Die Demokraten sind noch immer eine Partei im Wiederaufbau, ein demokratischer Sieg gegen Trump bei den Präsidentschaftswahlen 2020 ist alles andere als sicher. Aber sie haben ihre Aussichten, im kommenden Jahr bei den Kongresswahlen die Mehrheit im Senat zurückzugewinnen, erheblich verbessert. Vor der Wahl in Alabama waren sie drei Sitze von einer Mehrheit entfernt, was eine sehr hohe Hürde darstellte. Schließlich steht bei den midterm elections 2018 zwar ein Drittel des Senats zur Wahl, jedoch sind darunter nur acht republikanische Sitze, von denen die meisten für Demokraten so gut wie unerreichbar sind. Lediglich Arizona und Nevada gelten als mögliche Ausnahmen. Zwei Sitze. Das ist zu schaffen.
Die Republikaner auf der anderen Seite konnten in Alabama nur verlieren. Hätte Roy Moore den Sitz geholt, hätten sie es mit einem Kollegen zu tun gehabt, dem mehrere Frauen vorwerfen, sie als Jugendliche sexuell belästigt zu haben. Moore ist ein Politiker, der sich als christlich-fundamentalistischer Moralapostel aufspielt, aber offensichtlich kein Problem damit hatte, minderjährigen Mädchen nachzusteigen. Einige Republikaner im Senat dürften daher jetzt erleichtert sein. Mehrere von ihnen hatten offen gesagt, dass sie auf eine Niederlage ihres Parteikollegen hofften, einer, Jeff Flake, hatte Jones' Wahlkampf sogar mit einer Spende unterstützt. Selbst der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, hatte erklärt, dass er die Vorwürfe für glaubwürdig hält. Am Ende stellten sich die Republikaner jedoch hinter Moore. McConnell sagte nur noch, es liege an den Wählern von Alabama, darüber zu entscheiden, wer sie im Senat vertreten solle. Und die zwischenzeitlich unterbrochene finanzielle Hilfe der Partei floss wieder. Für die Republikaner insgesamt war dies ein moralischer Offenbarungseid.
Ein Rückschlag für die rechtspopulistische Revolution
Für Trump ist der Wahlausgang potentiell gefährlich. Nicht nur muss er fürchten, in einem Jahr ohne Mehrheit im Senat dazustehen. Schon jetzt wird es noch schwieriger für ihn, Mehrheiten im Senat zu organisieren. Der Wahlausgang ist aber auch eine Niederlage für den Präsidenten, weil seine Autorität nicht ausgereicht hat, um den Wählern in Alabama einen Politiker schmackhaft zu machen, der eigentlich in jeder Hinsicht ein Trump-Kandidat ist - auf Krawall gebürstet, ohne Scheu vor Kontroversen und im Zweifel gegen alles, was nach Establishment riecht.
Die rechtspopulistischen Rebellen um Trumps ehemaligen Chefberater Steve Bannon, die Trumps Wahlsieg vor einem Jahr als Startschuss für eine radikale Umwälzung des gesamten politischen Systems ansahen, dürften nun schwer enttäuscht sein. Bannon stellt sich gern als der große Strippenzieher dar, er hat angekündigt, bei den Zwischenwahlen 2018 republikanische Anti-Establishment-Kandidaten erst auf den Wahlzettel und dann in den Kongress zu bringen. Ein Durchmarsch seiner Leute ist nach der Wahl in Alabama nicht gerade wahrscheinlicher geworden.
Eines zeigt der Wahlausgang jedoch nicht: dass die USA auf dem Weg wären, ihre inneren Konflikte beizulegen. Der wohl schlimmste Vorwurf gegen Moore lautete, er habe als 32-Jähriger eine 14-Jährige genötigt, seinen Penis anzufassen. Eine zum mutmaßlichen Tatzeitpunkt 16-Jährige warf ihm versuchte Vergewaltigung vor. Seine Anhänger verstiegen sich zu abstrusen Verteidigungslinien, indem sie die Vorwürfe mit dem Diebstahl eines Rasenmähers verglichen oder darauf verwiesen, dass auch Maria, die Mutter von Jesus, als Minderjährige mit Josef zusammen war. Trotzdem entschied sich fast die Hälfte der Wähler für Moore. Nachwahlbefragungen zeigen zudem, dass Moore unter den Weißen auf 68 Prozent kam, unter weißen Männern sogar auf 72 Prozent.
Kurzum: Die USA sind weit entfernt davon, sich von der Trump'schen Verführung abzuwenden (für die es ja auch höchst nachvollziehbare Gründe gibt). Aber immerhin haben sie am Dienstag einen Schritt in die richtige Richtung getan.
n-tv.de
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