Deutscher Chemiewaffen-Experte über Bekanntes und Verschwiegenes zum Skripal-Fall

  22 März 2018    Gelesen: 1183
Deutscher Chemiewaffen-Experte über Bekanntes und Verschwiegenes zum Skripal-Fall

Es ist nicht klar, wer mit welchem Stoff den Ex-Agent Sergej Skripal und seine Tochter am 4. März vergiftet hat. „Es fehlen die Fakten“, so Walter Katzung, deutscher Chemiewaffen-Experte. Er weiß: Der Westen kennt den angeblich verwendeten Nowitschok-Kampfstoff. Er hat Zweifel am Verhalten der USA in dem Fall und kritisiert die Berichterstattung.

Etwas mehr als eine Stunde warteten am Dienstagabend im Berliner Spionagemuseumdie Zuhörenden darauf, vom Chemiewaffen- und Gift-Experten Walter Katzung etwas zum mutmaßlichen Mordversuch mit Gift an dem Ex-Agenten Sergej Skripal zu hören. Es sollte sich lohnen, war der Fachmann doch selbst in der ehemaligen sowjetischen geheimen Waffenfabrik gewesen, in der das angeblich beim Anschlag am 4. März in Großbritannien verwendete Gift entwickelt wurde.

Bis dahin gab Katzung sein Wissen darüber zum Besten, wie Geheimdienste in aller Welt und zu allen Zeiten Liebe und Sex für ihre Ziele einsetzten, um Informationen zu gewinnen – aber auch, um Kontrahenten oder missliebige Personen auszuschalten. Der Experte unternahm einen Parforce-Ritt durch die Welt der natürlichen und künstlichen Hilfsmittel für die körperliche Anziehung und Liebe unter den Menschen. Dabei gab er nicht nur Zeugnis von seinem umfangreichen Wissen und Tun, sondern auch manche Empfehlung ab und ließ ahnen, was er selbst ausprobiert hatte.

Von Aphrodisiaka zu Nervengiften
Katzung hat eine interessante berufliche Laufbahn: Der Toxikologe war Offizier im besonderen Einsatz (OibE) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR und UN-Gutachter für Toxikologie und chemische Waffen. Er hat später unter anderem die Bundesregierung und Bundesbehörden beraten. Der bundesdeutschen Justiz half er als Gutachter, Fälle aufzuklären, bei denen Drogen und Gifte im Spiel waren.

Nach der Tour durch die Welt der Aphrodisiaka, der Duft- und Lockstoffe, fragte er das Publikum im übervollen Museums-Kinosaal, ob jemand etwas zum Skripal-Fall wissen wolle. Da hoben viele ihre Arme. Katzung präsentierte ihnen, was er zum jüngsten Fall des angeblichen Einsatzes von Gift durch Geheimdienste wusste und schon vorbereitet hatte. Er hatte auch das Buch von Will Mirsajanow, dem Erfinder des verdächtigen Kampfstoffes aus der Gruppe „Nowitschok“, dabei: „State Secrets: An Insider's Chronicle of the Russian Chemical Weapons Program“. Mirsajanow hatte seine Erinnerungen veröffentlicht, nachdem er in den 1990er Jahren in die USA emigriert war.

Eine deutsche Leitformel für alle Nerven-Kampfstoffe
Katzung wies daraufhin, dass der in der Sowjetunion entwickelte Nervengift-Kampfstoff wie auch seine Pendants im Westen und China einer Formel des deutschen Chemikers Gerhard Schrader folgt, der sogenannten Schraderschen Leitformel. Der entsprechende Kampfstoff der Nato sei in Großbritannien entwickelt worden, so Katzung. „Alle Stoffe, die dieser Formel folgen, sind Nervengift-Kampfstoffe.“

Die Sowjetunion habe ihren sogenannten binären Kampfstoff, bestehend aus zwei an sich ungiftigen Bestandteilen, als Antwort auf damals neuartige westliche VX-Chemiewaffen entwickelt. Aber: „Nowitschok-Stoffe sind je nach Struktur zehn- bis tausendfach giftiger als VX-Kampfstoffe. Die Giftwirkung hält viel länger an und ist in den meisten Fällen nicht zu heilen, das heißt tödlich.“ Bei geringen Dosierungen würden die Opfer so schwere Schäden behalten, dass sie Zeit ihres Lebens invalide seien.

sputniknews


Tags:


Newsticker