Als Kapitän zur See Jörg-Michael Horn vor einer Woche das Kommando des 2. Fregattengeschwaders in Wilhelmshaven niederlegte, las er der politischen Führung in seiner Abschiedsrede gehörig die Leviten. Nicht nur materiell, auch personell sei es "fünf nach Zwölf", sagte er.
Um auszudrücken, was ihm missfällt, zitierte Horn einen Text, der im Dezember 2017 im "Spiegel" erschien: "Wer von seinen Leuten erwartet, dass sie ihr Leben aufs Spiel setzen, muss mehr bieten als eine 'Agenda Attraktivität', als Flachbildschirme in den Kasernen", las Horn zustimmend vor. "Er muss sich einlassen auf ein Wertesystem, in dem so altmodische Kategorien wie Mut, Tapferkeit, Ehre und Opferbereitschaft zählen. Vor allem aber Kameradschaft und Loyalität."
Mut, Tapferkeit, Opferbereitschaft und Kameradschaft. Genau darum ging es bei der Umbenennung einer Kaserne in Hannover, die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen heute vornahm. Bisher trug die Kaserne, in der die Schule für Feldjäger und Stabsdienst der Bundeswehr untergebracht ist, den Namen Emmich-Cambrai und erinnerte damit zum einen an eine Panzerschlacht im Ersten Weltkrieg, zum anderen an den preußischen General Otto von Emmich.
"Kameradschaft über den Tod hinaus"
Der neue Name wurde nicht im Verteidigungsministerium in Berlin ersonnen, um den alten Namen loszuwerden, sondern von den Soldaten, die dort stationiert sind. Künftig heißt sie Hauptfeldwebel-Lagenstein-Kaserne. Erstmals ist damit ein bei einem Auslandseinsatz gefallener Bundeswehrsoldat der Namensgeber einer Kaserne: Tobias Lagenstein starb am 28. Mai 2011 im Alter von 31 Jahren bei einem Anschlag in Afghanistan. Der Feldjäger ist einer der insgesamt 57 Soldaten der Bundeswehr, die bislang in dem Land ums Leben gekommen sind.
Bei der Umbenennungszeremonie sagte Oberst Dirk Waldau, der Kommandeur der Feldjäger-Schule, Anstoß für den Namenswechsel sei gewesen, "dass meine Soldaten keinen Zugang zu Emmich und Cambrai fanden". Indirekt machte Waldau deutlich, dass es nicht darum ging, sich vom bisherigen Namen zu distanzieren - und auch nicht darum, der Kaserne ein neues Image zu geben. "Wir wollten einen Namen finden, der uns einen Bezug zu unserem heutigen soldatischen Dienst erlaubt, der uns etwas sagt, der uns motiviert, der uns auch stolz machen kann", so Waldau. Tobias Lagenstein stehe für Werte, "die universell gültig sind und jeden Soldaten unmittelbar betreffen und binden: Pflichtbewusstsein, Führungswillen, Verantwortungsgefühl, Tapferkeit". Von der Leyen, die nach Waldau sprach, betonte, der neue Name der Kaserne sei ein Zeichen für die Kameradschaft in der Bundeswehr "selbst über den Tod hinaus". Außerdem sei er "Ausdruck der hohen Wertschätzung der soldatischen Tugenden, die Tobias Lagenstein verkörperte".
Von der Leyen nahm die Umbenennung der Kaserne zum Anlass, den neuen Traditionserlass der Bundeswehr zu unterzeichnen. Anders als der bisherige Erlass von 1982 stellt der neue die Geschichte der Bundeswehr selbst in den Mittelpunkt - einer Armee, die seit einem Vierteljahrhundert zum internationalen Krisenmanagement beitrage, so von der Leyen, "und sich dabei in Einsätzen und Gefechten bewährt, deren Soldatinnen und Soldaten immer wieder aufs Neue Mut, Tapferkeit und Bereitschaft beweisen, auch mit dem höchsten Gut für ihren Auftrag einzustehen".
Mit Mut und Kameradschaft zur Versöhnung mit der Truppe
Dass ausgerechnet von der Leyen diese Werte so hervorhebt, ist die Folge eines Lernprozesses. Sie war vor vier Jahren mit dem Anspruch ins Verteidigungsministerium eingezogen, die Attraktivität der Bundeswehr zu steigern und sie von Grund auf zu modernisieren. Ein Gefühl für die Stimmung bei der Truppe entwickelte sie erst spät: Nach dem Skandal um den Feldjäger Franco A., der sich als syrischer Flüchtling registrieren ließ und offenbar einen Anschlag in Deutschland plante, sagte die Ministerin, es gebe in der Bundeswehr "ein Haltungsproblem" und einen "falsch verstandenen Korpsgeist". Offiziere und Soldaten waren empört. Seither versucht von der Leyen, Vertrauen zurückzugewinnen. Staatssekretärin Katrin Suder, eine ehemalige McKinsey-Direktorin, die als Unternehmensberaterin ins Ministerium gekommen war und als Symbol für nüchterne Reformpolitik galt, hat das Haus gerade verlassen.
Den Startschuss für den neuen Traditionserlass gab von der Leyen, nachdem der Fall Franco A. bekannt geworden war. Was ursprünglich als Signal der Abgrenzung von antidemokratischen Wehrmachtstraditionen gemeint war, geriet durch die Umbenennung der Emmich-Cambrai-Kaserne zu einem positiven Zeichen: Ab sofort steht "die reiche Geschichte der Bundeswehr" im Mittelpunkt ihrer Erinnerungskultur, so von der Leyen.
In gewisser Weise ging es darum auch in Horns Rede, die für große Aufmerksamkeit sorgte, nachdem sie vom sicherheitspolitischen Blog "Augen Geradeaus!" veröffentlicht worden war. Unmissverständlich kritisierte er die Verteidigungsministerin. "Es nützt uns nichts, jeden um jeden Preis bei uns zu halten", sagte Horn mit Blick auf ihre Ankündigung, die Bundeswehr zu einem attraktiven Arbeitgeber zu machen. Vielmehr brauche man Menschen, "die bereit sind, den bisweilen schwierigen Weg als Soldat mitzugehen".
In ihrer Rede in Hannover schient von der Leyen Horn Recht zu geben. Künftig soll die Attraktivität der Truppe offenbar nicht mehr durch Flachbildschirme erhöht werden. Sondern durch die Würdigung von Mut, Opferbereitschaft und Kameradschaft.
Horn sollte nach seinem Ausscheiden in Wilhelmshaven übrigens als Referatsleiter zum Bundesamt für Personalmanagement der Bundeswehr wechseln. Am Dienstag meldete die FAZ, trotz seiner kritischen Rede werde sich daran nichts ändern.
Quelle: n-tv.de
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