Stärkster Orkan seit elf Jahren

  19 Januar 2018    Gelesen: 488
Stärkster Orkan seit elf Jahren
Acht Menschen verlieren im stärksten Orkan seit elf Jahren ihr Leben. Der Bahnfernverkehr stoppt wegen "Friederike" zwischenzeitlich bundesweit. In Köln entbindet eine Mutter ihr Kind im Auto. In Bad Salzungen rückt die Bundeswehr mit Panzern aus.
Der schwerste Orkan seit mehr als zehn Jahren in Deutschland ist weitergezogen - "Friederike" kostete mindestens acht Menschen das Leben. Der Sturm legte den gesamten Fernverkehr der Bahn lahm, inzwischen rollt er wieder an. Das Tief, das in einem hunderte Kilometer breiten Korridor von Westen nach Osten über Deutschland fegte, war der schwerste Sturm seit dem Jahr 2007. Auf dem Brocken wurden Orkanböen von bis zu 203 Stundenkilometer gemessen. Im Tiefland wurden ebenfalls hohe Spitzen-Windgeschwindigkeiten erreicht.

Der letzte Sturm dieser Stärke war "Kyrill" im Jahr 2007. Kurios: Donnerstag war exakt der 11. Jahrestag von "Kyrill". Zeitweise wurde Windstärke 12 und mehr gemessen. In einigen Bundesländern fiel der Schulunterricht aus. Auch mehrere Flughäfen strichen aus Sicherheitsgründen Flüge. Im Norden machte zudem regional Schneeglätte Autofahrern zu schaffen.

Auf einem Campingplatz am Niederrhein bei Emmerich wurde ein 59-Jähriger von einem Baum erschlagen. Er war sofort tot. Durch eine Bö verlor im westfälischen Lippstadt ein 68-jähriger Mann bei einem Verkehrsunfall sein Leben. Der Transporterfahrer hatte im Orkan die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren und war in den Gegenverkehr geraten. Ein Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr starb bei einem Sturmeinsatz im sauerländischen Sundern. In Thüringen wurde ein Feuerwehrmann von einem umstürzenden Baum getötet. Sein Kollege wurde schwer verletzt. In Bad Salzungen waren so viele Bäume umgestürzt, dass Polizei und Feuerwehr mit ihren Fahrzeugen nicht mehr weiterkamen. Die Bundeswehr rückte kurzerhand mit Schützenpanzern aus und half bei den Bergungsarbeiten.

Bei einem Unfall inmitten der Sturmböen kam im Süden Brandenburgs ein Lastwagenfahrer ums Leben. Das Fahrzeug war wegen des Orkans auf der Autobahn 13 bei Ortrand nahe der Grenze von Brandenburg zu Sachsen in die Mittelleitplanke geprallt und umgestürzt. In der Nähe von Neubrandenburg starb eine 61-jährige Autofahrerin. Sie verlor sie südlich von Penzlin vermutlich wegen widriger Straßenverhältnisse und zu hoher Geschwindigkeit die Kontrolle über ihr Auto und schleuderte gegen einen entgegenkommenden Lastwagen.

In Sachsen-Anhalt erlagen zwei Männer ihren schweren Verletzungen. In Benndorf im Landkreis Mansfeld-Südharz war ein 65-Jähriger vom Dach eines Hauses gestürzt und rund acht Meter in die Tiefe gefallen. Er hatte auf dem Dach Sicherungsarbeiten durchgeführt. Im Burgenlandkreis in Hohenmölsen wurde ein 34-Jähriger von einem umstürzenden Baum tödlich getroffen.

Harte Entscheidung der Bahn

Die Deutsche Bahn hatte ihre Entscheidung, erstmals seit "Kyrill" vor 11 Jahren vorsorglich den Fernverkehr in ganz Deutschland einzustellen, mit der Sorge um die Sicherheit der Fahrgäste begründet: "Die Störungen durch den Sturm sind so gravierend, dass wir Fernzüge schlichtweg nicht mehr durchbekommen", sagte Bahnsprecher Achim Stauß. "Es wäre fahrlässig, die Züge irgendwo, wo man noch fahren kann, noch fahren zu lassen und dann bleiben Hunderte Fahrgäste auf irgendeinem Bahnhof oder schlimmstenfalls auf freier Strecke hängen. Diese Situation müssen wir vermeiden und deshalb diese harte Entscheidung, den Fernverkehr komplett in Deutschland einzustellen." In zehn Fernbahnhöfen hatte die Bahn sogenannte Aufenthaltszüge eingerichtet, in denen gestrandete Reisende zur Not auch übernachten können.

Der Fahrgastverband Pro Bahn hatte mit Kritik auf den Totalstopp reagiert. Der Aufenthalt in Hotelzügen sei zwar besser, als unterwegs zu stranden, sagte der Pro-Bahn-Ehrenvorsitzende Karl-Peter Naumann. "Aber wenn ich weiß, dass die Strecke noch frei ist, sollte ich versuchen, die Leute noch nach Hause zu bringen. Das kann man mit reduzierter Geschwindigkeit machen." Etwa 250 Reisende saßen längere Zeit in einem ICE in Südniedersachsen fest, der in einen umgestürzten Baum gefahren war. Die Passagiere sollten auf freier Strecke über Stege in einen anderen Zug umsteigen, der auf dem benachbarten Gleis halten soll. Der ICE war auf dem Weg von Hamburg nach Stuttgart.

In Pößneck (Thüringen) wurde das Dach einer Schule abgerissen, in der sich noch Kinder befanden. Nach Angaben des Landratsamtes Saale-Orla-Kreis blieben bei dem Vorfall am Nachmittag alle Schüler unverletzt. Das Dach des Grundschulgebäudes landete auf dem Schulhof. In Köln gab es eine stürmische Geburt: Dort brachte eine Frau ihr Baby in einem Auto zur Welt. Vater und Mutter waren auf dem Weg in die Klinik zur Entbindung, als eine sturmbedingte Straßensperrung die pünktliche Ankunft zunichtemachte. Der kleine Anton erblickte noch vor Ankunft von Rettungsdienst und Notarzt im Auto das Licht der Welt.

Vielerorts wurden Schulen ebenso geschlossen wie Zoos und einige Museen. Allein in Nordrhein-Westfalen mussten Feuerwehr- und Rettungsdienste laut Innenministerium bis zum Donnerstagnachmittag zu mindestens 7000 Einsätzen ausrücken, Straßen freiräumen, Bäume beseitigen und Gebäude sowie demolierte Oberleitungen sichern. Probleme bereiteten vor allem die zahllosen entwurzelten Bäume. Behörden warnten auch vor herabstürzenden Dachziegeln. In Gladbeck im Ruhrgebiet wurde ein Kindergarten geräumt, weil eine Dachkuppel abzustürzen drohte. Der Möbelmarkt Ikea in Kaarst bei Düsseldorf wurde wegen Schäden an der Fassade geräumt.

Auch in Deutschlands Nachbarländern wütete der heftige Sturm. In Belgien wurde eine Frau von einem Baum erschlagen. Zwei Menschen starben auch in den Niederlanden wegen umstürzender Bäume. Dort wurden auf Autobahnen und Fernstraßen durch den Sturm mehr als 60 Lastwagen umgeweht.

Quelle: n-tv.de

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