Frauke Petry über den Rechtsruck in Europa – Exklusiv

  21 Dezember 2017    Gelesen: 747
Frauke Petry über den Rechtsruck in Europa – Exklusiv
Die ehemalige Bundesvorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD), Frauke Petry, spricht im Sputnik-Interview über den Erfolg der rechtskonservativen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), die Regierungsbildung in Deutschland und die Antisemitismus-Debatte.

Frau Petry, die schwarzblaue Regierung von ÖVP und FPÖ in Österreich steht. Ist solch eine Koalition das, was Österreich braucht? Vielleicht sogar das, was Europa und Deutschland brauchen?
Die Koalition in Österreich zeigt auf jeden Fall, dass es in der Tat auch in Europa noch möglich ist, die Probleme, die die Bürger angetrieben haben, anders zu wählen, anzupacken, und nicht einfach wie in Deutschland abzuwarten beziehungsweise Koalitionspoker zu spielen. Sie zeigt einfach, dass die Österreicher sich inhaltlich auf der Linie der Visegrad-Staaten, der osteuropäischen Staaten bewegen, und bietet damit eine andere Vision, eine Alternative für Europa, die gerade aus Deutschland und Frankreich momentan nicht zu erwarten ist. Es wird spannend sein, zu sehen, wie die Bürger auf dieses alternative Europa mit existierenden Grenzen und trotzdem einem Höchstmaß an Freiheit reagieren.
Allgemeinen kann man aber schon sagen, dass die Schwarz-Blaue Koalition heute mehr Zustimmung bzw. Akzeptanz erfährt. Wie erklären Sie sich das? Haben sich die linken Parteien mit der FPÖ abgefunden? Oder haben sich die Positionen der Freiheitlichen verändert?

Die FPÖ hat sicherlich verbal bei manchem Thema abgerüstet. Die ÖVP unter Kurz zeigt aber auch, dass man unter diesem neuen Kanzler ein starker Partner für die FPÖ ist, der sie vor einigen Jahren noch nicht war. Und sicherlich tritt auch bei vielen Politikern aus dem linken Spektrum der Effekt ein, der notwendig ist in der Politik: Man merkt, dass man es mit Menschen zu tun hat, die genauso für das Land kämpfen, wie man vielleicht selbst unter anderem Vorzeichen auch. Insofern, wenn es ein verbales Gefecht bleibt, ein Wortgefecht, dann ist das in der Demokratie in Ordnung. Alles weitere und Ausgrenzungen sollten keinen Platz in der Politik haben.

Sehen Sie eigentlich Parallelen zwischen der FPÖ und der AfD? Und was sind die größten Unterschiede der beiden Parteien auch jetzt nach Ihrem Austritt?

Der wesentliche Unterschied zwischen den allermeisten rechtskonservativen Parteien in Europa, und da schauen wir nicht nur auf Österreich, sondern auch auf andere Länder – schauen Sie auf Finnland oder auf Dänemark, wo patriotische konservative Parteien auch schon seit Jahren immer wieder an Regierungen beteiligt sind oder diese dulden: Die sind eben mögliche Koalitions- oder zumindest Duldungspartner für andere Parteien in diesen Ländern. Das ist der wesentliche Unterschied zur AfD in Deutschland. Es gab einmal das Bestreben in der Partei, solange ich auch noch da war, diesen ähnlichen Weg zu gehen und als Partner sukzessive akzeptiert zu werden. Die derzeitige AfD will um jeden Preis Opposition. Sie ist auch bei der derzeitigen Gemengelage, den Äußerungen aus der Partei, nur in der Opposition zu sehen. Denn es gibt aktuell keine deutsche Partei, die mit ihr koalieren würde.
Allerdings hat die AfD auch einen Wunsch geäußert, bei den Koalitionsgesprächen involviert zu werden. Wäre die AfD bereit für eine konstruktive Regierungsarbeit? Wie schätzen Sie das ein?

Einzelne Vertreter in der AfD gibt es sicherlich, die das wollen. Allein, die Unregierbarkeit dieser Partei – und der starke Flügel rund um Björn Höcke, der Fundamentalopposition bis zum Erreichen von 51 Prozent als politisches Ziel ausgerufen hat, ist doch schlicht mit politischen Flausen unterwegs. Das ist eben genau der Narrensaum, der von vielen Bürgern auch als nicht-regierungsfähig angesehen wird und der auch gar nicht regierungsfähig sein möchte. Weil Fundamentalopposition dann auch die leichtere Aufgabe ist.

Nun vor dem Hintergrund der Regierungsbildung in Österreich: Wie sehen Sie die mühsame Regierungsbildung in Deutschland?

Die Regierungsbildung in Deutschland zeigt, dass man im Grunde in den großen Parteien kaum inhaltliche Alternativen anzubieten hat. Man müsste viel von der Kritik, die seitens der AfD geäußert wurde, aufgreifen. Immerhin gibt es mit FDP und AfD Parteien, die ganz klar auf Korrekturen der großen Volksparteien dringen. Das scheint schwer zu fallen, weil die Union wenig eigene Standpunkte hat. In den Jamaika-Gesprächen ist die Union den Grünen hinterhergelaufen. Jetzt ist zu erwarten, dass sie dem Druck der SPD zum großen Teil nachgeben wird. Das wird eine Erhöhung der Ausgaben bedeuten und wahrscheinlich keine Minimierung der Einnahmen. Und insofern wird sich Deutschland mit der GroKo leider nicht davonbewegen.
Haben Sie nach Ihrem Austritt aus der AfD Ihre Positionen zur Russlandpolitik beibehalten? Und meinen Sie, dass die Positionen der AfD zu der Außenpolitik mit Russland sich nach Ihrem Austritt ändern werden?

Nun, die Alternative für Deutschland muss eines versuchen: Wenn sie überhaupt weiter Wählerstimmen bei sich behalten will, wird sie ihr Spektrum versuchen müssen zu erweitern. Der außenpolitische Konflikt, der sich in der AfD seit einiger Zeit abzeichnet, ist, dass dort einige wirklich Amerikahasser, oder sagen wir zumindest stark amerikakritische Politiker, am Werk sind, die nicht überraschenderweise auch eine große Liebe zu Russland haben. Nur glaube ich, dass die Frage so falsch gestellt ist. Es geht nicht darum, ob wir den einen lieben oder den andern hassen. Wir brauchen eine ausgleichende Position in der Mitte Europas. Und für die bin ich auch weiterhin zu haben. Es ist unrealistisch zu glauben, dass Russland Amerika mittelfristig für Deutschland als Bündnispartner ablösen kann. Darum geht es aber auch gar nicht. Sondern es geht um ein vernünftiges Verhältnis zu Russland. Keine weitere Verschärfung der Beziehungen, die wir in den letzten Jahren gesehen haben. Eine Beendigung der Russlandsanktionen als allererster Schritt dazu. Und langfristig wieder Sicherheitspartnerschaften, bei denen beide, die Russen und die Amerikaner, am Tisch sitzen.

sputniknews.com

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