Die Abkürzung BDS steht für "boycott, divestment and sanctions", was die Forderungen der Bewegung beschreibt: Boykott israelischer Produkte, Abzug von Investitionen aus dem Land sowie Sanktionen, um Israels "kolonialistische Politik zu Lasten der Palästinenser" zu stoppen.
Die von Erdans Ministerium veröffentlichte Liste umfasst zwanzig Organisationen, darunter die deutsche "BDS-Kampagne". Die Maßnahme ist nicht unumstritten. Der Chef des linksliberalen New Israel Fund, der Bürgerrechtsorganisationen in Israel finanziert, Daniel Sokatch, sagte der israelischen Zeitung "Haaretz", ein Ausschluss der politischen Opposition sei "die Methode von Autokratien, nicht Demokratien". Zugleich betonte Sokatch, der New Israel Fund unterstütze die BDS-Bewegung nicht.
Nach Angaben der "Jerusalem Post" tritt das Einreiseverbot im März in Kraft und betrifft hochrangige Mitglieder in den genannten Organisationen sowie Mitglieder, die darin besonders aktiv seien. Dem "Haaretz"-Bericht zufolge gibt es eine Schwarze Liste schon länger. Bislang habe sich das Ministerium für öffentliche Sicherheit aber geweigert, mitzuteilen, welche Organisationen darauf stehen.
Pro-palästinensisch oder antisemitisch?
Die Boykott-Aufrufe der BDS-Bewegung erstrecken sich auf alle Bereiche des öffentlichen Lebens, auch auf den Austausch von Wissenschaftlern. Aufsehen erregt die BDS-Bewegung in der Regel dann, wenn Popstars auf ihren Druck hin Auftritte in Israel absagen. Zuletzt machte das die neuseeländische Sängerin Lorde. "Ich hatte viele Diskussionen mit Leuten, die viele unterschiedliche Meinungen haben, und ich glaube, die richtige Entscheidung im Moment ist es, die Show abzusagen", erklärte die 21-Jährige im vergangenen Dezember. Lorde war mit Boykottaufrufen geradezu bombardiert worden. Der Chef ihres israelischen Konzertveranstalters Naranjah, Eran Arielli, schrieb auf seiner Facebook-Seite, es sei "naiv zu glauben, dass eine Künstlerin ihres Alters in der Lage sein würde, den Druck auszuhalten, den es bedeutet, in Israel aufzutreten".
Die BDS-Bewegung wird wahlweise als pro-palästinensisch oder antisemitisch beschrieben. Die deutsche Kampagne legt großen Wert darauf, letzteres nicht zu sein. Ebenso vehement weist die Kampagne die Auffassung zurück, dass die BDS-Bewegung die Vernichtung Israels anstrebe.
Ob dies so ist, ist umstritten. Ein Aufruf palästinensischer Organisationen aus dem Jahr 2005, der den Anstoß zur Bildung der BDS-Bewegung gab, fordert ein Ende der "Besetzung und Kolonisierung allen arabischen Landes", was durchaus danach klingt, als solle Israel von der Landkarte verschwinden. Zugleich fordert dieser Aufruf die Anerkennung der Grundrechte "der arabisch-palästinensischen Bürger Israels", was als Anerkennung Israels interpretiert werden kann.
Die Sache mit dem Rückkehrrecht
Die dritte Forderung schließlich ist jene nach dem Recht der Palästinenser auf Rückkehr "in ihre Häuser und auf ihr Eigentum". Aus israelischer Sicht ein bedrohliches Szenario: Weltweit gibt es Schätzungen zufolge sieben Millionen palästinensische Flüchtlinge. Sollten sie alle in ihre Heimat beziehungsweise in den weitaus meisten Fällen in die Heimat ihrer Vorväter zurückkehren dürfen, hätte Israel zwei Probleme, von denen die explodierende Bevölkerungsdichte noch das kleinere wäre - die gut sechs Millionen Juden im Land wären schlagartig eine Minderheit.
