Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass Erdöl vor allem in Benzin steckt. Das schwarze Gold, wie es wegen seines Wertes einst genannt wurde, wird zwar zu etwa 95 Prozent zu Kraftstoff verarbeitet. Was der mit der Umwelt anstellt, wissen wir nicht erst seit dem Dieselskandal.
Doch Erdöl ist auch in vielen anderen Produkten zu finden, die wir jeden Tag verwenden und über deren Bestandteile wir uns keine Gedanken machen. "Wer von ihnen hat heute Morgen Deo benutzt?", fragt Brian McDonald von der University Colorado bei der Vorstellung seiner Studie auf der weltgrößten Wissenschaftskonferenz AAAS in Austin, Texas. Nahezu alle Arme gehen hoch. Erdöl steckt aber auch in Seifen, Duschgels, Pflegecremes und vielem mehr, gibt er zu bedenken.
Auch in Putzmittel oder Farben. Solche Konsum- und Industrieartikel hat jeder von uns im Haushalt. Laut der Studie, die McDonald zusammen mit Kollegen im Wissenschaftsmagazin "Science" vorgestellt hat, gibt es bei diesen chemischen, erdölbasierten Produkten ein Problem: Sie verursachen deutlich mehr Luftverschmutzung, als bisher angenommen.
Die etwas anderen Abgase
Denn in den Produkten befinden sich gesundheitsschädliche Stoffe, sogenannte flüchtige organische Verbindungen (Volatile Organic Compounds). Diese VOCs kommen auch natürlich in der Umwelt vor, sie werden etwa von Pilzen abgesondert. Die Verbindungen gelten als Vorläuferstoffe von gesundheitsschädlichem Feinstaub und sind bei starker Sonneneinstrahlung auch an der Entstehung von bodennahmen Ozon beteiligt. Deshalb ist die Begrenzung von VOC-Emissionen seit Jahren ein Umweltziel.
Im Kraftstoff werden VOCs bei der Energiegewinnung im Motor verbrannt. Aber in gängigen Lösungsmitteln und Körperpflegeprodukten passiert das nicht. Dort verflüchtigen sie sich sehr schnell, da sie schon bei Zimmertemperatur verdampfen können. So geraten sie in die Luft. "Gerade in Deos, Parfüms oder auch in dem Haarspray, das ich heute benutzt habe, sollen sie für die Zerstäubung sorgen oder den Duft entfalten", sagt Jessica Gilman von der US-Klimabehörde NOAA, die an der Studie beteiligt war.
Viele dieser Produkte werden vor allem innerhalb von Räumen verwendet. Doch ihr Anteil an der Luftverschmutzung sei bisher nicht genügend berücksichtigt worden, sagen die Forscher. In einigen Städten, die für die Studie untersucht wurden, tragen die VOCs genauso viel zur Luftverschmutzung in der Atmosphäre bei wie Autoabgase. Stickstoffverbindungen, wie sie etwa von Dieselmotoren produziert werden, gehören aber nicht zu den VOCs. "Uns hat selbst überrascht, wie hoch der Einfluss von solchen Produkten auf die Luftqualität ist", sagen die Forscher.
Der Stoff, der krank macht
Sie hatten analysiert, woher die VOCs in der Luft stammen. Außerdem schauten die Forscher sich bereits vorhandene Studien zur Qualität der Luft von Innenräumen und Statistiken aus der chemischen Produktion an. Zumindest in den USA sei die Menge, die aus Konsum- und Industrieartikeln stammt, wohl zwei- oder dreimal so hoch wie bislang angenommen.
Zwar haben die Forscher für ihre Studie nur Städte in den USA analysiert - hier war vor allem in Industriestädten der Anteil der Luftverschmutzung durch VOSs sehr hoch. Doch solche VOCs befinden sich überall auf der Welt in Haushaltsprodukten - auch in Deutschland.
Die Belastung von gas- und dampfförmigen VOCs in Innenräumen kann krank machen, dort sind sie deutlich gefährlicher als in der Außenluft. Denn sie kommen nicht nur in Konsumprodukten vor, sondern auch in Produkten, die beim Bau von Gebäuden und zur Innenausstattung verwendet werden - etwa Fußboden-, Wand- und Deckenmaterialien. In höheren Konzentrationen führen VOCs zu Kopfschmerzen, Schwindel und Reizungen der Schleimhäute, warnt das Umweltbundesamt (Uba). Um dem vorzubeugen, empfehlen die Experten regelmäßiges Lüften. Dann besteht üblicherweise keine große Gesundheitsgefahr und Beeinträchtigungen sind nicht zu befürchten.
Um sich vor solchen VOCs zu schützen, empfiehlt das Uba beim Kauf von Pflegeprodukten etwa auf Umweltsiegel wie den Blauen Engel zu achten. Auch für Baumaterialien gibt es Prüfsiegel.
Immerhin haben die Forscher in Austin auch positive Nachrichten: Denn dass die Emissionen durch solche Produkte immer größere Bedeutung haben, könne auch dem sinkenden Anteil an Luftverschmutzung durch Autoabgase zugeschrieben werden. Hier habe die verbesserte Technologie wegen strengerer Auflagen geholfen, immer sauberer zu werden.
Quelle : spiegel.de
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