren der Streckenausbau in Richtung Nürnberg weiter - noch müssen die schnellen Züge hinter der Landesgrenze auf Tempo 160 drosseln. Einige Städte, darunter Thüringens Wirtschafts- und Wissenschaftszentrum Jena, fühlen sich zudem abgehängt vom ICE-Verkehr. Andere leiden unter den Schallschutzwänden entlang der Schnelltrasse. Seinen Ort Ebensfeld vergleicht Bürgermeister Bernhard Storath zur Illustration schon mal mit Berlin zu Zeiten der Mauer.
Als Gewinner des Großprojekts, für das Thüringen nach einem Baustopp Ende der 1990er Jahre in Vorleistung gegangen war, gilt Erfurt. Die Landeshauptstadt wird sich nach Meinung von Ministerpräsident Bodo Ramelow als Kongresszentrum profilieren. "Thüringen wird Deutschlands schnelle Mitte. Wir werden mit diesem Standortfaktor massiv werben", kündigt der Linke-Politiker an. Auch eine ICE-City mit Bürobauten und Hotels sollen wachsen.
Gleichzeitig will Ramelow, dass Jena in den nächsten Jahren zumindest als IC-Kreuz den Anschluss hat. Rund 80 Fernverkehrszüge - auch in Ost-West-Richtung - halten laut dem thüringischen Verkehrsministerium nun täglich in der Landeshauptstadt. Wie an den anderen ICE-Knoten Nürnberg oder Leipzig fragen sich jedoch Reisende, wie gut die schnellen Verbindungen mit dem Nahverkehr verknüpft werden. Auch der Fahrgastverband Pro Bahn sieht noch Defizite.
Defizite bei Verknüpfung mit dem Nahverkehr
Der Anschluss der Regionen sei nicht immer gut gesichert, meint Karl-Peter Naumann von Pro Bahn. Als Beispiele nennt er Erfurt oder Nürnberg. Kritik kommt auch vom BUND - er sieht die Trasse als ein Prestigeprojekt auf Kosten von Natur, Landschaft und Mobilität im ländlichen Raum.
Zumindest die Züge sollen möglichst wenig Lärm machen, nachdem es die Bahn beim Tunnelbau durch Sprengungen im Thüringer Wald richtig krachen ließ. An den Portalen der längsten Tunnel seien Schallschutzhauben angebracht worden, die die Luft verwirbeln, erklärt ein Bahnsprecher. "Das verhindert bei dem hohen Tempo den Knall am Tunnelausgang."
Quelle: n-tv.de
Tags: