Strategie der Spannung: Sanktionen der Europäischen Union gefährden den Dialog in Venezuela

  26 Januar 2018    Gelesen: 1111
Strategie der Spannung: Sanktionen der Europäischen Union gefährden den Dialog in Venezuela

Verheißungsvolle Verhandlungsprozesse zwischen Regierung und Opposition durch einseitige Maßnahmen zu unterminieren - das gehört zu den beliebten Eskalations- und Regime-Change-Taktiken westlicher Regierungen. Jüngst kam sie wieder in Venezuela zum Einsatz.

von Maria Müller

Mitten in die Verhandlungen zwischen der Regierung und der Opposition Venezuelas platzten am 17. Januar neue Strafmaßnahmen aus Europa. Bereits im November vergangenen Jahres hatte die EU Boykottmaßnahmen gegen das Land verhängt und war damit der harten Linie des US-Präsidenten Donald Trump gefolgt. Anstatt das gegenwärtige Tauwetter im Land und damit verbundene Lösungen auf dem Verhandlungsweg zu unterstützen, heizt der Westen das Klima wieder an.

Eine Woche vor dem Sanktionsbeschluss war Thomas Shannon, US-Staatssekretär und außenpolitischer Berater von Donald Trump, nach Madrid gereist, um gemeinsam mit der Europäischen Union ein Netz von Sanktionen gegen Venezuela zu koordinieren. Die Union war verfügbar.

Gegenüber der Presse zeichnete Shannon ein negatives Bild von den Friedensgesprächen in Venezuela:

Der Dialog ist gegenwärtig sehr schwierig und kompliziert, vor allem auf Grund des Verhaltens der venezolanischen Regierung...


Damit widersprach er den Dialogteilnehmern, die im gleichen Zeitraum bei ihren Treffen in Santo Domingo öffentlich "bedeutende Fortschritte" verkündeten. Ein Sechs-Punkte-Plan sei bereits zu einer bald zu erwartenden Übereinkunft herangereift, hieß es von deren Seite.

Anti-Korruptions-Staatsanwalt auf Sanktionsliste der EU


Sieben hohe Staatsbeamte werden unterdessen nun von Europa persönlich sanktioniert. Sie dürfen nicht nach Europa reisen, ihre Auslandskonten - falls vorhanden - sollen eingefroren werden. Das universelle Grundrecht auf Privateigentum wird für sie abgeschafft.

Betroffen sind der Oberstaatsanwalt William Saab, die Präsidentin der obersten Wahlbehörde, Tibisay Lucena, sowie Maikel Moreno, der Präsident des Obersten Gerichtshofs. Saab hat sich seit seinem Amtsantritt Mitte vergangenen Jahres mittels seiner unnachgiebigen Verfolgung von Korruptionsfällen einen Namen gemacht. Insofern trägt er durchaus dazu bei, die demokratischen Verhältnisse im Land zu verbessern.  

Die Mitte-Rechts-Opposition hat die Autorität des Obersten Wahlrats zurückgewiesen. Die Regierung ist nun bereit, die fünf Rektoren im Wege eines gemeinsamen Vorgehens zu erneuern. Weitere sanktionierte Personen sind Nestor Reveroll, der Innenminister des Landes, Diosdado Cabello, der Vizechef der Sozialistischen Partei, sowie weitere zwei Beamte.

Die Europäische Union begründet die Strafmaßnahmen gegen die jeweiligen Betroffenen nicht im Einzelnen. Sie finden im rechtsfreien Raum statt, ohne formale Anklage und Verteidigungsmöglichkeit. Sanktionierte Personen oder Staaten haben keine Möglichkeit, dagegen auf dem regulären Rechtsweg Einspruch zu erheben. Ein unparteiisches Tribunal über Venezuela wäre eigentlich eine demokratische Mindestvoraussetzung für solche Eingriffe.

Dialog durch Eskalation und Parteinahme unterstützen?


Die Sprecherin der Europäischen Kommission, Catherine Ray, betonte anlässlich der Verkündung der neuen Sanktionen, man wolle "die gegenwärtigen Anstrengungen unterstützen, um eine Verhandlungslösung der Krise zu erreichen".

Doch wer inmitten eines Dialogprozesses von außen eine der Seiten politisch an den Pranger stellt, will eingreifen, ohne teilzunehmen. Die Sanktionen übermitteln eine Botschaft an die Opposition und die Weltöffentlichkeit: "Mit einer solchen Regierung sollte man nicht verhandeln."