Solche Überlegungen sind der BDS-Bewegung fremd, auch die Zustände in den noch immer existierenden palästinensischen Flüchtlingslagern in arabischen Staaten kritisiert sie nicht. Zu den Kampagnen, die von der deutschen BDS-Sektion unterstützt werden, gehören "Kick Out Israel From Fifa", "Stop Hewlett Packard" (das Unternehmen zählt die israelische Armee zu seinen Kunden) und "Boycott Sodastream" (die Wassersprudelfirma ist ein israelisches Unternehmen und produzierte bis 2015 auch im Westjordanland).
In anderen Ländern, vor allem in den USA und Großbritannien, ist die BDS-Bewegung sehr viel einflussreicher als in Deutschland. Der britische Labour-Chef Jeremy Corbyn ist Unterstützer der britischen Organisation "Palestine Solidarity Campaign", die ihrerseits die BDS-Bewegung unterstützt - was dazu führte, dass Corbyn sich Ende 2017 gezwungen sah, sich von BDS zu distanzieren.
BDS setzt Israel mit Apartheid-Regime gleich
Ein Aushängeschild der internationalen BDS-Bewegung ist der Sänger Roger Waters, Mitglied der Band Pink Floyd. Waters setzt die israelische Regierung mit dem früheren südafrikanischen Apartheid-Regime gleich. Ungeachtet der Nachteile für Araber in Israel ist das schlicht falsch, da die Rassentrennung in Südafrika aus einer Vielzahl von rassistischen Gesetzen bestand, die es in Israel nicht gibt. Dennoch ist die Anlehnung an Südafrika ein Leitmotiv der Bewegung. Auch die deutsche BDS-Kampagne fühlt sich "inspiriert vom Kampf der Südafrikaner*innen gegen die Apartheid".
Für Waters reicht das nicht: Ein Buch des amerikanischen Journalisten Max Blumenthal, der in Deutschland für einen kurzen Moment durch die "Toilettenaffäre" bekannt wurde, zitiert der Musiker als Grundlage für seine Einschätzung, "die Parallelen zu dem, was in den 1930er Jahren in Deutschland passierte, sind erdrückend eindeutig". Äußerungen wie diese, die auf eine Gleichsetzung Israels mit Nazi-Deutschland hinauslaufen, haben dazu geführt, dass Waters seinerseits mit Boykottaufrufen konfrontiert ist. Im November beendete der WDR seine Medienpartnerschaft mit einem Konzert von Roger Waters in Köln.
Die Frage, ob die BDS-Bewegung, die vom sehr israelkritischen US-Politologen Norman Finkelstein als linke "Sekte" bezeichnet wird, antisemitisch ist oder nicht, spaltet auch die deutsche Linke. Die Publizistin Jutta Ditfurth sagt, die Strategie der BDS-Bewegung funktioniere so: "Israel wird dämonisiert, delegitimiert und mit doppelten Standards bewertet wie kein anderer Staat der Welt."
Dagegen sieht sich die BDS-Kampagne als Teil des "internationalistischen Blocks". Als Doris Ghannam von der Berliner BDS-Gruppe vor drei Jahren eine Rede bei einer Veranstaltung der Volksfront zur Befreiung Palästinas (FFLP) hielt, die von der EU als Terrororganisation geführt wird, begrüßte sie die Anwesenden als "liebe Genossinnen und Genossen". Auf die Frage, wie sie die terroristischen Aktionen der PFLP gegen Israel bewerte, sagte Ghannam im Interview mit tagesschau.de lediglich: "Die BDS-Kampagne ist die erfolgreichste Kampagne für die Rechte der Palästinenser weltweit und wir wünschen uns daher, dass sie auch in Deutschland als eine Möglichkeit wahrgenommen wird, substantielle Veränderungen für die Rechte der Palästinenser voranzubringen."
Quelle: n-tv.de
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