Die Intervention zeigte prompt erste Wirkung. Die Parteien-Allianz des "Tischs der demokratischen Einheit" (MUD) blieb dem in Santo Domingo geplanten Treffen am 18. Januar fern, obwohl bedeutende Vorschläge zur Diskussion anstanden. Auch die sie begleitenden Außenminister Chiles und Mexikos kamen nicht. Nun soll ein neuer Termin ausgemacht werden. Ob er zustande kommt, ist fraglich. Der europäische Boykott im Schlepptau der US-Sanktionen hat die Gleise umgestellt.

Seit Anfang November 2017 haben erneute Gesprächsrunden zwischen einigen Parteien des MUD-Bündnisses und der Regierung Venezuelas auf der Karibikinsel Dominikanische Republik stattgefunden. Mit von der Partie sind die Außenminister Chiles, Mexikos, Boliviens, Nicaraguas und der Karibikinselgruppe St. Vincent und die Grenadinen. Der spanische Ex-Präsident José L. Zapatero wirkte einmal mehr als Vermittler zwischen den Delegationen. Im Dezember und Anfang Januar gab es weitere Treffen.

Der Präsident der Dominikanischen Republik, Miguel Medina, lobte die jüngsten Fortschritte:

Die Vertreter der Regierung und der Opposition haben ein großes Engagement für diesen Dialog bewiesen. Deswegen hoffen wir, dass wir am nächsten Donnerstag endgültige Vereinbarungen treffen werden können.


Er wurde enttäuscht.

Regierung kommt zentralen Oppositionsforderungen entgegen


Bereits am 2. Dezember hatten die venezolanischen Regierungsvertreter in Santo Domingo einen bedeutenden Vorschlag auf den Tisch gelegt.

Ursprünglich war die Präsidentschaftswahl für die zweite Jahreshälfte 2018 geplant. Das entsprach dem regulären Wahlkalender des Landes. Teile der MUD-Allianz hatten die Befürchtung geäußert, die Wahlkommission wolle den Urnengang vorverlegen, um ihre gegenwärtige schlechte Wählerkonjunktur und ihre inneren Differenzen auszunutzen. Sie hatte sowohl bei den Gouverneurswahlen als auch bei den Kommunalwahlen erhebliche Niederlagen eingefahren. Bis heute ist in ihren Kreisen umstritten, ob man sich an Wahlen beteiligen soll. 

Die Regierung ist nun bereit, die oberste Wahlbehörde neu zu besetzen, die von Oppositionsseite nach jeder neuen Wahl der Manipulation beschuldigt wurde - ohne haltbare Beweise vorzulegen.

Die Zusammensetzung eines neuen Wahlrates wird spätestens im Januar 2018 stattfinden. Dabei sollen fünf Rektoren ernannt werden. Zwei von der Regierung, zwei von der Opposition und einer nach gemeinsamer Übereinkunft",


heißt es in der Gesprächsvorlage der Regierung für den Dialog. Die MUD-Allianz müsste dieser Vorgaben zustimmen. Damit wäre eine kritische Hürde für eine Übereinkunft überwunden. Sie hatte im vergangenen Jahr noch selbst vorverlegte Präsidentschaftswahlen gefordert und dafür schwere Unruhen provoziert.

Tatsächlich haben die neuerlichen Gewaltausbrüche im Jahr 2017 zu einer wachsenden Abkehr der Wählerschaft geführt. Die Frage, welcher Weg zum Sturz des Präsidenten Maduro richtig sei - Gewalt oder Wahlen - hat in der Opposition bis ins rechtsradikale Lager hinein zu tiefen inneren Widersprüchen geführt. Doch die Regime-Change-Experten des Pentagon und der EU-Zentrale in Brüssel wollen eine neuerliche Wahlniederlage verhindern.

Um den Spielraum für weitere Destabilisierungsaktionen einzuschränken, hat die Verfassungsgebende Versammlung am 23. Januar beschlossen, die für den Herbst geplanten Präsidentschaftswahlen nun doch auf den März des Jahres vorzuverlegen.

Präsident Maduro hat am 24. Dezember eine Weihnachtsamnestie erlassen, im Zuge derer 44 wegen Gewaltdelikten inhaftierte Personen freikamen.

Oberstaatsanwalt Tarek Saab prüft in 69 weiteren Fällen Möglichkeiten, die Haft durch Hausarrest zu ersetzen. Insgesamt hat die Kommission für Wahrheit und Frieden im Rahmen der Verfassungsversammlung ANC solche Maßnahmen für 80 Personen gefordert. Diese Schritte waren ursprünglich von der MUD-Allianz als Bedingung eingefordert worden, um überhaupt an dem Dialog teilzunehmen. Entschädigungen für die Gewaltopfer und ihre Familien hat sie bisher nicht gewünscht.

 

Quelle: rt deutsch


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